So muss sich Berlin gegen die immer extremere Hitze wappnen


Forscher der TU Berlin haben im Vergleich von Berlin, Zürich und Sevilla untersucht, welche Faktoren am meisten die Temperaturunterschiede beeinflussen. 

Berliner Forscher schauten auch nach Sevilla im Süden Spaniens. Hier herrschten zum Beispiel im Sommer 2022 fast 50 Grad Celsius.

Berliner Forscher schauten auch nach Sevilla im Süden Spaniens. Hier herrschten zum Beispiel im Sommer 2022 fast 50 Grad Celsius.Angel Garcia/Imago

Wie wirkt sich die Bebauung der Städte auf die Umgebungstemperatur aus? Diese Frage ist für Berlin sehr wichtig, auch im Zusammenhang mit immer häufigeren Hitzetagen. So gab es in der Hitzewelle im Juli 2022 zum Beispiel einen Rekord von 38,3 Grad Celsius, gemessen in Berlin-Buch. Und es wird befürchtet, dass die Temperaturen in absehbarer Zeit auch in Berlin und Brandenburg die 40-Grad-Marke erreichen könnten.

Dabei kann es zu starken Unterschieden in verschiedenen Bereichen der Stadt kommen, die sich wiederum auf die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Bewohner auswirken. Ausschlaggebend sind dabei die Merkmale der städtischen Form, also die Art ihrer Bebauung. An dichten städtischen Standorten liegen die durchschnittlichen Temperaturen im Durchschnitt um drei Grad Celsius höher als in den Vororten.

Das haben Berliner Wissenschaftler jetzt im Vergleich der drei europäischen Städte Berlin, Zürich und Sevilla herausgefunden. Ihre Studie ist in der Fachzeitschrift Urban Climate erschienen. Daran mitgewirkt haben Forscher der Technischen Universität Berlin und des Einstein Center Climate Change.

Versiegelte Flächen wirken in der Nacht als Wärmespeicher

Laut der Studie gehören „der Erwärmungseffekt von Städten und extreme Hitzeereignisse während der Sommersaison“ zu den größten Klimaherausforderungen in Zentraleuropa. In den drei untersuchten Städten wirken sich dabei bestimmte Faktoren auf die Hitzeentwicklung aus. „Vegetationsbedeckung und Gewässer sind bei der Erklärung der räumlichen Temperaturmuster tagsüber am wichtigsten, während die undurchlässige Bodenbedeckung nachts am kritischsten ist“, erklärt Aicha Zekar, die Hauptautorin der Studie.

Um für jede Stadt die wichtigsten Faktoren herauszufinden, haben die Wissenschaften Modelle des maschinellen Lernens eingesetzt – also Künstliche Intelligenz. Die Computertechnologie analysierte die Veränderungen der stündlichen Lufttemperaturen in der Sommersaison 2016 und 2017 in einer Rasterauflösung von 100 mal 100 Metern.

Zu den Merkmalen, die sich auf die Temperaturen auswirken, gehören die Dichte der Bebauung, die Industrie, Eisenbahnen, städtische Grünflächen, Straßenbäume, die Gewässer sowie umgebendes Ackerland, Wiesen und Wald. Die Temperaturdaten stammen von Wetterstationen oder aus der Fernerkundung mit Satelliten. Gewählt wurden jeweils die vier wärmsten Stunden in der Mittagszeit und die kühlsten in der Nacht.

Charlottenburg und Friedrichshain sind Hitze-Brennpunkte

Dabei konnten zum Beispiel einige Berliner City Hot Spots ermittelt werden, an denen es im Sommer besonders große Temperaturabweichungen zwischen Tag und Nacht gibt. Dazu gehören die Gaußstraße und die Lise-Meitner-Straße in Charlottenburg, die Helen-Ernst-Straße in Friedrichshain, die Vulkanstraße in Lichtenberg, der Eisenhutweg in Adlershof und die Späthstraße in Baumschulenweg.

Zu städtischen Brennpunkten, die sich im Vergleich zur Berliner Durchschnittstemperatur besonders stark erwärmen, gehören Charlottenburg und Friedrichshain. Hier können die Temperaturen bis zu vier Grad Celsius über dem Durchschnitt der Stadt liegen. Man spricht von „urbanen Hitze-Inseln“. Wie hoch die Temperaturen klettern, hängt in Berlin vor allem davon ab, wie groß der Anteil von Wasser und Grün ist und wie ausgeprägt die Bebauung – mit versiegelten Gebäuden und Straßen.

