Wirtschaftsministerium wirft Elon Musk Willkür vor

Der Tech-Milliardär Elon Musk hatte Twitter im Oktober gemeinsam mit anderen Investoren übernommen. Danach hat er mehrere umstrittene Änderungen vorgenommen.
Berlin Seit fast zwei Monaten ist Elon Musk nun im Besitz von Twitter. Im Oktober übernahm der Tech-Milliardär für rund 44 Milliarden Dollar den Kurznachrichtendienst und traf seither eine Reihe umstrittener Entscheidungen. Das Bundeswirtschaftsministerium ist deswegen alarmiert. In einem Brief an die EU-Kommission, der dem Handelsblatt vorliegt, bringt Staatssekretär Sven Giegold schärfere Auflagen für Twitter ins Spiel.
Mit „großer Sorge“ habe er „Twitters Plattformregelungen, deren abrupte Änderungen und willkürliche Anwendung zur Kenntnis genommen“, stellt Giegold in seinem Schreiben an EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und Binnenmarktkommissar Thierry Breton fest. Angesichts dessen sei „eine energische Durchsetzung der bestehenden und zukünftig geltenden Regeln“ notwendig.
Der Grünen-Politiker sieht das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA), als Hebel, um den Druck auf Twitter zu erhöhen. Der DMA, dem die EU-Staaten im Juli zugestimmt hatten, soll vor allem die Marktmacht von Tech-Giganten wie Google und Facebook mit strengeren Regeln beschränken.
Für diese sogenannten „Gatekeeper“ gelten besondere Auflagen, zum Beispiel Einschränkungen beim Umgang mit persönlichen Daten von Nutzern. Der Digital Markets Act wird ab Mai kommenden Jahres anwendbar.
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Twitter ist indes, wie Giegold bemerkt, trotz seiner besonderen Bedeutung nicht als „Gatekeeper im Sinne des DMA“ vorgesehen. Dadurch erfolge auch keine unmittelbare wettbewerbspolitische Direktaufsicht durch die EU-Kommission unter dem DMA. „Die EU-Kommission sollte daher so schnell wie möglich eine Marktuntersuchung (…) einleiten, um Twitter als Gatekeeper nach dem DMA zu benennen.“
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Der Tech-Milliardär Musk hatte Twitter im Oktober gemeinsam mit anderen Investoren übernommen. Danach hat er mehrere umstrittene Änderungen vorgenommen. Nach der Entlassung des Managements und der Hälfte der Belegschaft sorgte er in den vergangenen Tagen mit der Sperrung von Nutzerkonten amerikanischer Journalisten für Unruhe.
Auch die SPD sieht Musk kritisch
Weiteren Ärger löste Musks Vorhaben aus, Nutzerinnen und Nutzern künftig nicht mehr zu erlauben, ihre Präsenz auf bestimmten Konkurrenz-Plattformen zu bewerben. Musk versprach daraufhin, größere Änderungen der Richtlinien künftig ebenfalls zur Abstimmung zu stellen.
Nachdem Twitter-Nutzer sich in einer von Musk eingeleiteten Umfrage mehrheitlich für seinen Rücktritt ausgesprochen hatten, kündigte er seinen Rückzug an, wenn ein Nachfolger gefunden sei.
Giegold brachte vor diesem Hintergrund auch ein Missbrauchsverfahren (Artikel 102 AEUV) ins Spiel, „sollte Twitter erneut den Wettbewerb behindern, indem dauerhaft und systematisch Verlinkungen zu anderen Social-Media-Plattformen untersagt werden“.
Zur Begründung schreibt Giegold in seinem Brief: „Sich fast stündlich ändernde allgemeine Geschäftsbedingungen, erratische Begründungen für weitgehende Einschränkungen von Verlinkungen und die Sperrungen von Accounts von Journalistinnen und Journalisten bedrohen nicht nur die Wettbewerbsfreiheit, sondern stellen ein Risiko für Demokratie, Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit dar.“
Auch die SPD sieht das Gebaren von Elon Musk bei Twitter kritisch. Der Verlust erfahrener Mitarbeitender sei mit Blick auf den Umgang mit illegalen Inhalten auf der Plattform „hochproblematisch“, sagte der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, dem Handelsblatt.
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Durch die ohnehin organisatorisch schon „dünnen Strukturen“ sei Twitter in Deutschland und Europa kaum noch existent. „Ich sehe Twitter hier auf große Probleme in Europa zusteuern.“
Zimmermann geht davon aus, dass Twitter bereits im neuen Jahr als sogenannte „very large online platform“ der europäischen Aufsicht im Rahmen des Digital Services Act (DSA) unterstellt wird. „Insofern muss der Fokus vor allem auf einer konsequenten Um- und Durchsetzung der neuen europäischen Regeln liegen“, betonte der SPD-Politiker.
Nach dem Europaparlament hatten Anfang Oktober auch die EU-Staaten dem DSA zugestimmt. Dabei geht es darum, illegalen Inhalten wie Hassrede im Netz besser Einhalt zu gebieten.
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