Merz will Renten-Eintritt an die Lebenserwartung koppeln: Was das bedeutet


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Friedrich Merz
CDU-Chef Friedrich Merz hat vorgeschlagen, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln. (Archivbild) © Federico Gambarini/dpa

CDU-Chef Friedrich Merz hat vorgeschlagen, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln. Die Idee ist nicht neu – auch nicht innerhalb der CDU. Ein Überblick.

Berlin – Über die Zukunftsfähigkeit des deutschen Rentensystems gibt es eine heftige Debatte. Die Rufe nach weitreichenderen Reformen als von der Ampel-Regierung geplant, werden immer lauter. CDU-Chef Friedrich Merz hat nun erneut in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vorgeschlagen, das Rentenalter an die Lebenserwartung koppeln.

Merz will Renteneintritt an Lebenserwartung koppeln

Zudem sagte Merz, es solle nicht in die „alte Debatte“ verfallen werden, „ob wir mit 67 oder 70 Jahren in Rente gehen sollen“. Er fügte hinzu: „Besser wäre es, die steigende Lebenserwartung in zusätzliche Arbeit und zusätzlichen Rentenbezug aufzuteilen.“ Zuletzt war aus der CDU der Vorschlag gekommen, Nebenverdienste im Alter steuerfrei zu stellen.

Doch was bedeutet der Vorschlag von Merz überhaupt? Denn einerseits hat der CDU-Chef sich gegen eine einfache Anhebung des Rentenalters ausgesprochen – um dann ein anderes Modell vorzuschlagen, das ebenso dazu führen kann, dass sich das Renteneintrittsalter nach hinten verschiebt.

Ist der Renten-Vorschlag von Merz in der CDU ein Novum?

Der Vorschlag ist nicht neu – auch nicht innerhalb der CDU. Schon vergangenes Jahr forderte der CDU-Politiker und damalige Unionsfraktionsvize Jens Spahn, dass das Rentenalter künftig an die Lebenserwartung gekoppelt werden solle. „Für jedes Jahr länger leben, einen Monat später in Rente“, sagte er damals dem Tagesspiegel

Die Idee fand einem Bericht der Welt zufolge auch Eingang in ein internes Papier als Vorschlag für das Grundsatzprogramm der CDU. Darin wird vorgeschlagen, ab 2031 das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln, schreibt das Blatt, das sich im April auf das interne Papier der Fachkommission Soziale Sicherung berief. „Konkret erhöht sich dann dadurch die Regelaltersgrenze um vier Monate für jedes gewonnene Lebensjahr“, zitiert die Welt aus dem Papier.

Renteneintritt und Lebenserwartung: Welche Auswirkungen hätte der Vorschlag?

Wie und von wem genau die Lebenserwartung dann kalkuliert wird, wurde aber nicht weiter erklärt – auch nicht, ab welchem Geburtsjahr die steigende Lebenserwartung berechnet werden soll. Als Beispiel: In Deutschland lag die durchschnittliche Lebenserwartung im Jahr 2022 für Männer bei 78,2 Jahren und für Frauen bei 82,9 Jahren. Damit hat diese sich im Vergleich zu 2019 allerdings um mehr als ein halbes Jahr verringert. Vor der Corona-Pandemie ist die Lebenserwartung in den vergangenen Jahren beinahe kontinuierlich angestiegen. Es ist also noch völlig unklar, wie sich die Vorschläge konkret auf das Renteneintrittsalter auswirken werden.

Warum soll das Renteneintrittsalter überhaupt erhöht werden?

Da die geburtenstarke Babyboomer-Generation vor dem Renteneintritt steht, gerät das Rentensystem immer stärker unter Druck: Denn dann kommen immer mehr Rentner und Rentnerinnen auf immer weniger Erwerbstätige. Das Problem dabei: Die Rente wird über das sogenannte Umlageverfahren finanziert – das bedeutet, dass die laufenden Rentenzahlungen überwiegend durch Rentenbeiträge der aktuell erwerbstätigen Menschen finanziert werden.

Neben der niedrigen Geburtenrate werden die Menschen aber immer älter, beziehen also immer länger Rente. Das Umlageverfahren reicht also nicht mehr aus. Deshalb muss die Rente auch mit Steuermitteln bezuschusst werden – und zwar mittlerweile mit mehr als ein Viertel des Bundeshaushalts. Fachleute schlagen deshalb schon seit längerem Alarm – sie prophezeien „schockartig steigende Finanzierungsprobleme“ für die gesetzliche Rentenversicherung.

Sind auch Experten für die Anhebung des Renteneintrittsalters?

Deshalb plädieren auch einige Top-Ökonomen wie die Wirtschaftsweise Veronika Grimm für eine Anhebung des Renteneintrittsalters. „Es ist fraglos notwendig, das gesetzliche Rentenalter weiter anzuheben – man sollte die Regelaltersgrenze für den Renteneintritt an die Lebenserwartung koppeln“, sagte sie kürzlich in einem Interview mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Grimm präzisierte auch, wie dieser Schritt aussehen könnte. „Das gesetzliche Renteneintrittsalter wird bis 2031 auf 67 Jahre erhöht. Dabei kann es aber nicht bleiben. Die Formel in Zukunft könnte sein: Nimmt die Lebenserwartung um ein Jahr zu, so würden zwei Drittel des zusätzlichen Jahres der Erwerbsarbeit zugeschlagen und ein Drittel dem Ruhestand.“ Grimm betonte allerdings, dass es bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen Ausnahmen geben müsse.

Dagegen sprach sich der Ökonom Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), aus. Bereits jetzt gäbe es zwei Millionen Menschen, die Erwerbsminderungsrente erhalten, weil sie früher in den Ruhestand müssen und deshalb ein höheres Risiko für Altersarmut haben. Er fordert stattdessen, dass künftig auch Beamte und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen sollen, um das marode Rentensystem zu stützen.

Was sagt die Regierung zu einer Erhöhung des Renteneintrittsalters?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat derweil eine Anhebung des Rentenalters abgelehnt. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat nun auch den Vorschlag von CDU-Chef Friedrich Merz, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln, scharf kritisiert. „Die CDU kann es nicht lassen: Alle paar Wochen erklärt ein Christdemokrat den Deutschen, wir würden zu wenig arbeiten und sollten künftig mit 70 in Rente gehen – oder noch später“, sagte Kühnert dem Tagesspiegel. Die Vorschläge der Union seien für Arbeitnehmer vor allem eins: „Eine Rentenkürzung mit Ansage“, fügte er hinzu.

Mehr als die Hälfte der heutigen Beschäftigten rechne nicht damit, ihren aktuellen Job auch nur bis 67 ausüben zu können. „Unter Arbeitern sind es 90 Prozent“, argumentierte der SPD-Politiker. Für die meisten Beschäftigten hieße eine Rente mit 70, dass ihnen „vor der Rente die Langzeitarbeitslosigkeit droht“, sagte Kühnert.

Mit Material der dpa und AFP



Quellenlink https://www.merkur.de/wirtschaft/friedrich-merz-will-renten-eintritt-an-lebenserwartung-koppeln-bedeutung-92498992.html