In allen untersuchten Städten wirken vor allem die größeren Gewässer kühlend, gefolgt von der Vegetation, vor allem den Wäldern. In Berlin liegt in Gewässernähe die Temperatur an Sommertagen bis zu 1,8 Grad Celsius niedriger als im Durchschnitt. In der Nacht wirkt sich vor allem die „Gebäudegrundfläche“ in allen drei Städten auf die Temperatur aus. Das bedeutet: Die am Tage aufgeheizten Bauten sorgen für tropische Nächte. Je größer die bebaute Fläche, desto wärmer ist es. Dazu gehört auch die Straßenfläche selbst.

Straßenbäume tragen vor allem nachts zur Abkühlung bei

In Zürich heizen zum Beispiel die Industrie- und Gewerbegebiete die Stadt auf. In Berlin gibt es deutliche Unterschiede zwischen Stadtstrukturen mit höherer und geringerer Dichte – also vor allem zwischen der Innenstadt und den Außenbezirken. Abkühlend wirken in allen Städten besonders die „natürlichen und naturnahen“ Wälder, die Straßenbäume und die umgebende Landwirtschaft. Besonders interessant ist dabei, dass die Straßenbäume am Tage kaum einen Effekt auf die Temperatur haben, dafür aber in der Nacht deutlich zur Abkühlung beitragen, mit bis zu 0,45 Grad.

Städtebauliche Merkmale könnten etwa 60 Prozent der innerstädtischen Temperaturschwankungen erklären, heißt es in der Studie. Die genau kartierten Ergebnisse könnten Stadtplanern dabei helfen, Brennpunkte in Städten zu erkennen und maßgeschneiderte Strategien zur Eindämmung der Hitze zu entwickeln. Dabei müssten Interessengruppen auf allen Ebenen zusammenarbeiten. Dazu gehörten unter anderem Stadtplaner, Anwohner, Versorgungsunternehmen und der Wohnungsbau.

„Um eine maximale Kühlwirkung zu erzielen, ist eine Kombination aus verstärkter städtischer Begrünung, zum Beispiel durch vertikale Begrünung von Gebäuden, und dem Ersatz von Asphalt durch Bäume erforderlich“, sagt Felix Creutzig, Gruppenleiter an der TU Berlin und Mitautor der Studie. In allen drei Städten zeigt sich eine „konsistente kühlende Wirkung“ durch die Begrünung. Die Forscher schlagen dafür neben Straßenbäumen und Parks auch grüne Dächer und begrünte Fassaden sowie kleine Gärten vor.

Bedeutendster Kühleffekt durch Gewässer und Vegetation

Überall in der Stadt müssten undurchlässige Oberflächen ersetzt werden, entweder durch eine Vegetationsdecke, durch Rasengittersteine oder durch Material mit hoher Albedo – etwa auf Parkplätzen und Bürgersteigen, so die Studie. Damit ist gemeint: Je heller eine Fläche ist, desto mehr reflektiert sie die einfallende Sonnenstrahlung. Kleine Landschaftsgewässer können zudem die Temperatur erheblich beeinflussen, wie die Studie am Beispiel von Sevilla zeigt. In der wärmsten der drei untersuchten Städte ist laut Studie auch insgesamt der „bedeutendste Kühleffekt“ zu beobachten – durch Wasser und Vegetation.

Mit der Aussicht auf immer längere Hitzeperioden müsste auch in Berlin bei jedem Bauvorhaben auf Maßnahmen zur Verminderung der Temperaturen geachtet werden. In vielen Bezirken werden aber nach und nach die Brachflächen mit Wohnquartieren bebaut, was eine immer höhere Verdichtung und Versiegelung zur Folge hat. Creutzig kommentiert: „Neue Wohneinheiten sollten vor allem auf schon versiegelter Fläche und durch Aufstockung entstehen.“

Der Zustand vieler Straßenbäume ist aufgrund der Trockenheit der vergangenen Jahre sehr schlecht. Dabei können sie laut Studie einen deutlichen nächtlichen Kühleffekt haben. Und die Begrünung von Dächern ist auf vielen Häusern der Stadt auch nicht möglich – wegen der alten Bausubstanz und der Dachformen. Die Anzahl begrünter Gebäude sei in Berlin seit 2016 um 0,2 Prozent gestiegen, teilt die Senatsumweltverwaltung auf ihrem Portal mit. Etwa 5,4 Prozent der Dachfläche seien begrünt.



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