Israel: Netanjahu plant Rede an Nation – wird Justizreform gestoppt?


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Netanjahu plant Rede an Nation – wird Justizreform gestoppt?

Israelische berittene Polizei treibt regierungskritische Demonstranten in Tel Aviv auseinander. Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Israelische berittene Polizei treibt regierungskritische Demonstranten in Tel Aviv auseinander. Foto

© Ilia Yefimovich/dpa

Die Regierung will mit aller Macht eine höchst umstrittene Justizreform durchsetzen. Nach der Entlassung eines Ministers kommt es zu Massenprotesten. Wie geht es nun weiter?

Massenproteste, ein angekündigter Generalstreik und die Armee in Alarmbereitschaft: In Israel hat sich die politische Krise nach der Entlassung des Verteidigungsministers Joav Galant wegen dessen Kritik an einer höchst umstrittenen Justizreform dramatisch zugespitzt.

Zehntausende Menschen strömten in der Nacht in Tel Aviv auf die Straße, um gegen die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angeordnete Entlassung und die Reformpläne seiner rechts-religiösen Regierung zu protestieren. Dabei kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei, die Wasserwerfer und Reiterstaffeln einsetzte.

Präsident Izchak Herzog rief die Regierung zum Einlenken auf. “Um der Einheit des israelischen Volkes willen, um der Verantwortung willen, fordere ich Sie auf, die Gesetzgebung sofort einzustellen”, sagte er. Die Menschen seien in tiefer Angst.

Netanjahu plant Rede an die Nation

Ungeachtet massiver Proteste hat ein Kernelement der umstrittenen Justizreform in Israel eine weitere Hürde genommen. Der Justizausschuss des Parlaments billigte den Gesetzestext, der die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses ändern soll. Der Entwurf wurde zugleich zur finalen Lesung ans Plenum überwiesen, wie israelische Medien übereinstimmend berichteten.

Die Sitzung wurde mehrfach von Abgeordneten der Opposition mit lauten Rufen unterbrochen. Unklar war zunächst, wann das Parlament in Jerusalem über die geplanten Regelungen abstimmen soll.

Medienberichten zufolge will sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch heute zu der umstrittenen Reform äußern. Die genaue Uhrzeit war zunächst unklar. Es wird erwartet, dass Netanjahu einen Stopp der umstrittenen Pläne seiner rechts-religiösen Regierung ankündigen könnte. Das Büro des Regierungschefs wollte dies zunächst nicht bestätigen. Vor dem Parlament in Jerusalem versammelten sich am Morgen erneut Dutzende Demonstrantinnen und Demonstranten.

“Nicht der Anarchie nachgeben”

Sollte Netanjahu ein Einfrieren der Pläne bekannt geben, könnte dies in seiner rechts-religiösen Koalition zu massivem Protest führen. Der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir sagte, man dürfe sich den Protesten nicht beugen. “Wir dürfen die Reform des Justizsystems nicht aufhalten, und wir dürfen nicht der Anarchie nachgeben”, schrieb er auf Twitter.

In der Nacht hatte sich Netanjahu mit mehreren Minister seiner Koalition beraten. Zuvor waren erneut Zehntausende Menschen in Israel auf die Straßen geströmt, um gegen die von Netanjahu angeordnete Entlassung von Verteidigungsminister Joav Galant zu protestieren. Galant hatte zuvor die umstrittenen Pläne öffentlich kritisiert und die Regierung zum Dialog mit ihren Kritikern aufgerufen.

Netanjahu hatte Galant, der seiner Likud-Partei angehört, wegen dessen Aufrufs zum Stopp der Justizreform entlassen. Gegen die Reform, mit der der Einfluss des Höchsten Gerichts beschnitten und die Machtposition der Regierung zulasten der unabhängigen Justiz gestärkt werden soll, gibt es seit Monaten heftige Proteste. Der bisherige Verteidigungsminister hatte am Samstagabend die Regierung zum Dialog mit Kritikern aufgerufen. Er warnte, dass die nationale Sicherheit und insbesondere die Einsatzfähigkeit der Armee auf dem Spiel stehe. Seit Wochen ist von wachsendem Unmut im Militär die Rede, aus Protest gegen die Reform waren zahlreiche Reservisten nicht zum Dienst erschienen.

Die Regierung wirft dem Höchsten Gericht unbotmäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Künftig soll das Parlament mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufheben können. Der Ministerpräsident soll stärker vor einer Amtsenthebung geschützt werden. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr, manche warnen gar vor der schleichenden Einführung einer Diktatur.

Generalstreik angekündigt

Der Dachverband der Gewerkschaften in Israel hat zu einem Generalstreik aufgerufen. Betroffen ist auch der internationale Flughafen Ben-Gurion bei Tel Aviv.

“Ich habe den sofortigen Startstopp am Flughafen angeordnet”, sagte der Leiter der Arbeitergewerkschaft am Flughafen Ben Gurion, Pinchas Idan. Es wird erwartet, das Zehntausende von den Flugänderungen betroffen sind.

Der Dachverband namens Histadrut rief zu dem “historischen” Arbeitsstreik auf, um “den Wahnsinn” der umstrittenen Justizreform der Regierung zu stoppen. Der Streik werde beginnen, sollte Netanjahu keinen Stopp der Reformpläne ankündigen.

dpa



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