Niedrigster Wert seit zwei Jahren: Ifo-Geschäftsklimaindex sinkt deutlich

Im Handel ist der Indikator erneut deutlich gesunken.
(Foto: IMAGO/Future Image)
Berlin Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft ist so schlecht wie seit rund zwei Jahren nicht mehr und nährt die Furcht vor einer Rezession. Der Ifo-Geschäftsklimaindex fiel im Juli auf 88,6 Zähler von revidiert 92,2 Punkten im Vormonat, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilte.
Das ist der niedrigste Wert seit Juni 2020. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich einen Rückgang auf 90,2 Punkte auf dem Zettel. „Hohe Energiepreise und drohende Gasknappheit belasten die Konjunktur. Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.
Die Führungskräfte äußerten sich zu ihrer Geschäftslage und zu den Aussichten skeptischer als zuletzt. Das sei wenig verwunderlich, meint VP Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel. Auch wenn gegenwärtig Gas aus dem von Präsident Wladimir Putin regierten Russland in begrenztem Umfang fließe, hänge das Damoklesschwert „kompletter Gasstopp“ über dem Konjunkturausblick.
Der deutschen Wirtschaft stünden ungemütliche Zeiten bevor, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Gespräch mit Reuters: „Die Rezession klopft an die Tür, das ist nicht mehr auszuschließen. Aber wenn Putin weiter so liefert, wird es keine Rezession geben.“
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Auch im Verarbeitenden Gewerbe ist der Ifo-Index stark gefallen. Der Pessimismus mit Blick auf die kommenden Monate hat in diesem Sektor sogar den höchsten Stand seit April 2020 erreicht. Das zieht sich laut den Münchner Forschern nahezu durch alle Industriebranchen.
Konjunktur eingebrochen
Überdies hat sich im Dienstleistungssektor das Geschäftsklima erheblich verschlechtert. Insbesondere die Erwartungen sind eingebrochen. „Nach zuletzt großem Optimismus drehte sich die Stimmung auch im Tourismussektor und dem Gastgewerbe“, erklärte das Ifo.
Volkswirte zum unerwartet deutlichen Rückgang des Ifo-Index
„Zwar fließen die Gaslieferungen aus Russland durch Nord Stream 1 wieder seit Ende letzter Woche – die Menge liegt aber weiterhin nur bei 40 Prozent. Für Deutschlands Energiehunger ist das nicht genug und es bleibt weiterhin eine große Unsicherheit, ob die russische Führung den Gashahn nicht doch noch komplett zudrehen wird.
Insbesondere den Industrieunternehmen treibt das die Sorgenfalten auf die Stirn, weil Planungen für die kommenden Monate so immer schwieriger werden. Zudem belasten die Zinserhöhung und der weiterhin horrende Materialmangel die Bauwirtschaft.
Handels- und Dienstleistungsunternehmen dürften zunehmend unter einer geringeren Anschaffungsneigung der privaten Haushalte leiden – das liegt an hohen Preisen für Energie und Nahrungsmittel. Die aktuelle Entwicklung deutet somit bereits vor dem noch kommenden Winter auf eine starke wirtschaftliche Abkühlung hin.”
„Vor allem die Furcht vor einem anhaltenden Gaslieferstopp im Zusammenhang mit der Wartung von Nord Stream 1 dürfte zum Umfragezeitpunkt bei vielen Unternehmen die Geschäftsaussichten eingetrübt haben. Der vollständige Lieferstopp ist zunächst zwar ausgeblieben, aber die Unsicherheit über die Energieversorgung bleibt trotzdem gewaltig.
Das belastet die Geschäftsaussichten in energieintensiven Industriebranchen, aber auch in konsumnahen Wirtschaftsbereichen. Denn selbst wenn die Gasflüsse aus Russland auf dem aktuellen niedrigen Niveau anhalten, drohen zusätzliche Kaufkraftverluste durch massiv steigende Heizkosten.
Jetzt gilt es, die Investitionsbereitschaft der Unternehmen aufrechtzuerhalten, obwohl in der Vergangenheit auf ähnlich pessimistische Geschäftserwartungen meist Investitionszurückhaltung folgte. Nur mit Investitionen können die akuten Herausforderungen, wie die seit Kriegsausbruch noch dringendere Energiewende, gemeistert werden. Darin liegen auch Chancen für die Unternehmen, sich rechtzeitig in Zukunftsmärkten zu positionieren.“
Im Frühjahr ist die Konjunktur nach Ansicht der Bundesbank angesichts des Inflationsschubs und der Unsicherheit über die künftige Energieversorgung bereits kaum von der Stelle gekommen. Diese Faktoren lasteten auch im Sommer auf der deutschen Wirtschaft.
Diese ist laut einer Umfrage von S&P Global im Juli auf Talfahrt gegangen. Alles in allem dürfte sich die Wirtschaft hierzulande bereits in einem Abschwung befinden, so Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer: „Wie schlimm es am Ende kommt, liegt leider vor allem in Putins Händen. Käme es zu einem kompletten Stopp der Gaslieferungen, wäre eine tiefe Rezession unvermeidlich.“
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