Mehr Geld für Sozialarbeit an Schulen in Sachsen | Freie Presse


Die Kenia-Koalition will mehr Geld als bisher für die Beratungsangebote an Schulen locker machen – für alle reicht es trotzdem nicht. Und eine Oppositionsfraktion wittert große Gefahren.

Dresden.

In Sachsen soll mehr Schulsozialarbeit als bisher ermöglicht werden. Die Koalitionsfraktionen von CDU, Grünen und SPD haben sich darauf verständigt, das Budget im nächsten Doppelhaushalt 2023 auf 36 Millionen Euro und 2024 auf 37,2 Millionen Euro aufzustocken, wie die SPD-Fraktion auf Anfrage mitteilte. Dieses Jahr stehen 32,5 Millionen Euro bereit, der bisherige Regierungsentwurf hatte lediglich einen Anstieg auf knapp 34 Millionen Euro bis 2024 vorgesehen. Durch die nun geplante Erhöhung lassen sich landesweit insgesamt 650 Vollzeitstellen finanzieren – gut 30 mehr als bisher. Ein Teil der Aufstockung könne die Tarifsteigerungen auffangen, hieß es weiter.

Auf Antrag der SPD debattierte der Landtag am Donnerstag über das “Erfolgsmodell” Schulsozialarbeit, das an allen Oberschulen seit dem Schuljahr 2018/19 komplett vom Land finanziert wird. Ziel sei die “Schulsozialarbeit an allen Schulen”, sagte Juliane Pfeil (SPD). Auch Kathleen Kuhfuß (Grüne) betonte, mit dem Ausbau “noch nicht fertig” zu sein. Dass es noch etwa 80 Förderschulen ohne Sozialarbeit gebe, tue weh: Möglicherweise würde es helfen, wenn das Land “ein wenig am Rädchen drehen” und vorgeben würde, dass es auch an jeder Förderschule Sozialarbeit geben müsse.

CDU: Sozialarbeit “organisch” ausbauen

CDU-Sozialpolitiker Alexander Dierks verwies auf den Bedarf auch an Grundschulen und Gymnasien. “Natürlich muss man priorisieren”, dies sei Politik. Aber erfolgreiche Jugendhilfe müsse dort ansetzen, wo der Präventionscharakter am größten sei. Dies sei bei “den Kleinsten” – also an der Grundschule – der Fall, aber auch an Gymnasien gebe es “individuelle Problemlagen von Schülern”. Ziel müsse deshalb sein, das Landesprogramm “immer weiter organisch sukzessive auszubauen”, um dafür zu sorgen, dass junge Menschen überall die gleichen Chancen hätten und “ihres eigenen Glückes Schmied” sein können. Schulsozialarbeit sei ein “Qualitätsfaktor”.

Auch der Landesschülerrat (LSR) meldete sich am Donnerstag aus Anlass der Landtagsdebatte zu Wort. Sozialarbeit an Schulen müsse zur Selbstverständlichkeit werden. Jede Schule brauche mindestens eine Anlaufstelle für Probleme aller Art. Weil es sich nicht nur um ein Ort des Lernens, sondern auch des Lebens handele, brauche es “mehr als Lehrkräfte, um den Schulalltag angemessen zu gestalten”, sagte LSR-Chefin Lilly Härtig.

AfD: Graffiti und Drogenkonsum

In der Landtagsdebatte meldete nur die AfD-Fraktion Bedenken an. “Schulsozialarbeit bekämpft lediglich Symptome”, sagte Romy Penz, die auch Vorsitzende des Bildungsausschusses im Landtag ist. Unter Anspielung auf die Aktionen der “Letzten Generation” sagte sie, solange etwa “Klimakleber mit dem wohlwollenden Begriff Aktivisten versehen werden, wird der Ansatz auf den Kopf gestellt”. Eine “Leistungsgesellschaft” lebe von Fordern, nicht nur von Fördern: Kinder und Jugendliche bräuchten “klare Grenzen” und “klare Regeln”.

