Yababa vor dem Aus: „Unsere Bewertung war zu teuer“


Ralph Hage (34) hat vor knapp zwei Jahren das Startup Yababa aufgebaut, nun ist es insolvent.

Ralph Hage (34) hat vor knapp zwei Jahren das Startup Yababa aufgebaut, nun ist es insolvent.
Yababa GmbH / Wiktor Strasse

Nachdem Schnell-Lieferdienste wie Gorillas und Flink urplötzlich einen neuen Markt aus dem Boden gestampft haben, zogen zahlreiche Gründer mit alternativen Ideen nach. Einer von ihnen war Ralph Hage. Der gebürtige Libanese zog vor wenigen Jahren nach Berlin, um in der Startup-Szene zu arbeiten.

Im Frühjahr 2021 gründete er dann selbst: Yababa. Mit der Hilfe des VCs Foodlabs entwickelte Hage einen Lieferdienst, dessen Sortiment in erster Linie die türkische und arabische Gemeinschaft in Deutschland ansprechen sollte. Yababa fuhr die Bestellungen nicht so schnell aus wie Gorillas, sondern setzte vielmehr auf Wocheneinkäufe und große Warenkörbe.

Ende 2021 ging das Startup an den Start, sammelte direkt 13 Millionen Euro in der Seed-Runde ein. Heute, mehr als ein Jahr später, steht Yababa vor dem Aus. Ralph Hage sowie seine Mitgründer Hadi Zaklouta und Javier Gimenez stellten Anfang Februar einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Wie es dazu gekommen ist und welche Fehler Yababa in den letzten Monaten gemacht hat, darüber spricht CEO Hage im Interview.

Ralph, du hast Anfang Februar überraschend Insolvenz für Yababa angemeldet. Was ist passiert?  

Wir wollten zu Beginn des letzten Sommers eigentlich auf Geldsuche gehen. Allerdings hat sich die Situation am Finanzmarkt ja stark verschlechtert. Niemand wusste, wie schlimm es werden würde und wir waren nicht darauf vorbereitet. Yababa war zwar auf bestem Weg dahin, seine Ziele zu erreichen und wir brauchten weiteres VC-Geld, um unser Wachstum ankurbeln zu können. Aber uns war mulmig zumute, im Sommer nach 20 Millionen Euro zu fragen. Wir haben es dann schlussendlich im Oktober versucht und schnell gelernt, dass die Investoren immer noch skeptisch waren und abwarten wollten. Also haben wir entschieden, unsere Pläne anzupassen.  

Was heißt das konkret?  

In den meisten Monaten sind wir bis zu 50 Prozent im Außenumsatz gewachsen. Der November war unser stärkster Monat. Aber der Markt wollte zu dem Zeitpunkt keine KPIs sehen, sondern eigentlich nur Profitabilität. Wir haben unsere Firma aber so aufgebaut, dass sie auf Wachstum ausgelegt ist. Also haben wir uns Ende Oktober zusammengesetzt und überlegt, wie wir so schnell wie möglich den Break-even schaffen können. Wir wussten, dass wir ansonsten kein Investment bekommen würden. Wir waren auf gutem Weg unsere monatlichen Cashburn auf 400.000 Euro zu senken. Zwar hatten wir noch einiges zu tun, bis Mai wären wir aber zumindest auf operativer Ebene profitabel gewesen.  

Und weiter?  

Ich war in den letzten Monaten extrem ins Tagesgeschäft eingebunden, bin aber genauso stark auf Geldsuche gegangen. Zu dem Zeitpunkt habe ich die Summe schon auf zehn Millionen Euro reduziert. Uns war bewusst, dass die Investoren nach wie vor zögerlich waren, vor allem bei unserer Branche. Ich habe mit einer langen Liste an VCs gesprochen, bin auf Family Offices zugegangen, war sogar im Mittleren Osten auf einer Roadshow. Einige Investoren haben uns mündlich zugesagt, wir hätten aber höchstens ein paar Millionen Euro zusammenbekommen. Uns hat schlicht und einfach ein Lead-Investor gefehlt. Am Ende sind wir sogar so weit gegangen, dass wir die Bewertung eingekürzt haben.  

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Wie hoch war eure Bewertung?  

Als wir Ende 2021 unsere Seed-Runde abgeschlossen haben, lag die Post-Money-Bewertung bei 50 Millionen Euro. Das war zugegebenermaßen zu einer Zeit, als der Markt steil bergauf ging. Und nimmt man unseren Außenumsatz von acht Millionen Euro und einem handelsüblichen Multiple von 4x oder 5x, kommt man auf ein ähnliches Ergebnis. Das fanden wir also gerechtfertigt. Weil das in den letzten Monaten aber zu teuer war, sind wir bei der Bewertung um bis zu 30 Prozent heruntergegangen. Unsere Altgesellschafter waren zum Glück auch damit einverstanden.  

Ist es nicht einfach zu sagen, es lag am Markt?  

Es lag nicht allein an uns. Der ganze Markt spielt verrückt. Wir standen einfach mitten in einem Sturm, haben versucht, hindurchzukommen, es aber nicht geschafft. Und so sind wir am Ende im Insolvenzverfahren gelandet. Steckt ein Startup erst einmal in diesem Verfahren, ist es für neue Investoren oder Käufer natürlich attraktiver als sonst.  

Bist du wütend?  

