Ukraine bereitet sich auf Offensive vor

Die versprochenen westlichen Kampfpanzer treffen in der Ukraine ein. Hat die Ukraine damit die Voraussetzungen für eine Frühjahrsoffensive?
Kiew – Im Ukraine-Krieg versucht Russland seit Monaten, Fortschritte zu erzielen. Doch die ukrainische Verteidigung hält stand. Indes trafen nun auch die versprochenen Kampfpanzerlieferungen aus dem Westen ein und stärken die Verteidiger militärisch. Experten erwarten im Frühjahr eine Gegenoffensive der Ukraine – nukleare Drohgebärden Russlands zum jetzigen Zeitpunkt sind wohl kein Zufall.
Westliche Kampfpanzer treffen in der Ukraine ein: Voraussetzungen für Gegenoffensive geschaffen
Etwa 30 Leopard-2-Panzer aus Deutschland, Kanada und Polen sind bereits in der Ukraine eingetroffen. „Unsere Panzer sind wie versprochen pünktlich in den Händen unserer ukrainischen Freunde angekommen. Ich bin mir sicher, dass sie an der Front Entscheidendes leisten können“, erklärte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dazu am Dienstag (28. März). Darüber hinaus erhielt Kiew auch andere Panzer-Modelle, etwa des Typs Challenger 2 aus dem Vereinigten Königreich. Westliche Staaten hatten der Ukraine insgesamt über 40 moderne Kampfpanzer und Hunderte Späh- und Schützenpanzer in Aussicht gestellt.

Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow gab am Montag bekannt, dass die Ukraine je nach Wetterlage im April oder Mai eine Gegenoffensive starten könne. Mit dem Eintreffen der Ausrüstung seien höchstwahrscheinlich die Voraussetzungen für eine ukrainische Gegenoffensive geschaffen, hieß es dazu in einer Analyse der Kriegsexperten Institut for the Study of War (ISW) am Mittwoch. Allerdings könne es zu einer Verzögerung zwischen dem Eintreffen der Waffen und deren Einsatz kommen, so die Einschätzung der Experten weiter.
Putin kündigt Verlegung nuklearer Waffen nach Belarus an: Eingeständnis der Schwäche?
Militärexperten hatten zuvor immer wieder betont, dass die Zeit bei den Waffenlieferungen dränge. Ein militärisches Wiedererstarken Russlands war aufgrund der Umstellung auf Kriegswirtschaft, der verdeckt weitergehenden Teilmobilisierung im Land sowie der Umstrukturierung in der Führungsriege des russischen Militärs erwartet worden. Nun scheinen die Kampfpanzer an die Ukraine noch rechtzeitig angekommen zu sein, der Angriffsdruck Russlands lässt offenbar nach.
Gleichzeitig versuchte der russische Präsident Wladimir Putin jedoch eine nukleare Bedrohung aufzubauen, indem er am vergangenen Samstag ankündigte, taktische Atomwaffen in Belarus stationieren zu wollen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin nannte dies einen „weiteren Versuch der nuklearen Einschüchterung.“ Die Lagebewertung würde sich dadurch aber nicht ändern, ergänzte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums.
Die Drohung Russlands gilt manchen auch als Eingeständnis, dass der Kremlchef keine angemessene Antwort mit konventionellen militärischen Mitteln habe. US-Präsident Joe Biden nannte die Aussagen von Kremlchef Putin zur Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus indes „gefährlich“.
Kämpfe in der Ostukraine gehen weiter: Laut Militärexperte ist Russland in „keiner guten operativen Lage“
Russland setzte unterdessen seine Angriffe in der Ostukraine fort, Ziel ist die komplette Eroberung der Donezk-Region. Die Kampfhandlungen konzentrieren sich derzeit auf Kupjansk in der Region Charkiw sowie Bachmut in der Oblast Donezk. „In Bachmut ist es nach wie vor so, dass die Russen vom Norden vorstoßen und jetzt eindrehen […] und auch aus dem Süden von Bachmut eine Bedrohung auf die Versorgungsstraße erfolgt“, analysierte der Ex-Nato-General Erhard Bühler am Dienstag in seinem Podcast. Die Verteidigung der Ukrainer in Bachmut halte jedoch weiterhin.
Indes entstünde in Awdijiwka ein neuer Schwerpunkt des russischen Angriffs, auch eine Verlegung der Truppen könne beobachtet werden. Die Stadt liegt etwa 13 Kilometer nördlich von Donezk, dem von Russland kontrollierten Verwaltungszentrum der Region. Seit Monaten hatten die russischen Streitkräfte versucht, die Stadt Bachmut nördlich von Awdijiwka einzunehmen. „Nach vielen, vielen Monaten hat man gesehen, dass Bachmut nicht fällt […], deshalb verlegt man den operativen Schwerpunkt weiter in den Süden“, so Bühler.
Insgesamt befindet sich Russland aus Sicht des Militärexperten in keiner guten operativen Lage. Das russische Militär und die Wagner-Gruppe müssen Berichten zufolge dringend ihre Personal- und Munitionsvorräte aufstocken. „Während der Kämpfe in der Ukraine hat Wagner nach unseren Schätzungen mehr als 30.000 Soldaten eingebüßt, davon sind etwa 9.000 gefallen“, so der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby. Russland kündigte bereits eine Einberufung im Frühjahr an. (Bettina Menzel)