Warum es bei der BVG so lange dauert, bis ein Aufzug fertig ist


Uwe Kutscher kennt die Frage schon. Das ist kein Wunder, denn der Bau-Chef der U-Bahn hat sie schon sehr oft gehört. Sie lautet: Warum dauert es so lange, bis in Berlin ein U-Bahnhof einen Aufzug bekommt? Meist antwortet der Mann von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG): „An uns liegt es nicht.“ Sondern daran, dass Planungen und Genehmigungsverfahren in Berlin immer komplexer und komplizierter werden. Selbst Reptilienfreunde und Jäger dürften mitreden, sagt Kutscher. Inzwischen vergehen im Schnitt von den ersten Planungen bis zur Inbetriebnahme eines Aufzugs rund sieben Jahre. Es können aber auch neun Jahre sein – wie ein Beispiel in Schöneberg zeigt.

Der Bauingenieur ist mal wieder im U-Bahnhof Bayerischer Platz, in dem sich die Linien U4 und U7 kreuzen. Im abgesperrten Bereich, hinter Bauzäunen verborgen, informiert er sich über das Aufzugsprojekt, an dem dort seit September 2020 gearbeitet wird. „Es ist bautechnisch und statisch sehr komplex“, sagt er. Das wirkt fast wie eine Untertreibung.

2014 begann die Planungen, 2023 soll der Aufzug endlich fertig sein

Der Aufzugsschacht führt durch drei Ebenen nach oben, der Platz ist sehr beengt. Weil der Fahrstuhl nicht mitten auf der Straße enden kann und viele andere Zwänge Alternativen ausschließen, konnte der Schacht nur in einem bestimmten Bereich des Umsteigebahnhofs entstehen – ausgerechnet dort, wo sich das elektrotechnische Herz befand. „Es mussten unheimlich viele Leitungen verlegt werden“, sagt Uwe Kutscher. Lieferengpässe zogen die Arbeiten in die Länge.

2014 begannen die Planungen, erzählt Architekt Martin Renz, der seinen Abteilungsleiter zu der Baustelle begleitet. „Der U-Bahnhof Bayerische Platz war eines von vielen Vorhaben, das wir damals starteten“, sagt er. Doch das folgende Genehmigungsverfahren erwies sich als „umfangreich und langwierig“, so Uwe Kutscher.

50 Behörden, Verbände und andere Interessenvertreter wurden angehört

Nicht nur, dass die BVG gehalten ist, für Projekte dieser Art jeweils drei Varianten einzureichen – was Mehrarbeit bedeutet. „Es sind zu viele, die mitreden wollen“, fügt der Ingenieur hinzu. Die Zahl der Träger öffentlicher Belange habe sich mehr als verdoppelt. Heute dürften sich 50 Behörden, Verbände und andere Interessenvertreter beteiligen, wenn die BVG einen U-Bahnhof mit einem Aufzug ausstatten will, um Senioren, Rollstuhlfahrer und anderen Fahrgästen die Nutzung des Nahverkehrs zu erleichtern. Selbst der Jagdverband oder Vereine, die für bedrohte Reptilien sprechen, müssten angehört werden, wundert sich Kutscher. 30 Verwaltungsstellen sind zu befragen. „Meist gibt es eine Handvoll, die unsere Projekte nicht so gut finden.“

Der U-Bahnhof Rathaus Schöneberg ist eine der schönsten Stationen im BVG-Netz – auch wegen des Ausblicks auf den Stadtpark. Der Bahnhof bekommt einen Aufzug und einen zweiten Zugang. Ab Dezember hält die U4 wieder.

Berliner Zeitung/Peter Neumann

Der U-Bahnhof Rathaus Schöneberg ist eine der schönsten Stationen im BVG-Netz – auch wegen des Ausblicks auf den Stadtpark. Der Bahnhof bekommt einen Aufzug und einen zweiten Zugang. Ab Dezember hält die U4 wieder.

Erschwerend komme hinzu, dass der Austausch schriftlich stattzufinden hat – obwohl sich Bedenken bei Gesprächen schneller ausräumen ließen. Stellungnahmen und andere Schreiben ließen manchmal ein halbes Jahr auf sich warten. Weil Corona die Zahl der Krankmeldungen erhöht habe, komme es oft vor, dass monatelang Funkstille herrscht.

38 U-Bahnhöfe in Berlin haben noch keinen Aufzug

Andere Faktoren fordern Kutschers Team und letztlich den BVG-Kunden zusätzliche Geduld ab. So müssen Arbeiten europaweit ausgeschrieben werden – geht es um Planungsleistungen, dauert das sechs bis acht Monate, zwölf Monate sind es im Fall von Bauleistungen. Ein anderes Beispiel: Bevor die Baufirmen im Auftrag der BVG loslegen dürfen, müssen oft die Gasag oder anderen Leitungsbetriebe ihre Infrastruktur verlegen. „Diese Betriebe haben aber schon mit anderen Projekten gut zu tun.“ Ergebnis: Für dieses Thema sind im Zeitplan oft anderthalb Jahre vorzusehen.

