So arm sind viele Berufstätige trotz Vollzeitjob

Eine Anfrage der Linken zeigt dramatische Einkommensunterschiede in Ost- und Westdeutschland.

Eine Reinigungskraft bei der ArbeitSven Simon/imago
Arm trotz Arbeit: Für viele Berufstätige in Berlin ist das eine ernüchternde Realität. Knapp 200.000 Menschen in der Hauptstadt verdienen weniger als 2500 Euro brutto – und das, obwohl sie in Vollzeit arbeiten gehen. Das ist das Ergebnis einer Anfrage des Linke-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch an die Bundesregierung.
Demnach gehen in Berlin 22,7 Prozent der Berufstätigen mit Vollzeitjob mit weniger als 2500 Euro nach Hause. Berlin liegt dabei leicht über dem Bundesdurchschnitt. In Deutschland haben nämlich 21,9 Prozent der Vollzeitarbeitenden so wenig Geld. Wobei die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland krass sind: Während in Westdeutschland 19,1 Prozent der Beschäftigten unter 2500 Euro brutto verdienen, sind es im Osten 31,9 Prozent.
Geradezu dramatisch wird es bei der nächsten Gehaltsstufe bis 3000 Euro brutto: So wenig verdient fast die Hälfte der Beschäftigten im Osten (48,2 Prozent), während es im Westen 32,2 Prozent sind. In Berlin liegt der Anteil der Vollzeitarbeitenden unter 3000 Euro Monatsverdienst bei einem guten Drittel: 308.198 Berlinerinnen und Berliner verdienen so wenig, das sind 35, 1 Prozent. In Brandenburg zeigt sich auch hier die Ost-Lücke beim Gehalt: 46,7 Prozent kommen auf maximal 3000 Euro brutto.
Ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer verdiente laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr durchschnittlich 4100 Euro brutto im Monat. Das sind 49.200 Euro pro Jahr – ohne Sonderzahlungen, wie Urlaubs-, Weihnachtsgeld oder sonstigen Prämien wie etwa während der Corona-Pandemie. Schwerer zu sagen ist, in welchen Branchen besonders gut oder besonders schlecht gezahlt wird. Hier gibt es unterschiedliche Statistiken. Laut Statistischen Bundesamt sind jedoch vor allem im Hotel- und Gaststättenbereiche die Löhne eher niedrig.
Laut Handelsblatt gehören Ärzte zu den Topverdienern des vergangenen Jahres, ebenso wie Unternehmensberater und Ingenieure sowie Beschäftigte in IT-Berufen. Die Zeitung beruft sich dabei auf eine Umfrage des Jobvermittlungsportals Stepstone. Demnach haben die dort befragten Mediziner ein jährliches Bruttogehalt von 93.000 Euro angegeben.

Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, am Donnerstag bei einer Rede im Bundestag.Kay Nietfeld/dpa
Für den Billiglohnsektor fordert Dietmar Bartsch deutliche Verbesserungen: „Wir brauchen strukturell höhere Löhne in Deutschland und eine Lohnoffensive in diesem Jahr, die die Inflation zumindest ausgleicht“, sagte er der Berliner Zeitung am Donnerstag. Die Forderungen der Gewerkschaften seien gerechtfertigt. „Nach drei Jahren Reallohnverlust darf es 2023 keine vierte Minusrunde geben“, so Bartsch weiter. „Das muss auch für nichttarifgebundene Beschäftigte gelten. Hier muss Arbeitsminister Heil mehr gegen Tarifflucht der Arbeitgeber tun.“