Liebe Klima-Kleber, ihr seid in Berlin eine ideenlose Truppe geworden


Am Dienstag klebten sich wieder Aktivisten der sogenannten Letzten Generation auf Straßen und blockierten den Verkehr. Und die Berliner – sie stumpfen ab. Ein Kommentar.

Nichts geht mehr auf der Greifswalder Straße: Klimaaktivisten der sogenannten Letzten Generation blockieren mitten im Berufsverkehr eine Kreuzung.

Nichts geht mehr auf der Greifswalder Straße: Klimaaktivisten der sogenannten Letzten Generation blockieren mitten im Berufsverkehr eine Kreuzung.Jonas Gehring/Imago

Dienstagmorgen, 8.15 Uhr. Auf der Puschkinallee geht nichts mehr. Die Autos stehen ebenso wie die Linienbusse. Das Martinshorn eines Polizeiautos ist zu hören. Zehn Minuten später, die Motoren sind längst abgestellt, steigen die ersten Autofahrer aus, laufen ruhig umher. Viele müssen zur Arbeit, doch niemand hupt, niemand meckert. Aus der anfänglichen Nervosität ist stoische Gelassenheit geworden. Ja, sie kleben wieder, haben eine der wichtigsten Einfallsstraße in die City für die Menschen aus Treptow-Köpenick und dem östlichen Umland dichtgemacht.

Ja, die Erderwärmung ist dramatisch. Ja, dagegen muss etwas getan werden, und zwar sofort. Ja, der Autoverkehr muss deutlich zurückgedrängt, der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden und Vorfahrt haben. Und ja, wir brauchen ein Tempolimit auf Autobahnen. Das sage ich, die ich täglich Auto fahre. Weil ich am Rande Berlins wohne, und der öffentliche Nahverkehr mitnichten funktioniert. Und es kann nicht jeder dort arbeiten, wo er auch wohnt, morgens vom Bett an den Schreibtisch schlappen.

Um das Klima zu retten, braucht es umsetzbare Ideen, solche, die einen Aha-Effekt bei den Menschen und keinen Ihr-könnt-mich-mal-Impuls auslösen. Das 49-Euro-Ticket ist doch ein Anfang. Noch besser wäre ein solches Ticket mit garantiertem und pünktlichem Bus- und Bahn-Anschluss. Wem nützt eine noch billigere Fahrkarte, wenn nichts fährt.

Liebe Klima-Kleber, ihr seid für mich keine kriminelle Vereinigung, wie es beim Landgericht Potsdam derzeit im Raum steht. Aber ihr seid eine mittlerweile ideenlose Truppe. Immer nur Sofortkleber. Damit erweist ihr dem Kampf fürs Klima einen Bärendienst. Denn die meisten Berliner sind der vielen Blockaden müde und auch abgestumpft. Deswegen, ihr lieben Aktivisten: Macht mal etwas Neues, etwas wirklich Gutes fürs Klima. Werdet nicht nur, wie euer Name schon sagt, aktiv, sondern konstruktiv. Setzt eure Ziele auf demokratischem Weg durch, geht dahin, wo ihr glaubt, nicht gehört zu werden – in die Politik. Zeigt, dass ihr es besser könnt und stoßt die Leute nicht immer nur vor den Kopf. Denn irgendwann verliert niemand mehr ein Wort über jemanden, der sich mit der Hand an den Asphalt oder einen Gerichtstisch klebt.



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