„Intensiv um die beste Lösung gerungen“


Poings Bürgermeister Thomas Stark hat auf einen Brief einer Bürgerin, die die Rodung von 87 Bäumen am Westring kritisiert, geantwortet. Seine Stellungnahme und den Brief lesen Sie hier:
Poing – Der Kahlschlag am Westring beschäftigt die Poinger weiter. Jetzt hat Bürgermeister Thomas Stark (parteilos) in einem offenen Brief auf Kritik von Anwohnern und Bürgern reagiert. In einem Leserbrief in unserer Zeitung hatte Nicola Tauchert (Wortlaut siehe Kasten weiter unten) unter anderem geschrieben, dass Bürgermeister und Gemeinderat eine „Komplett-Ablehnung in der Bürgerschaft erreicht“ hätten.
Poing: Kahlschlag für Bau von neuen Wegen
Wie mehrfach berichtet, hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am 21. Juli 2022 einstimmig beschlossen, den Westring umzubauen. Auf der Südseite (bei den Wohnhäusern) entsteht ein neuer Geh- und Radweg, auf der Nordseite (entlang der Kleingartenanlage) werden ein Radweg und zwei behindertengerechten Bushaltestellen errichtet. Weil nach dem Umbau im Westring der öffentliche Liniennahverkehr in beide Richtungen fahren wird. Für die Neubauten wurden laut Verwaltung insgesamt 87 Bäume gefällt.
In seiner Antwort auf den Leserbrief erläutert Bürgermeister Thomas Stark, dass die Grundlagen für die Baumaßnahmen bereits 2017 gelegt worden seien – als der Gemeinderat den Bebauungsplan für das Neubaugebiet W7 (Lerchenwinkel) beschlossen hat. „In diesem Bebauungsplan wurden zwei wesentliche Maßnahmen bezüglich des Westrings festgesetzt, nämlich die Anlegung von beidseitigen Geh- und Radwegen sowie die Verbreiterung der Verkehrsfläche nach Norden zur Kleingartenanlage“, schreibt Stark.
Offener Brief einer Poingerin an Bürgermeister und Gemeinderat
Sehr geehrter Herr Stark, sehr geehrte Vertreter des Gemeinderats, meine Enttäuschung über Sie sowie das Ergebnis der einstimmigen Abstimmung des Gemeinderats, mein anhaltendes, inneres Aufbegehren beim Anblick des verschandelten Straßenzugs und die massiven Unmutsäußerungen der Bewohner Poings und umliegender Gemeinden, haben mich dazu bewogen, Ihnen diese Zeilen zu schreiben. Sie haben in einer internen Sitzung über die Neugestaltung des Westrings – gegen sämtliche Einsprüche und Bedenken der Anwohner und Bürger – die Komplettrodung der Straße entschieden. Es erfolgte eine Bürgerinformation ohne die Möglichkeit der Einflussnahme oder Kommentierung.
Ich erläutere Ihnen kurz das Ergebnis innerhalb der Gemeinde, damit Sie einen Einblick in die Stimmungslage außerhalb Ihrer Rathauswände bekommen: Ebenso einstimmig, wie Sie positiv über die rücksichtslose Rodung entschieden haben, wird das Ergebnis voller Unverständnis in der Bevölkerung Poings negativ beurteilt und abgelehnt. Vor lauter Ideologie „Radfahrern freie Fahrt zu verschaffen“ verdrängen Sie die Bedürfnisse aller anderen Teile der Poinger Bürger. Wir bestehen nicht nur aus rigorosen Radfahrern.
Wir hängen an den wenigen verbliebenen, gewachsenen Strukturen unserer Gemeinde und möchten neben den gerechtfertigten Bedürfnissen der Radfahrer auch eine Position einnehmen dürfen. Warum ist es Ihnen unmöglich, solche einschneidenden Entscheidungen über das Ortsbild in Zusammenarbeit mit den Bürgern zu treffen? Sie sind als unsere Vertreter gewählt und fungieren nicht um Ihrer selbst Willen.
Im Ergebnis haben Sie eine Komplett-Ablehnung in der Bürgerschaft erreicht. Mit einem Minimum an Einfühlungsvermögen oder flexibler stadtplanerischer Fähigkeit hätten Sie diese Neugestaltung für sich selbst und die Akzeptanz bei den Bürgern und Bürgerinnen nutzen können. Es gab ausreichend Platz, den alten Gehweg zu verbreitern und mit einer Linie Rad- und Fußweg voneinander zu trennen und räumlich von den Anwohnern zu entfernen. Es wäre auch möglich gewesen, den Radweg zwischen die beiden Baumreihen zu verlegen. Auch eine Teilabholzung wäre mit einigen erklärenden Worten von der Bevölkerung angenommen worden. Sie hätten einfach mit ein wenig Kompromissbereitschaft oder Flexibilität diese Neugestaltung als positive, umweltfreundliche Weiterentwicklung unter Ihrer Leitung für sich verbuchen können – stattdessen verpassen Sie uns eine Ohrfeige, die sich gewaschen hat. Bei der nächsten Kommunalwahl wird diese Aktion für mich – und gewiss auch für viele andere – im Hinterkopf bleiben.
Nicola Tauchert
Im April 2018 habe es eine öffentliche Veranstaltung zum Thema gegeben, in der auch das Verkehrskonzept erläutert und diskutiert worden sei. Außerdem verweist der Bürgermeister auf einen Mobilitätsworkshop am 8. Juni 2018, in dem verkehrliche Auswirkungen auf ganz Poing im Fokus standen und zu dem auch interessierte Bürgerinnen und Bürger eingeladen waren.

Bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Fahrradwege im Westring hat der Gemeinderat laut Thomas Stark „seit über einem Jahr in öffentlichen Gemeinderatssitzungen und Ausschüssen intensiv um die beste Lösung gerungen“. Es hätten ein intensiver Dialog und zahlreiche Einzelgespräche mit Anwohnern des Westrings und weiteren Interessierten stattgefunden. Stark: „Des Weiteren fand am 8. Juni 2022 mit Anwohnern des Westrings und der Dahlienstraße sowie mit dem Kleingartenverein eine Anliegerversammlung statt, bei dem der aktuelle Planungsstand erörtert wurde. Alle Anwesenden hatten im Rahmen der Veranstaltung erneut die Möglichkeit, Anregungen und Wünsche in das Projekt einzubringen. Hierauf wurde unter anderem in der Bürgerversammlung am 24. Mai 2022 hingewiesen und das Projekt erläutert.“
Nach dem einstimmigen Gemeinderatsbeschluss zum Umbau seien die notwendigen Rodungsarbeiten öffentlich angekündigt worden. Starks Fazit: „Interessierte Bürgerinnen und Bürger hatten über mehrere Jahre mehrfach die Gelegenheit, sich in das Projekt einzubringen. Dieses Angebot wurde jedoch lediglich von den Anwohnern des Westrings wahrgenommen.“

Wie Poings Bürgermeister schreibt, haben sich insgesamt vier Planungsbüros unabhängig voneinander damit befasst, ob Varianten möglich gewesen wären, die den Erhalt der Bepflanzung ermöglicht hätten. „Alle Planungsbüros kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass dies nicht umsetzbar ist.“ Aufgrund der Verkehrssicherheit sei dies nicht möglich gewesen.
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Die Einstimmigkeit des Gemeinderatsbeschlusses zeige, dass die Errichtung sicherer Fahrrad- als auch Fußgängerwege an dieser Stelle von Poing für jedes Gemeinderatsmitglied trotz aller Abwägungen um den Erhalt des Baumbestandes den Vorrang hatte. „Ich kann Ihnen versichern, dass diese Entscheidung jedem Mitglied des Gremiums und mir persönlich nicht leicht gefallen ist“, spricht Bürgermeister Thomas Stark die Leserbriefschreiberin Nicola Tauchert persönlich an.
Poing: Bürgermeister weist Vorwurf der Ideologie zurück
Sie hatte in ihrem Brief an den Bürgermeister und den Gemeinderat unter anderem geschrieben: „Vor lauter Ideologie, Radfahrern freie Fahrt zu verschaffen, verdrängen Sie die Bedürfnisse aller anderen Teile der Poinger Bürger. Wir bestehen nicht nur aus rigorosen Radfahrern.“
Darauf antwortet Stark in seinem Brief, den er am Freitag verschickt hat: „Es geht bei der Umsetzung dieser Planung nicht um irgendeine Ideologie, sondern schlicht um die Verkehrssicherheit von Radfahrern und Fußgängern entlang einer stark befahrenen Wohnsammelstraße, über die künftig etwa 6000 Einwohner erschlossen werden.“
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