Nichts gelernt? Die Gremien streiten um Kompetenz und Geld

Alles wie immer beim Rundfunk Berlin-Brandenburg: Der Intendantenposten des Senders muss neu besetzt werden. Doch erst mal wird ausgiebig über das Verfahren gestritten.

Abschiedsvorstellung: Interims-Intendantin Katrin Vernau verlässt die außerordentliche Rundfunkratssitzung des Rundfunk Berlin-Brandenburg. Sie ist nachträglich nicht mehr ins Rennen für die Intendantenwahl gekommen. Fabian Sommer/dpa
Vor ziemlich genau einem Jahr stürzte der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) in die bislang größte Krise seiner Geschichte, nachdem massive Unregelmäßigkeiten in der Amtsführung der Intendantin Patricia Schlesinger bekannt geworden waren, die wenig später zu ihrer fristlosen Entlassung führten. Nun soll der Posten endgültig neu besetzt werden, doch das Verfahren zeigt, dass der RBB noch einen langen Weg zu echten Reformen vor sich hat.
Dabei kommen sich nun auch die RBB-Gremien gegenseitig ins Gehege – der Rundfunkrat und der Verwaltungsrat. Letzterer ist erst vor einigen Wochen neu zusammengesetzt worden. An der Spitze steht jetzt der Cottbusser Rechtsanwalt Benjamin Ehlers, der sich sichtlich um Transparenz bemüht.
Die Machenschaften des früheren Vorsitzenden und Strippenziehers Wolf-Dieter Wolf sollen der Vergangenheit angehören. Wolf hatte gemeinsam mit Schlesinger ein Geschäftsgebaren an den Tag gelegt, bei dem Kontrolle von außen ein Fremdwort war.
Erstes Projekt der guten Absicht des Verwaltungsrates ist das Bemühen, die Gehälter der Spitzenbediensteten deutlich abzuschmelzen. Dabei hat man die Landesrechnungshöfe an der Seite, die das dringend empfehlen. Die Bezahlung der Intendantin sei seit Jahren „jenseits des Üblichen“ gewesen, sagte Karin Klingen, die Präsidentin des Landesrechnungshofes Berlin am Freitag vor Journalisten. Dies sei möglich gewesen, weil dem RBB dabei keine Grenzen gesetzt waren. Das müsse sich ändern.
Rundfunkrat ging zum Angriff auf den Verwaltungsrat über
Der Rundfunkrat ist im Prinzip natürlich auch dafür, nur vielleicht jetzt noch nicht. Das zeigte sich bei der Gremiensitzung am Donnerstagabend. Auf der wollte man eigentlich die drei Kandidatinnen für den Chefposten befragen, die die Findungskommission wenige Tage zuvor bekanntgegeben hatte. Doch die ehemalige Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer, die Kulturwissenschaftlerin Heide Baumann und die Chefredakteurin Digitales von ARD-aktuell, Juliane Leopold, mussten warten.
Denn erst mal ging der Rundfunkrat – oder zumindest Teile des Gremiums – zum Angriff auf den Verwaltungsrat über. Dieser hatte in seiner Sitzung Ende Mai über eine Obergrenze des Gehaltes für den RBB-Intendanten gesprochen. Beschlossen wurde nichts, versicherte der Vorsitzende Benjamin Ehlers, doch habe man über eine Bandbreite von 180.000 bis 230.000 Euro gesprochen. Schon das hielten einige der Rundfunkräte für eine unverschämte Grenzüberschreitung.
Hintergrund: Einer der Bewerber, der derzeitige Programmdirektor von Radio Bremen Jan Weyrauch, kann sich mit dem Gehalt nicht recht anfreunden. So viel oder fast so viel verdient er nämlich schon in seinem bisherigen Job. Weyrauch war daher von der Findungskommission aus dem Verfahren genommen worden oder hatte selbst zurückgezogen. So genau weiß man das nicht.
Umso klarer der Entrüstungssturm danach. Die Personalratsvertreterin und die Vertreterin der Freien Mitarbeiter wandten sich mit einer geharnischten Erklärung an die Öffentlichkeit, dass die Findungskommission nicht alle geeigneten Kandidaten vorgestellt habe. Weyrauch ist offensichtlich der Favorit der Belegschaft. Die will zumindest der Rundfunkratsvorsitzende Oliver Bürger nicht vergrätzen. Das Ende vom Lied: Weyrauch war dann doch wieder im Verfahren. Er wurde am Donnerstagabend per Video in das Gremium zugeschaltet.
Dieses Bewerbungsverfahren hätte dann eigentlich schleunigst weitergehen sollen, doch dann sorgte ausgerechnet die Interims-Intendantin Katrin Vernau für eine bizarre Verzögerung. Nachdem die Rundfunkrätin Regine Auster beantragt hatte, dass auch Vernau noch ins Verfahren genommen werde, erklärte diese, sie habe ihre Bewerbung dabei.
Wie berichtet hatte Vernau sich nicht auf die Stelle beworben, weil sie dazu ermuntert werden wollte. „Meine Bewerbung ist die in den letzten acht Monaten geleistete Arbeit“, sagte sie in einer vorbereiteten Rede, die sie vom Manuskript ablas. Sie habe ihre Bereitschaft immer wieder signalisiert, so Vernau. „Die Hoheit des Verfahrens liegt in Ihren Händen“, sagte sie zu den Rundfunkräten.
Rechnungshof: Der RBB hat massive Finanzprobleme
Von denen waren nicht alle begeistert darüber: „Ich spüre körperliche Schmerzen“, kommentierte die Grünen-Abgeordnete Antje Kapek die Volte in letzter Sekunde. Sie bat Regine Auster dringend, ihren Antrag zurückzuziehen, was diese aber ablehnte. So wurde dann in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen, dass Vernau endgültig raus sei. Die Interims-Intendantin ließ am Abend noch eine Erklärung verbreiten, in der es hieß, sie sei „nicht fröhlich, aber ohne Groll“. Sie werde nun die Übergabe an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin vorbereiten.
Das Thema wurde am Freitag noch einmal in einer Belegschaftsversammlung ausgewertet, in der Vernau sich für ihr Vorgehen rechtfertigte. Für die Beschäftigten ist die Ära Vernau dem Vernehmen nach jetzt abgeschlossen. Sie konzentrieren sich nun auf die Wahl des Intendanten oder der Intendantin in der nächsten Woche. Wer auch immer es wird, muss sich schnell mit einer ganzen Reihe von Problemen auseinandersetzen.
Die Präsidenten der Rechnungshöfe von Berlin und Brandenburg mahnten am Freitag erneut ernsthafte Einsparungen an. „Der RBB hat lange über seine Verhältnisse gelebt“, sagte die Berliner Präsidentin Karin Klingen.