Micky Beisenherz schreibt übers Osterfest

M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Steh auf, wenn du ein Jesus bist!

© Illustration: Dieter Braun/stern
Aus dem Osterfest ist längst ein Event geworden. Auch unser Kolumnist muss mehr auffahren als nur Schoko-Eier.
Von Micky Beisenherz
Wenn es nicht mehr nur die Drogendealer im Görlitzer Park sind, die hektisch Dinge im Gebüsch verschwinden lassen, heißa, dann ist Osterzeit. Jene drei Tage, an denen Jesus erst vorm geifernden Pöbel gekreuzigt worden ist – und dann sonntags als viel umjubelter Erlöser wieder auf der Matte stand. Eine Karriere, von der Robert Habeck häufiger träumen dürfte.
Die Passion Christi ist eine spektakulär marveleske Superhelden-Geschichte. So fesselnd, dass auch der Superstarwerdungskanal RTL Ostern 2022 nicht umhin kam, seine eigenen Passionsspiele zur besten Sendezeit live in Essen aufzuführen und auszustrahlen. Mit Jesus Alexander Klaws, Erzähler Thommy Gottschalk und Kalamitäten-Magnet Martin Semmelrogge als Barabas, dem man in der Live-Situation vorsorglich erst gar kein Mikrofon gegeben hatte. So sah man in diesem Schmusical einen Skinny-Jeans-Jesus ein gewaltiges LED-Kreuz über die Rüttenscheider Schlemmermeile schleppen, und ich halte es für ein echtes Vergehen, den Zuschauern ein solches Ereignis in diesem Jahr vorzuenthalten.
Ostern ist längst der kleine Heiligabend
Ja, jenseits von Gründonnerstag begehen wir das größte Fest, das das Christentum zu bieten hat, wenngleich Weihnachten von der Allgemeinheit als ungleich bedeutender wahrgenommen wird. Diese Unwucht zu beheben, schicken sich viele Erziehende an, sich in puncto Geschenke dem Hochamt im Dezember anzugleichen. Ostern ist längst der kleine Heiligabend. War Ann-Sophie früher glücklich mit einem neuen Set Buntstifte, muss man heute froh sein, wenn der kleine Justin einem nicht den zinnoberroten Faber-Castell ins Auge rammt, damit der Idioten-Papa im nächsten Jahr gefälligst an die Playstation denkt.
Was wiederum an Süßigkeiten in Gebüschen und hinter Bäumen versteckt wird, dürfte Cem Özdemir vor Wut schäumen lassen. Selten hat man sein Kind so mutwillig Richtung Diabetes Typ 2 gelockt. In Ermangelung eines Gartens habe ich selbst regelmäßig Schoko-Eier und -Hasen zwischen Tulpen und Sträuchern auf dem Altonaer Balkon mit Blick auf die Elbe versteckt. Dabei musste ich früh genug da sein, bevor meine Tochter mit ihrer Mama anrückt, aber auch nicht zu früh, damit nicht schon die Hunde bei ihrer Gassi-Runde an die mäßig gut versteckten Goodies gestrullert haben.
Ostern markierte in den vergangenen Jahren immer auch den aktuellen Stand der Gesellschaft. Die Wegscheide zwischen einem langen, tristen Winter und einer frühsommerlichen Hoffnung. 2022 trübte der noch recht frische Angriffskrieg Russlands die Stimmung. Ein Land zwischen Schock und Demut. Nun, da der Krieg in unseren Breiten, nun ja, “endemisch” geworden ist, interessiert die meisten wieder das Wetter beim Eiersuchen.
Man würde schließlich schon gern in der Sonne sitzen und Campari trinken, während die lieben Kleinen dem hochkalorischen Gelege hinterherjagen. Man hat es sich verdient. Das wäre zu Beginn der Pandemie undenkbar gewesen, als uns nicht ganz unhysterisch vermittelt wurde, dass eine Suchaktion im Freien ziemlich sicher dafür sorgen würde, im Gestrüpp neben Nougat und Schmunzelhasen garantiert eine neue Covid-Variante zu finden.
Denken Sie nur an die sensationell blöde “Osterruhe” vom Team Merkel-Laschet, die im März 2021 den Grundstein für die Kanzlerschaft von Olaf Scholz legte. Das war dann so absurd, das würde ich mir glatt noch mal als Musical live bei RTL angucken.
Wer dort jesusgleich überraschend wieder auftauchen darf, das überlasse ich Ihrer Fantasie.