Wenige M&A-Deals im Sommer – Hoffnung auf mehr Dynamik im Winter


Frankfurt Zwar verhandeln Unternehmen und ihre Berater nach eigenen Angaben wieder mehr über mögliche Fusionen und Übernahmen (Mergers and Acquisitions, M&A). Allerdings schlägt sich das bislang nicht in einer Belebung des Markts nieder. Im Gegenteil: Dem Datenanbieter Refinitiv zufolge sank das Deal-Volumen im fast beendeten dritten Quartal auf 13 Milliarden Dollar von 63 Milliarden im Jahr zuvor. Seit Jahresbeginn wurden Transaktionen für 80 Milliarden getätigt, ein Viertel weniger als im Vorjahreszeitraum.

„Man kann durchaus sagen, dass das Jahr 2023 bisher eher ein Käufermarkt war. Viele Verkäufer üben sich weiterhin in Zurückhaltung, da die Bewertungsniveaus des Boomjahres 2021 noch nicht wieder erreicht sind“, sagt Sebastian Bladt, der das deutsche M&A-Geschäft von J.P. Morgan verantwortet. Allerdings bestehe Hoffnung auf ein Comeback. Es würden viele Dialoge geführt und es seien viele Mandate zur Vergabe ausgeschrieben.

Die derzeitige Flaute spiegelt sich sich auch in den Größen der Deals wieder. In der ersten Jahreshälfte führte der Verkauf des Heizungsbauers Viessmann an den US-Rivalen Carrier Global mit 13 Milliarden Dollar die Liste der Transaktionen an. Im Zeitraum Juli bis September kamen die beiden größten Deals nicht einmal auf drei Milliarden Dollar.

Im August erwarb der spanische Infrastrukturfonds Asterion für 2,8 Milliarden Dollar den Steinkohle-Verstromer Steag. Vergangene Woche beschloss Hamburg, einen 49-prozentigen Anteil am Hafenbetreiber HHLA an den weltgrößten Reeder MSC zu verkaufen. Die HHLA wurde einschließlich Schulden ebenfalls mit rund 2,8 Milliarden Dollar bewertet.

Beide Deals zeigen: allenfalls Infrastrukturinvestments liegen im Trend. Nach Einschätzung von Experten sind in dem Sektor in den kommenden Monaten noch zahlreiche Fusionen und Übernahmen zu zu erwarten. Und eigentlich wäre noch mehr möglich, wenn die Rahmenbedingungen günstiger wären.

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„Ein globales Rennen um Kapital zur Finanzierung der Energiewende hat begonnen“, sagt Roman Waleczek, der bei Morgan Stanley das deutsche Geschäft mit der Energiebranche verantwortet. „Deutschland steht hierbei allerdings noch in den Startblöcken, etwa wegen im internationalen Vergleich niedriger Renditen für Strom- und Gasnetze.“

Nicht in die Quartalsstatistik eingeflossen ist eine mögliche Transaktion, die zwar schon öffentlich diskutiert wird, aber bei der eine Einigung noch aussteht: Der Kauf des Chemieunternehmens Covestro durch den Ölkonzern Adnoc aus Abu Dhabi. Das Covestro-Management hat kürzlich Gesprächen zugestimmt, der Preispoker hat aber gerade erst begonnen.

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Der Deal dürfte global gesehen nicht der einzige seiner Art bleiben. „Die Golfstaaten diversifizieren – sie etablieren neue Einnahmequellen neben dem Öl. Sie investieren Milliarden in neue Geschäfte. Mehrheitsübernahmen werden aber die Ausnahme bleiben“, sagte Nathalie Daghles, Co-Leiterin des M&A-Geschäfts bei der Kanzlei Noerr.

Finanzkreisen zufolge haben sich bei Covestro Hedgefonds eingekauft, um im Zuge der Transaktion selbst Geld zu verdienen. Als Deal-Verhinderer sollte man die allerdings nicht einschätzen, sagt Cai Berg von der Investmentbank Parkview Partners. Bei öffentlichen Übernahmen seien Hedgefonds mittlerweile eine sehr relevante Investorengruppe. „Das bedeutet, dass sie den Erfolg der Übernahme wollen und auch daran mitwirken, sofern man ihre Renditeanforderungen versteht.“

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Mehr noch als Hedgefonds prägen traditionell Private-Equity-Fonds das Geschehen auf dem M&A-Markt. „Die weiterhin enorm große Menge an Dry Powder der Private-Equity-Fonds sowie die allgemeine Transformationsnotwendigkeit, die quasi alle Branchen betrifft, sorgt auch bei teureren Finanzierungskosten für ein relativ lebhaftes Transaktionsgeschäft“, sagt Stephanie Hundertmark, Partnerin bei der Kanzlei Freshfields.

Dass ihr Anteil am Deal-Geschehen nicht noch viel größer ist, hängt nach Einschätzung von Experten maßgeblich mit den Zinsen zusammen. Denn solange deren künftige Entwicklung unklar ist, halten sich Banken mit der Vergabe von Hochzins-Fremdkapital zurück, das Finanzinvestoren benötigen, um Deals zu finanzieren. Komplettfinanzierung mit Eigenkapital oder Fremdkapitalfinanzierungen mithilfe von privaten Kreditfonds sind teuer und unbeliebt.

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Auch Sorgen über die makroökonomische Entwicklung dämpft die Dynamik für Fusionen und Übernahmen. „Der Markt für mittelgroße M&A-Deals war bis zum Sommer recht stabil, ist zuletzt aber wegen der unsicheren konjunkturellen Entwicklung etwas ruhiger geworden“, sagt der M&A-Chef von KPMG, Alexander Bischoff.

Zudem verhindern weiterhin die sehr unterschiedlichen Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern viele Deals. Die derzeitigen Eigentümer haben häufig noch die Bewertungen der 2021 zu Ende gegangenen Boomphase vor Augen, während Bieter sich die heutigen Kurse von Rivalen zum Vergleich nehmen, die viel niedriger sind.

Zumindest bei letzterem Punkt dürfte sich die Lücke mit der Zeit von selbst schließen. Nach Einschätzung der Experten dauert es nach einer Marktkorrektur meist 18 bis 24 Monate, bis sich Käufer und Verkäufer in ihren Vorstellungen wieder annähern. Das spräche dann für eine höhere Anzahl an Deals im Winter.

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