„Die Klimadiskussion ist da noch gar nicht eingepreist“, sagt Uwe Kutscher. Wenn künftig Gutachter für jedes Vorhaben berechnen müssten, wie viel Kohlendioxid bei der Herstellung der Materialien in die Luft geblasen wird, würden Aufzugs- und andere Bauprojekte noch länger dauern. Von der Politik erwartet das Bau-Team nicht viel Hilfe. Vor jeder Wahl werde versprochen, Gesetze zu ändern und Verfahren zu vereinfachen, heißt es. Stattdessen gebe es nach der Wahl neue Gesetze.

Immerhin: Die BVG erwartet, dass der erste Aufzug im U-Bahnhof Bayerischer Platz im März 2023 in Betrieb geht – neun Jahre nach Beginn der Planung. Dann gäbe es im 146 Kilometer langen Streckennetz der Berliner U-Bahn nur noch einen Umsteigebahnhof, der nicht barrierefrei ausgebaut ist: Möckernbrücke in Kreuzberg. Die Station, bei der eine Brücke über den Landwehrkanal die Verbindung zwischen den Linien U1 und U7 herstellt, gilt als besonders schwieriger Fall. Wie überhaupt die Aufzugprojekte, die jetzt noch anstehen, anspruchsvoll seien, so Uwe Kutscher. Von den 175 U-Bahnhöfen in Berlin haben 38 noch keinen Aufzug. „Wenn alles gut klappt, sind wir vielleicht in fünf Jahren fertig.“ Wenn.

BVG-Planer: „Wir haben keine Geldsorgen“

Derzeit gibt es rund 30 größere Bauprojekte im Berliner Untergrund, davon 20 in U-Bahnhöfen. Im Schnitt gibt die BVG pro Jahr 150 Millionen bis 180 Millionen Euro für solche Vorhaben aus. Meist kommt die Finanzierung vom Land Berlin. „Wir haben keine Geldsorgen“, sagt Uwe Kutscher. Die Probleme entstehen in der Regel woanders.

Im U-Bahnhof Jannowitzbrücke wurden Zwischendecken entfernt und Wände im historischen Gelbton neu gefliest. Im September soll die Baumaßnahme, die sieben Millionen Euro kostet, enden. Auch ein Aufzug entstand.

Berliner Zeitung/Volkmar Otto

Im U-Bahnhof Jannowitzbrücke wurden Zwischendecken entfernt und Wände im historischen Gelbton neu gefliest. Im September soll die Baumaßnahme, die sieben Millionen Euro kostet, enden. Auch ein Aufzug entstand.

Im U-Bahnhof Jannowitzbrücke an der U8 in Mitte, den Uwe Kutscher bei seiner Inspektionstour ebenfalls besucht, wird seit Jahren gebaut. Als besonders knifflig erwies sich das Teilprojekt, an der Stelle eines zu DDR-Zeiten geschlossenen kleinen Ausgangs an der Ecke Brücken-/Holzmarktstraße ein großes Zugangsportal mit Rolltreppe zu bauen. Jahrelang ging es in Diskussionen mit dem Bezirk darum, wie der öffentliche Raum in diesem Bereich gestaltet worden sollte. Inzwischen hat sich der Investor, der nebenan baut, dazu bereit erklärt, einen Platz zu gestalten.

„Eulenkeller“ im „Geisterbahnhof“

Zu DDR-Zeiten war Jannowitzbrücke ein „Geisterbahnhof“. Auf der Fahrt zwischen Kreuzberg und Wedding fuhren West-U-Bahnen ohne Halt durch. Grenzsoldaten behielten den leeren Bahnsteig im Auge. Im oberen Bereich der U-Bahnstation befand sich der „Eulenkeller“, ein Kulturraum für Beschäftigte der BVB. Nun wird die mehrstöckige Anlage von Zwischendecken und Wänden entrümpelt. Der Zugang zum benachbarten S-Bahnhof wurde schon neu gefliest – im historischen Gelb. „Der Nachbrand stammt von einer Firma in Spanien“, sagt Renz. Dieser Auftrag war der letzte: Danach wird das Eigentümer-Ehepaar die Firma mangels Nachfolge schließen.

Im Herbst 2022 sollen die umgestalteten Bereiche im U-Bahnhof Jannowitzbrücke für die Fahrgäste geöffnet werden. Andere U-Bahnhofsprojekte dauern noch – schwierige Fälle wie Bismarckstraße bis Frühjahr 2023, Schlossstraße bis 2024. Im U-Bahnhof Schöneberg wird bis Ende 2022 gearbeitet, am maroden Beton unterm Hermannplatz bis Ende 2024. Die nächsten Großprojekte kündigen sich an. Zum Beispiel die Sanierung der Station Schönleinstraße an der U8 in Kreuzberg – sie soll von 2023 bis 2027 dauern.



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