Ihr Fraktionskollege Lars Kuppi wiederum behauptete, dass Schulsozialarbeit “viele Probleme” mit sich brächte. Eine Studie von 2016 würde angeblich belegen, dass “viele Sozialarbeiter auch bei Drogenkonsum mit beteiligt” seien – weil demnach jeweils zehn Prozent im Studium Cannabis, Amphetamine oder Beruhigungsmittel eingenommen hätten. Unter Verweis auf die Ablehnung eines früheren AfD-Antrags warf Kuppi den Abgeordneten von CDU, Grünen, Linken und SPD vor, “auch Vorbestrafte” auf Kinder “loslassen” zu wollen. Kuhfuß wies dies umgehend zurück und erinnerte daran, dass auch von Schulsozialarbeitern ein Führungszeugnis vorzulegen sei.

Dierks wiederum sah sich in der Ansicht bestätigt, dass kein Thema vor den “vollkommen blödsinnigen, hetzerischen und vor allem auf Spaltung ausgelegten Thesen” der AfD sicher sei. Weil Kuppi als Beleg für die Kritik Graffiti-Workshops von Schulsozialarbeitern angeführt hatte, was dazu führen könne, “dass weitere Hauswände angemalt werden”, rief Luise Neuhaus-Wartenberg (Linke) die Sozialarbeiter dazu auf, “einen Graffiti-Workshop nach dem anderen” an den Schulen anzubieten – weil dies legal und es wichtig sei, sich damit auseinanderzusetzen. Sie erinnerte zudem daran, dass es fünf Landkreise gebe, in denen die Anzahl der Schulsozialarbeiter gesunken sei. Die Ursachen müssten untersucht und daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden. Manche Sozialarbeiter müssten zwischen mehreren Schulen pendeln, führte sie weiter aus.

Landkreise sehen Fachkräftemangel

Im Koalitionsvertrag hatten CDU, Grüne und SPD vor drei Jahren vereinbart, dass es Sozialarbeiter “an jeder allgemeinbildenden und berufsbildenden Schule” geben solle – allerdings als Ziel ohne Frist und unter ausdrücklicher Erwähnung der erforderlichen Co-Finanzierung durch die Schulträger. Für eine “landesweite Versorgung” reichten nach Angaben des Sozialministeriums die bisher bereitstehenden Landesmittel nicht aus. Zudem mache sich auch bei der Schulsozialarbeit der Fachkräftemangel bemerkbar.

In allgemeinbildenden Schulen des Freistaates kamen im Vorjahr auf einen Schulsozialarbeiter 624 Schüler, wie das Sozialministerium mitteilte. Am besten sei das Verhältnis an Förder- und Oberschulen mit einer Quote von 1 zu 350, am schlechtesten an Gymnasien mit 1 zu 1500. Experten halten ein Verhältnis von 1 zu 150 für ideal.

Nach einer “Freie-Presse”-Umfrage vom September gibt es in Chemnitz keine Schulsozialarbeit an 24 Grundschulen, 1 Förderschule, 2 Gymnasien und 5 berufsbildenden Schulen in öffentlicher Trägerschaft. Der Grund seien “fehlende finanzielle Mittel”, hieß es.

Vom Erzgebirgskreis wie auch von Mittelsachsen und aus dem Vogtlandkreis wurde zusätzlich noch der sich verschärfende Fachkräftemangel als Hemmnis für den weiteren Ausbau genannt.

Mittelsachsen meldete 65 Grundschulen und 2 Gymnasien ohne Sozialarbeit. Im Erzgebirgskreis fehlt sie an 80 Grundschulen und einem von drei Gymnasien in öffentlicher Trägerschaft. Der Landkreis Zwickau meldete 32 öffentliche Grundschulen und 9 Gymnasien ohne Sozialarbeit. Im Vogtlandkreis betrifft dies 45 Grundschulen und vier Gymnasien.



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