Nur vier der zwölf Größten in Deutschland stehen wirtschaftlich stark da

Frankfurt Seit Jahren haben die Lebensversicherer steigende Zinsen herbeigesehnt. Denn so können sie das Geld ihrer Kunden wieder zu besseren Konditionen anlegen. Damit sind jedoch längst nicht alle Probleme der Branche gelöst: Die bestehenden Kapitalanlagen verlieren im aktuellen Marktumfeld an Wert, die Kosten vieler Produkte stehen regelmäßig in der Kritik und die hohe Inflation erschwert es vielen Menschen, für das Alter vorzusorgen. Umso mehr stellt sich für viele Kunden die Frage, wie stabil die deutschen Lebensversicherer dastehen.
Noch immer ist die Lebensversicherung die beliebteste private Altersvorsorge in Deutschland. Insgesamt unterhalten die Bundesbürger rund 83 Millionen laufende Verträge, wie aus Zahlen des Branchenverbands GDV hervorgeht. Wie gut sind die großen Anbieter also finanziell gerüstet? Hinweise darauf liefert eine neue Studie vom Institut für Finanzwirtschaft der Hochschule Ludwigshafen zu den zwölf größten, im Neugeschäft aktiven Lebensversicherern in Deutschland, deren erster Teil am Donnerstag in der „Zeitschrift für das Versicherungswesen“ erscheint.
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Die Analyse beinhaltet dabei ein betriebswirtschaftliches Urteil, das sich aus Kennzahlen zu Ertragskraft, Betriebskosten sowie Risikoergebnis-, Bewertungs- und Verlustreserven zusammensetzt. Zudem vergibt der Autor Professor Hermann Weinmann eine Verbrauchernote, die auch die Beteiligung der Versicherten an den Ergebnissen und die Solvenzquote, ein Maß für die Wetterfestigkeit der Versicherer in Extremsituationen, berücksichtigt.
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Noten reichen von „sehr gut“ bis „knapp ausreichend“
Die Ergebnisse fallen demnach unterschiedlich aus: Vier Versicherer erhalten die Note „sehr gut“ bis „gut“, drei weitere schneiden „befriedigend“ ab. Vier Anbieter sind mit „ausreichend“ bewertet. Aber ein Versicherer schafft es gerade noch auf ein Urteil von „knapp ausreichend“.
Wie schon in den Vorjahren steht Allianz Leben mit 750 von 1000 Punkten in der betriebswirtschaftlichen Bewertung ganz oben. Der Marktführer hatte 2021 zwar deutlich geringere Beitragseinnahmen, da er laut eigenen Angaben „bewusst auf gewisses Geschäft gegen Einmalbeitrag“ verzichtete. Allianz Leben zeichnet sich aber nach wie vor durch relativ niedrige Betriebskosten und hohe Bewertungsreserven in den Kapitalanlagen aus.
Das Label betriebswirtschaftlich „sehr stark“ teilt sich die Allianz mit Axa Leben. Die deutsche Tochter des französischen Versicherungsriesens sticht unter anderem durch eine starke Ertragskraft, gemessen an den Kapitalerträgen zum durchschnittlichen Kapitalanlagebestand, hervor.
Bei den Verbraucherinteressen steht Allianz Leben allerdings besser da. Sie beteiligt ihre Kundinnen und Kunden laut der Analyse in etwas größerem Umfang am Rohüberschuss und am Gesamtertrag. Allianz Leben erhält somit als einziges Unternehmen die Verbrauchernote „sehr gut“ (1,3).
Axa Leben bekommt die Note „gut“ (2,0). Weinmann meint, dass schlechtere Partizipationsquoten wohl typisch seien vor einem sogenannten Run-off, also dem Verkauf von Lebensversicherungsbeständen an eine externe Abwicklungsgesellschaft. Im Juli 2022 kündigte Axa an, 900.000 Policen an den Abwickler Athora abzugeben.
Analyse kritisiert hohe Gewinnabführung vor Run-off
Auch Zurich Deutscher Herold, mit 500 Punkten und der Verbrauchernote „ausreichend“ (3,7) im Mittelfeld der zwölf Lebensversicherer zu finden, trennt sich von Altbeständen. Von insgesamt rund drei Millionen Lebensversicherungsverträgen gehen etwa 720.000 Policen an den Abwicklungsspezialisten Viridium, wie Zurich im Juni bekannt gab.
Weinmann bemängelt, dass sich die Gewinnabführung bei Zurich Deutscher Herold im vergangenen Jahr vervierfacht habe. Dadurch seien die Versicherten nur noch zu 69,2 Prozent am Rohüberschuss beteiligt worden – statt zu 91,1 Prozent im Jahr 2020.
Ein Zusammenhang mit dem Bestandsverkauf bestehe nicht, betonte ein Zurich-Sprecher. Auch in der Vergangenheit hätten sich regelmäßig Jahre mit einem niedrigeren Anteil der Versicherungsnehmer am Rohüberschuss mit Jahren mit einem sehr hohen Anteil abgewechselt.
