Was bedeutet das? Wird die Inflation jetzt sinken?


Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins in einem historischen Schritt um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Die Auswirkungen sind jedoch umstritten. Das Wichtigste im Überblick.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde lächelt während einer Pressekonferenz zur Leitzinserhöhung am 8. September in Frankfurt am Main. 

EZB-Präsidentin Christine Lagarde lächelt während einer Pressekonferenz zur Leitzinserhöhung am 8. September in Frankfurt am Main. EZB

Nach Jahren der Niedrigzinspolitik vollzieht die Europäische Zentralbank (EZB) die endgültige Trendwende: Der Leitzins wird auf 1,25 Prozent erhöht. Die größte Anhebung seit 20 Jahren erfolgt damit nur wenige Monate nachdem der Leitzins im Juli bereits auf 0,5 Prozent erhöht wurde.

Warum erhöht die Zentralbank den Leitzins?

Der Entschluss hängt vor allem mit den steigenden Preisen zusammen. Die Zentralbank erklärt die Entscheidung damit, „dass die Inflation nach wie vor deutlich zu hoch ist und voraussichtlich für längere Zeit über dem Zielwert bleiben wird“. Die Inflation lag im Euroraum im August 2022 bei 9,1 Prozent. Laut wurden entsprechend die Rufe von Ökonomen, dass die EZB weiter eingreifen und den Leitzins erhöhen solle. Nun versucht die EZB mit der Erhöhung des Leitzinses, die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen zu reduzieren und darüber die Preise dieser Waren zu reduzieren. Denn: Wenn der Bäcker für fünf Kunden nur ein Brot hat, wird er den Preis anheben. Will hingegen niemand sein Brot kaufen, senkt er den Preis. Entsprechend teilt die EZB mit, dass die Erhöhung des Leitzinses notwendig sei, „um die Nachfrage zu dämpfen“.

Was passiert sonst, wenn der Leitzins steigt?

Nicht nur die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen soll jedoch gedämpft werden. Der Leitzins bestimmt eben, wie teuer es für Geschäftsbanken ist, sich Geld bei der Zentralbank zu leihen. Die Geschäftsbanken geben die Zinsen entsprechend schnell an ihre Kunden weiter. Es wird teurer, sich Geld zu leihen. So kann mit dem Leitzins gesteuert werden, wie günstig es ist, Schulden zu machen. Damit ist die Veränderung des Leitzinses eine von wenigen Möglichkeiten der Zentralbank, überhaupt in die Wirtschaft einzugreifen. An den Preisen selbst können letztlich nur die Unternehmen selbst etwas ändern.

Wird die Inflation sinken?

Die Auswirkungen sowohl auf die Inflation wie auf die Gesamtwirtschaft sind jedoch umstritten. Achim Truger ist Professor für Sozioökonomie und einer der fünf Wirtschaftsweisen. Er erklärt im Gespräch mit der Berliner Zeitung, dass sich der Preisanstieg hauptsächlich auf die hohen Preise für Strom und Gas zurückführen lasse. Eine Zinserhöhung ändere an den Energiepreisen aber erst mal nichts. Entsprechend kritisch sieht er die Entscheidung: „Die EZB kann nicht viel an der angebotsgetriebenen Inflation ändern, sondern hauptsächlich die Inflationserwartungen reduzieren.“ Im Gespräch befürwortet Truger ein anderes Vorgehen: „Die Rezessionsgefahr ist zuletzt enorm angestiegen. Insofern sollte die Zentralbank die Zinsen vorsichtiger und gleichmäßig erhöhen, um keine tiefe Krise zu riskieren.“ Andere Ökonomen sehen die EZB hingegen unter Zugzwang. So forderte ifo-Präsident Clemens Fuest sogar, dass weitere Zinserhöhungen folgen müssten und hält das Zinsniveau angesichts der Inflation noch immer für zu niedrig.  

Was bedeutet die Zinserhöhung für mich?

Der Leitzins betrifft zunächst diejenigen, die bereits verschuldet sind oder vorhaben, in naher Zukunft neue Schulden aufzunehmen. Dazu gehören insbesondere Käufer von Häusern. So sind die Zinsen für neue Immobilienkredite bereits seit Anfang des Jahres von durchschnittlich 1,37 Prozent auf aktuell 3,04 Prozent gestiegen. Es kann also sein, dass diejenigen, die eine Immobilie erwerben möchten, angesichts der hohen Zinsen wieder Abstand nehmen müssen. 

Die Unternehmen wird die Erhöhung des Leitzinses allerdings noch härter treffen. Möglicherweise wird die Nachfrage so stark sinken, dass Unternehmen ihre Produktion zurückfahren werden. Damit werden wiederum weniger Arbeitskräfte benötigt. Das Ergebnis: Manche Arbeitnehmer werden ihren Arbeitsplatz verlieren. Die Nachfrage wird weiter sinken und stabile Preise werden mit höherer Arbeitslosigkeit erkauft.



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