Högl will Musterung für alle


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Von: Jens Kiffmeier

Keine Wehrpflicht, aber Musterung für alle: Die Bundeswehr soll Frauen und Männer wieder auf ihre Tauglichkeit prüfen – und so mehr Nachwuchs gewinnen.

Berlin – Seit mehr als zehn Jahren ist die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt. Doch nun beklagt die Bundeswehr ernsthafte Personalnot. Der Ausbruch des Ukraine-Krieges hat die Mangelwirtschaft schonungslos offengelegt. Jetzt sollen wieder mehr junge Menschen automatisch mit der Truppe in Kontakt gebracht werden. Denn die Wiedereinführung der Musterung soll das Nachwuchsproblem lösen. Kann das gelingen?

Musterung für Dienstjahr: Eva Högl (SPD) will Männer und Frauen für Bundeswehr gewinnen

Eva Högl (SPD) ist davon jedenfalls überzeugt. Die Wehrbeauftragte ist mit dem Vorschlag vorgeprescht, alle Frauen und Männer im wehrfähigen Alter verpflichtend zur Musterung zu bitten. „Man könnte wie in Schweden einen gesamten Jahrgang junger Leute für die Bundeswehr zur Musterung einladen. Und sie dann, sofern sie wehrfähig sind, selbst entscheiden lassen, ob sie sich engagieren wollen oder nicht“, sagte sie dem Nachrichtenportal t-online.de. Diese Musterung sollte sich dann an alle Geschlechter richten, forderte Högl.

Fordert eine Musterung für alle: Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) will so die Personalprobleme der Bundeswehr lösen.
Fordert eine Musterung für alle: Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) will so die Personalprobleme der Bundeswehr lösen. © Michael Kappeler/dpa/Ipon/imago/Montage

Eine Rückkehr zur Wehrpflicht schloss sie zugleich aber aus. Die Aussetzung zurückzunehmen, „hilft überhaupt nichts“, sagte sie. Denn dafür habe die marode Bundeswehr weder die Ausbilder, noch die Infrastruktur. Sie könne sich aber vorstellen, ein verpflichtendes Dienstjahr für Deutschland einzuführen. Dies könne dann im militärischen oder im zivilen Bereich abgeleistet werden, sprich bei der Bundeswehr, im Krankenhaus, beim Katastrophenschutz oder in anderen sozialen Einrichtungen.

Soll die Wehrpflicht 2023 wieder eingeführt werden? Scholz und Pistorius sind dagegen

Die Reaktivierung der Wehrpflicht oder die Einführung eines allgemeinen Dienstjahres bleibt in Deutschland aber weiter umstritten. Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD) haben sich bereits klar gegen ein Comeback der Wehrpflicht ausgesprochen. Pistorius machte aber im Februar deutlich, dass er gute Argumente für eine allgemeine Dienstpflicht zur Stärkung von Katastrophenschutz, Bundeswehr und Rettungsdiensten sieht. Die jungen Menschen müssten in der Frage gehört werden, sagte er laut einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa.

Wehrpflicht abgeschafft?

Eine Abschaffung der Wehrpflicht wurde in Deutschland nicht vorgenommen. Rein rechtlich ist die Wehrpflicht nur ausgesetzt worden. 2011 hatte der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) diesen Schritt gewagt. Auch wenn die Wehrpflicht offiziell damit nicht abgeschafft worden ist, gilt der Wehr- oder Zivildienst in der Praxis als nicht mehr vorhanden. Eine Wiedereinführung wäre dadurch aber durchaus möglich.

Die FDP meldete indes rechtliche und politische Bedenken gegen eine solche Dienstpflicht an. Zum einen fehlt es mittlerweile an Kreiswehrersatzämtern, die im Zuge der Bundeswehrreformen abgeschafft worden sind. Zum anderen ist nicht klar, ob wirklich alle Frauen und Männer verpflichtet werden können.

Dienstjahr statt Wehrpflicht: CDU wirbt für ein Gesellschaftsjahr

In der Opposition hat man indes weniger Bedenken. So hatte sich die CDU im September auf ihrem Parteitag in Hannover für die bundesweite Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahrs ausgesprochen. Wo die jungen Menschen den Dienst absolvieren können, solle möglichst flexibel ausgelegt werden, „sei es bei sozialen Einrichtungen, in Krankenhäusern, bei der Bundeswehr, im Zivilschutz beim THW oder bei der Feuerwehr, über anerkannte Hilfsorganisationen im Ausland oder im Sport und in der Kultur oder bei Natur- und Umweltschutzverbänden“. Zuvor hatte bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor rund einem Jahr eine Debatte über die Einführung einer sozialen Pflichtzeit angestoßen.

Der Handlungsdruck ist jedenfalls groß. Denn die Bundeswehr ist nach allgemeiner Einschätzung in einem katastrophalen Zustand. Nachdem die Streitkräfte nach Ende des Kalten Krieges nach und nach zu einer schlanken Armee für Auslandseinsätze umgebaut worden war, wurden die Fähigkeiten zur Landesverteidigung vernachlässigt. Der Ukraine-Krieg legte dann die Mängel bei Panzern, Luftabwehr und anderen Waffensystemen offen. Die Armee stehe „blank da“, schlug der Generalinspekteur des Heeres, Alfons Mais, kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges Alarm – weswegen die Bundesregierung ein 100-Milliarden-Euro-Programm auflegte, um die Missstände zu beseitigen.

Zu wenig Soldatinnen und Soldaten: Pistorius beklagt Personalnot bei der Bundeswehr

Doch neben Waffen fehlt es auch an Personal. Zuletzt lockte die Bundeswehr immer weniger junge Leute an. Zwar soll der Personalstand bis zum Jahr 2031 aufgestockt werden. Doch erst vor wenigen Tagen deutete Pistorius an, dass das Ziel verfehlt werden könnte. „Ich wage keine Prognose, ob wir die Zahl erreichen können“, sagte der Verteidigungsminister bei einem Besuch im Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr in Köln. Seit der Corona-Pandemie gebe es einen starken Einbruch bei den Bewerberzahlen. Man arbeite daran, dieses Tal zu verlassen. Als Gründe nannte er etwa den Fachkräftemangel und den demografischen Wandel. Bei der Bundeswehr gibt es aktuell rund 183.000 Soldatinnen und Soldaten. (jkf/mit Material der dpa)



Quellenlink https://www.merkur.de/politik/bundeswehr-musterung-2023-dienstjahr-militaer-wehrpflicht-abgeschafft-deutschland-wiedereinfuehrung-92317785.html