Wut ist nicht das, was ich gerade fühle. Eher Enttäuschung. Ich habe mich damit abgefunden und finde es schade, dass wir diese Story nicht fortführen können. Aber das Leben geht weiter. Wenn ich ehrlich bin, dann gab es sowieso schon länger Gegenwind: die Branche hat sich plötzlich verändert, die Wirtschaft kämpft gerade. Der Job des CEO wird dann noch schwieriger. Er oder sie ist die Schnittstelle zwischen den Interessen der Mitarbeiter, Investoren und Partner. 

Wie können wir uns das vorstellen?  

Alle Beteiligten haben zu diesem Thema eine andere Meinung und Vorstellung. Und das zu Recht. Jeder wartet dann, wie ich mich entscheide und nicht alle werden mit der Entscheidung einverstanden sein. Als CEO und Gründer versuchst du in allen Belangen etwas Positives zu erreichen für alle Beteiligten. Manchmal klappt das, manchmal nicht.  

Was war mit den Altgesellschaftern? Haben die den Glauben verloren?  

Im Gegenteil, unsere Bestandsinvestoren haben uns bei jedem Schritt unterstützt und zum Ende des Sommers mit einer Brückenfinanzierung ausgeholfen. Damit konnten wir den Fundraising-Prozess hinauszögern und uns bis Anfang dieses Jahres finanzieren. Aber die Gesellschafter können halt nicht unser Geschäft allein subventionieren, so läuft der VC-Markt eben nicht. Aktuell haben wir noch Geld, aber es wäre nicht genug gewesen, weiterhin ein Unternehmen aufzubauen.  

Wenn ihr vor dem Insolvenzantrag schon keine neuen Investoren gefunden habt, wie wollt ihr dann jetzt Geldgeber finden?  

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es mehrere Interessenten. Wir haben es vorher nicht geschafft, einen Deal abzuschließen, weil unsere Bewertung zu hoch war. Unser Betrieb war riesig, zu groß für die wirtschaftliche Lage. Wir haben daher vorher schon die Expansion außerhalb Deutschlands gestoppt und uns erst einmal auf den Heimatmarkt fokussiert. Allerdings haben wir dadurch auch noch offene Schulden.   

Wie meinst du das?  

Dass wir nach Amsterdam und Frankreich gehen wollten, war eigentlich beschlossene Sache. Kurz vor dem Start haben wir aber beide Märkte wieder eingestampft. Wir haben zwar keine Lager angemietet, aber trotzdem Verträge mit Anbietern geschlossen, die uns zum Beispiel mit Kühlschränken und Regalen beliefern sollten. Und diese Verträge will natürlich niemand übernehmen.   

Habt ihr in den letzten Monaten auch Mitarbeiter entlassen?  

Den Teams aus den beiden Märkten mussten wir kündigen. Nachdem wir uns im Oktober dafür entschieden haben, den Kurs auf Break-even zu wechseln, haben wir unsere Teamgröße auch insgesamt reduzieren müssen. Wir haben dann auch Mitarbeiter in die Teilzeit geschickt. Es gab keine Massenentlassungen, eher vereinzelte Kündigungen. Und all diese Maßnahmen haben dazu beigetragen, unsere Personalkosten um ungefähr 60 Prozent zu senken.  

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Welche Fehler habt ihr gemacht?  

Wir wollten zu schnell in neue Märkte expandieren. Dafür wuchs das Team auch schnell mit. Als wir 2021 Geld eingesammelt haben und alle im Hype-Modus waren, war einfach die Erwartung, dass wir schnell skalieren. Also haben wir entsprechend Leute eingestellt, um das auch umsetzen zu können. Außerdem haben wir uns zu sehr darauf fokussiert, neue Kunden an Land zu holen anstatt uns um die alten zu kümmern.  

Yababa spricht in erster Linie die türkisch-arabische Community an. Im Vergleich zu Lieferdiensten wie Gorillas eine sehr nischige Zielgruppe. War das nicht das eigentliche Problem?   

Nein, zwischen uns und den Schnell-Lieferdiensten gibt es einige Unterschiede. Wir zielen nicht auf Kunden ab, die spontan etwas kaufen wollen, sondern auf solche mit Wocheneinkäufen. Das umfasst viel größere Haushalte, meistens Familien mit Kindern. Weil wir nur noch aus einem Warenlager heraus ganz Deutschland beliefern und nicht pro Standort ein eigenes Warenhaus eröffnen, decken wir pro Lager eine viel breitere Fläche ab. Also ist unser Umsatz pro Lager vergleichsweise höher. Dieses Modell ist kosteneffizienter. Auch, weil wir mit Vans ausliefern, die pro Fahrt mehr Bestellungen übernehmen können als ein Radfahrer. Die Zielgruppe ist riesig, die türkische und arabische Diaspora in Deutschland umfasst fast 10 Millionen Menschen. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass dieser Markt unterversorgt ist und dafür ein Dienst wie Yababa wichtig wäre um ein Stück Heimat zu den Menschen zu bringen. 

Eine Insolvenz bedeutet Stress. Schaffst du es trotzdem noch, dir Zeit für dich selbst zu nehmen?  

Wenn man im Mittelpunkt steht, versucht man, alle Beteiligten zu beschützen, aber man kann nicht allen gerecht werden. Und dann kann es da oben auch mal sehr einsam werden. Also bleibe ich mit den Füßen auf dem Boden, schirme mich von der Negativität ab und blicke nach vorne. Das muss man als Unternehmer. Am Ende des Tages bin ich dankbar für die großartige Unterstützung, die wir von unseren Investoren erhalten haben, und ich bin stolz auf mein Team. 

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