Wackelt der russische Kreml? „Putins Situation ist wegen des Ukraine-Kriegs wirklich prekär“


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Von: Maximilian Kettenbach

Wladimir Putin kann weiterhin keine militärischen Erfolge vermelden.
Wladimir Putin kann weiterhin kaum militärischen Erfolge vermelden. © ALEXANDER NEMENOV/afp

Erstmals soll es in Russland um die Nachfolge des jahrelangen Kreml-Chefs Wladimir Putin gehen, erklärt eine Moskau-Expertin. Ein Ende scheint auch nach einem Jahr Krieg in weiter Ferne.

München – Fast ein Jahr Ukraine-Krieg – und ein Ende ist längst nicht in Sicht. Die auf nur wenige Tage angelegte „militärische Spezialoperation“, wie Russlands Präsident Wladimir Putin den Krieg bis heute nennt, artet mehr und mehr zum Desaster aus. Der Machthaber gerät im Kreml immer stärker unter Druck, weil die Erfolge auf dem Schlachtfeld ausbleiben.

Catherine Belton, die Investigativ-Journalistin der Washington Post, versucht Putins Lage einzuschätzen. In einer Dokumentation des TV-Senders Arte sagt die langjährige Kreml-Beobachterin: „Putins Situation ist wirklich prekär. Erstmals in seiner Präsidentschaft – und ich berichte seit 23 Jahren über Putin – wird über Nachfolger gesprochen und über eine Zeit nach ihm.“

Wie kann es zum Ende des Krieges kommen? Russlands Bedingungen für Ukraine ausgeschlossen

Die Einnahme der Stadt Soledar im Osten der Ukraine bleibt weiter der einzige Fortschritt Russlands seit Ende August, stellte Militärexperte Carlo Masala zuletzt in der ARD fest. Und dieser ist wohl zu allem Übel der mittlerweile verhassten Wagner-Gruppe um deren Anführer Jewgeni Prigoschin zu verdanken, der dem Kreml mehr und mehr zu mächtig erscheint.

Täglich sterben Frauen und Männer, Soldaten wie Zivilisten durch Raketen, Artillerie oder Maschinengewehre. Doch Verhandlungen, ein Waffenstillstand oder gar ein Ende des Ukraine-Krieges scheinen derzeit völlig außer Reichweite, weil Russlands Bedingung dafür wohl ist, dass die völkerrechtswidrig annektierten Gebiete anerkannt werden. Und eben das ist für die Ukraine ausgeschlossen.

„Putin wird also unter seinen Bedingungen nicht gewinnen“

Der Krieg hat Spuren hinterlassen. In einer Dokumentation beleuchtet Arte die beiden Hauptprotagonisten des Konflikts, die Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Putin. Ein Frieden zwischen beiden Ländern, während einer der beiden noch im Amt ist, scheint derzeit undenkbar. Für beide scheint ausgeschlossen, miteinander zu sprechen. Putin hält den Juden Selenskyj für einen Nazi und zudem für eine Marionette des Westens. Selenskyj hält es für unsinnig, mit einem Kriegsverbrecher wie Putin zu sprechen..

Sir Lawrence David Freedman, ein britischer Politikwissenschaftler und Militärhistoriker, erklärt bei Arte: „Möglicherweise kommt irgendwann ein Waffenstillstand, der Russland die Kontrolle über einen Teil des ukrainischen Territoriums hinterlässt.“ Doch dies würden eben die Ukrainer nicht akzeptieren. „Putin wird also unter seinen Bedingungen nicht gewinnen. Andererseits wäre auch das Eingeständnis einer Niederlage sein Ende.“ Ein Rückzug aus der Ukraine „wäre Suizid“, drückt es Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski bei Merkur.de von IPPEN.MEDIA noch drastischer aus.

Einige Experten sehen den Kreml zerrissener denn je. Rüdiger von Fritsch hält Putins Stellung dagegen aktuell noch für gefestigt. Der deutsche Botschafter der Jahre 2014 bis 2019 in Moskau will jedoch nicht ausschließen, dass die Militär-Führung irgendwann zu dem Entschluss kommt, der Krieg „ist so zu Russlands Nachteil und bringt uns so wenig Vorteil, lasst uns den Präsidenten auswechseln“.

Ukrainer leben seit einem Jahr mit der Kriegs-Angst – eine Ende nicht in Sicht

Für Putins Gegenspieler Selenskyj läuft es nach einem Jahr Krieg ganz anders. Er hat die in ihn gesetzten Erwartungen weit übertroffen. „Wir werden nicht, wie Putin hofft, auf die Straße gehen und gegen Selenskyj protestieren. Denn wir und er sind das einzige Team, das in der Ukraine gegen Russland kämpft, sagt der ukrainische Journalist und Selenskyj-Biograf Sergii Rudenko bei Arte.

Der Kampf wird noch lange dauern. Die Ukrainer fürchten zum Jahrestag der Invasion am 24. Februar erneut Russlands Rache. Eine Angst, die nun bald schon ganze 365 Tage lang währt.



Quellenlink https://www.merkur.de/politik/russlands-ukraine-krieg-putins-situation-ist-wirklich-prekaer-92095483.html?cmp=defrss