USA planen Klimaneutralität mit Mini-AKW – doch es gibt Probleme

Atomkraft wird in Deutschland nicht mehr gewonnen. In Ländern wie den USA wird Kernenergie dagegen wieder geschätzt. Eine innovative Methode wird derzeit vorangetrieben: SMR.
Washington/München – Frankreich und weitere Industrienationen fordern eine Gleichstellung von Atomkraft mit erneuerbaren Energien. Auch die USA gehören zu jenen Ländern, in welchen die Energiegewinnung aus Uran wieder in den Fokus gerückt ist. Während in Deutschland die bestehenden AKW mittlerweile zum Erliegen gekommen sind und stattdessen (auch) Kernenergie aus dem Ausland bezogen wird, fand in den Vereinigten Staaten längst ein Umdenken statt.
Von US-Präsident Joe Biden und Teilen der US-Industrie wird Kernenergie seit geraumer Zeit als großer Dienst für die Umwelt gefeiert – mitunter dank Uran aus Russland. Das soll im Kampf gegen den Klimawandel die Abkehr von fossilen Brennstoffen beschleunigen.
Mit Small Modular Reactors (SMR) wurde eine neue Methode auserkoren, vermeintlich kostengünstig und auch sicherer wieder auf Atomkraft setzen zu können. Der Grund: Sie sind deutlich kleiner und damit auch günstiger in der Herstellung.
Atomkraft: USA setzen auf Small Modular Reactors – Energiegewinnung der Zukunft?
Das Handelsblatt berichtet über ein Projekt des amerikanischen Chemiekonzerns DOW: Auf einem etwa 30 Hektar großen Komplex werden anhand aufwendiger Verfahren Kunststoff-Produkte aus verschiedenen Bereichen hergestellt, was enorme Energie benötigt. Aufgrund dessen wolle der US-Branchenführer künftig nahe Houston vier Mini-Atomkraftwerke errichten. Was hat es damit genau auf sich?
Laut Wikipedia wurden seit 2017 weltweit von verschiedenen Firmen rund 60 Konzepte für ein Mini-AKW entwickelt, erste Ideen und Entwürfe reichen laut dem Bundesamt für die Sicherheit (BASE) der nuklearen Entsorgung sogar bis in die 1950er-Jahre zurück. Der Knackpunkt für die ambitionierten Pläne in Nordamerika: Obwohl Kernkraft auch Umweltschäden erzeugt (beispielsweise durch Uranabbau), handelt es sich bei Atomstrom nach US-Kriterien um „saubere“ Energie. Der Grund: niedrige CO2-Emissionen.
Die angeblichen Vorteile von SMRs gegenüber konventionellen Atomkraftwerken:
- Die umstrittene Atomenergie rehabilitieren und Kritiker überzeugen, dass die Folgen im Falle eines Atomunfalls weitaus niedriger sind.
- Eine perfekte Kombination mit anderen erneuerbaren Energien wie Sonnen- und Windkraft und flexibel je nach Produktions- bzw. Nachfrageschwankungen schneller ab- bzw. zuschaltbar.
- Die kleinen Reaktoren lassen sich in einer Fabrik zusammenbauen und dann günstig an ihren Bestimmungsort liefern.
- SMR ermöglichen Skaleneffekte: Je mehr Minireaktoren gebaut werden, desto günstiger werden sie.
- Große Kühltürme gehören der Vergangenheit an, damit dürfen Reaktoren näher an bewohntem Gebiet stehen.
SMR: USA treiben „grüne“ Kernenergie mit Subventionen voran
In Deutschland ist das Thema Mini-AKW nicht unbekannt: So hat die Technische Universität in München-Garching (TUM) einen Reaktor zum Zwecke der Neutronenforschung, der jedoch derzeit außer Betrieb ist.
In den USA handelt es sich um moderne und innovative Neubauten, die gleich von mehreren Herstellern vorangetrieben werden. Das kommt nicht von ungefähr: Die Fördergelder des US-Energieministeriums („Inflation Reduction Act“) spielen hierbei eine große Rolle und erzeugen mitunter finanzielle Sicherheit, aufgrund von Steuererleichterungen. Ambitionierte Unternehmen auf diesem Gebiet sind die NuScale Power Corporation oder auch X-Energy Reactor.

Mit Kernkraft werde man „den Standort auf einen Schlag CO2-frei machen können“, frohlockt Dow-Chef James Fitterling über das Projekt in Texas. Außerdem treibt Tech-Ikone Bill Gates seit Jahren die Entwicklung von Small Modular Reactors voran: Seine Firma TerraPower plant im US-Bundesstaat Wyoming die Errichtung eines neuartigen Mini-AKW.
Im Bereich SMR haben zuletzt offenbar enorme Technologiesprünge stattgefunden. Dr. Kathryn Huff, zuständige Direktorin für Atomenergie im US-Energieministerium erklärt in einer Pressemitteilung: „SMRs sind kein abstraktes Konzept mehr“, erläutert die Befürworterin von Nuklearenergie.
Das ist Innovation vom Feinsten, und wir stehen hier in den USA erst am Anfang
In einem Gastvortrag an einer amerikanischen Universität ließ sie Anfang 2023 wissen: „Wenn wir bis 2035 zu 100 Prozent auf grüne Energie umsteigen wollen, brauchen wir dafür Kernenergie.“
Kleine Atomkraftwerke: Auch Mini-AKW sind teuer – Aspekt Sicherheit unklar
In der Realität gibt es jedoch gehörig Gegenwind für die flächendeckende Platzierung von Mini-AKW. Wind aus den Segeln der AKW-Optimisten nehmen mitunter Experten der Unternehmensberatung McKinsey: Sie rechnen vor, dass die SMRs aufgrund hoher Anschaffungs- und Betriebskosten gegenüber Energie aus erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind nicht wirklich billiger sind.
Das liegt mitunter daran, dass ein Modellprojekt von NuScale im Bundesstaat Idaho in Sachen Baukosten zuletzt deutlich explodiert ist: Statt 5,3 Milliarden US-Dollar verschlingt das „Carbon Free Power Project“ genannte SMR nun mindestens 9,3 Mrd. US-Dollar, erklärt n-tv. Der Hersteller rechtfertigt sich demnach mit „äußeren Einflüssen“ wie steigende Stahlpreise sowie Leitzinsen. Außerdem schrumpfte im Zuge dessen auch noch die anvisierte Leistungsfähigkeit von ursprünglich 600 auf 462 Megawatt, weil mit weniger Minireaktoren geplant wird. In der Konsequenz steigen die Energiekosten für Verbraucher offenbar drastisch, wenn das Mini-AKW in Betrieb geht.
Ein weiteres potenzielles Problem scheint die Unklarheit bezüglich Sicherheit. Denn auch hier geht es um Nuklearenergie und radioaktive Abfälle: Experte David Schlissel vom US-Energie- und Finanzinstitut (IEEFA) ließ in einem Gespräch mit dem TV-Sender wissen: „Es wird behauptet, dass sie sicherer sind. Aber sind sie wirklich so sicher und gut geschützt wie große Reaktoren? Vor Terroristen zum Beispiel?“ Auch die Beseitigung des Atommülls stellt Experten zufolge bei Mini-AKW eine große Herausforderung dar. (PF)