Die Lebensversicherung der Allianz steht in der betriebswirtschaftlichen Bewertung ganz oben.
Axa bezeichnete die Vermutung, man hätte vor dem Run-off Geld abgeschöpft, ebenfalls als unzutreffend. 2021 sei ein normales Jahr gewesen. 2020 hätten dagegen die Kapitalerträge nicht ausgereicht, um den Rechnungszins zu finanzieren, der für die Garantien notwendig war. Um die Lücke zu füllen, hätten Mittel aus anderen Ergebnisquellen hinzugezogen werden müssen, wodurch weniger Gewinnabführung an den Konzern möglich gewesen sei.
Andere Lebensversicherer stechen hier allerdings positiver hervor. Generali Deutschland Leben beteiligt die Versicherten zu 95,6 Prozent am Rohüberschuss – das ist der Spitzenwert in der Branche. Auch bei der Württembergischen Leben liegt die Quote bei 94 Prozent sowie bei R+V Leben und Nürnberger Leben über 90 Prozent.
Die Nürnberger und die Württembergische schätzt Weinmann auch als betriebswirtschaftlich „stark“ ein. Ohne Abzug bei den Verbraucherinteressen erreicht die Nürnberger die Verbrauchernote „gut“ (1,7), die Württembergische die Note „gut“ (2,0).
Unter den fünf betriebswirtschaftlich „eingeschränkt starken“ Lebensversicherern schneiden Alte Leipziger Leben und Debeka Leben am besten ab. Die Alte Leipziger erhält die Verbrauchernote „befriedigend“ (2,7). Durch ihre schwächere, wenn auch deutlich verbesserte Solvenzquote, die das Verhältnis von vorhandenen zu geforderten Eigenmitteln angibt, kommt Debeka Leben auf „befriedigend“ (3,0).
Obwohl R+V Leben in der betriebswirtschaftlichen Bewertung hinter Zurich Deutscher Herold und Cosmos Leben liegt, erhält das Wiesbadener Unternehmen aufgrund der höheren Partizipation die bessere Verbrauchernote „befriedigend“ (3,3), während Cosmos Leben wie Zurich Deutscher Herold mit „ausreichend“ (3,7) bewertet wird.
Generali Deutschland Leben beteiligt die Versicherten mit dem Spitzenwert von 95,6 Prozent am Rohüberschuss.
Als betriebswirtschaftlich „relativ schwach“ stuft die Studie dagegen die Bayern-Versicherung und SV Leben ein. Sie weisen zusammen mit R+V Leben die schwächste Ertragskraft in Weinmanns Vergleich auf. Beide sind in den Verbraucherinteressen ohne Abzug und erreichen daher ebenfalls die Note „ausreichend“ (3,7).
Schließlich gibt es mit Generali Deutschland Leben noch einen betriebswirtschaftlich „schwachen“ Versicherer mit der Verbrauchernote „knapp ausreichend“ (4,3). Gründe sind die rückläufige Ertragskraft sowie die nach wie vor hohe Betriebskostenquote von 16,7 Prozent. Bei der auch zum Generali-Deutschland-Konzern gehörenden Cosmos Leben liegt diese nur bei 4,8 Prozent.
Ein Sprecher von Generali Deutschland betonte, dass die in der Studie ermittelten Werte für das Unternehmen eine „vergleichsweise weniger gewichtige Bedeutung“ hätten, da man statt auf klassische Lebensversicherungen mit Garantiezinsen stark auf Fondspolicen und biometrische Produkte wie Berufsunfähigkeitsversicherungen setze. Positiv wertet Weinmann indes das starke Neugeschäft und die hohe Solvenzquote von Generali Deutschland Leben.
Folgen des Zinsanstiegs werden künftig deutlicher sichtbar
Mit dem Zinsanstieg erreichen inzwischen alle Lebensversicherer eine Solvenzquote von über 100 Prozent, wie Bafin-Aufseher Frank Grund neulich betonte. Die Solvenzquote ist eine Kennziffer für die finanziellen Reserven. Liegt eine Firma dauerhaft schlechter als 100 Prozent, würde sie als anfällig gelten und die Bafin auf den Plan rufen.
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Weitere Folgen des Zinsanstiegs könnten jedoch noch nächstes Frühjahr in den Bilanzen für das Jahr 2022 sichtbar werden. Erleichterungen gibt es bei der Zinszusatzreserve (ZZR), die die Lebensversicherer aufbauen mussten, um ihre Verpflichtung auch in der Niedrigzinsphase langfristig erfüllen zu können. Manche Anbieter könnten bereits wieder mit der Auflösung der ZZR beginnen.
Allerdings hält Weinmann Abschreibungen auf niedrigverzinste Anleihen, die die Versicherer im Bestand haben, nicht für ausgeschlossen. Die aktuellen Marktwertverluste sind zwar kein Problem, so lange die Papiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Das werde aber wohl nicht in allen Fällen möglich sein, meint der Versicherungsexperte.
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