Grüne und Linke fordern Reform, die sie selbst versäumt haben


In Berliner Haftanstalten haben sich in diesem Jahr bereits sieben Gefangene das Leben genommen. Dies wurde am Mittwoch bei der Sitzung des Rechtsausschusses des Abgeordnetenhauses am Mittwoch bekannt.

Grüne und Linke, die ab Ende 2016 die Möglichkeit hatten, etwas gegen Suizide in den Haftanstalten zu tun, stellten schon im Sommer einen gemeinsamen Antrag, der am Mittwoch im Rechtsausschuss behandelt wurde.

Dem Antrag mit der Drucksachen-Nummer 19/1085 zufolge soll der Senat die bestehenden Suizidpräventionsmaßnahmen im Justizvollzug weiterentwickeln. Der Antrag enthält mehrere Anregungen – neben der Überprüfung vorhandener Konzepte der Suizidprävention etwa den Abbau von Strangulationsmöglichkeiten wie der Entfernung der Fenster-Innengitter, Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten der Gefangenen mit dem Personal insbesondere in den Nachtzeiten und des Haftraummediensystems, um digital kommunizieren zu können.

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In der Haftanstalt Tegel sei zwar ein Neubau geplant, aber die bisherigen Teilanstalten müssten dringend saniert werden, sagte Petra Vandrey (Grüne). „In der Teilanstalt II hat man das Gefühl, man geht durch einen Kerker“, sagte sie weiter und zählte unter anderem nicht abgetrennte Toiletten auf, niedrige Türen, unter denen man sich bücken müsse, und Haftraumtüren, die nicht von innen abschließbar seien. Sie habe von Häftlingen gehört, die sich vom Personal einschließen ließen, aus Angst vor anderen Häftlingen, sagte Vandrey.

Laut dem Antrag, den Grüne und Linke stellten, soll der Senat besonderes Augenmerk auf die psychosoziale Betreuung der Gefangenen legen. Man müsse alles tun, um Suizide zu vermeiden, so Vandrey. „Es nehmen sich auch junge Menschen das Leben.“ Nach ihren Worten war darunter auch ein Häftling, der eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe abzusitzen hatte.

Gefangenengewerkschaft empfiehlt feste Teams aus Sozialarbeitern

In den Berliner Haftanstalten kam es seit dem Jahr 2012 zu insgesamt 54 Suiziden. Den Höchststand gab es 2020 mit neun Suiziden.

Von 2016 bis 2021 stellten die Grünen mit Dirk Behrendt den Justizsenator in Berlin, der in seiner Funktion zuständig für den Strafvollzug ist. Von Dezember 2021 bis Ende April 2023 dieses Jahr stellte die Linkspartei mit Lena Kreck die Justizsenatorin. Und so kam aus der CDU auch der Hinweis, dass diese beiden Parteien die Gelegenheit gehabt hätten, entsprechende Verbesserungen einzuleiten.

In der Anhörung des Rechtsausschusses berichtete Manuel Matzke von der 2014 in Berlin gegründeten Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation von einem Fall, der sich jüngst in der JVA Tegel zugetragen haben soll. Dort habe sich ein Gefangener als homosexuell geoutet, sagte Matzke. „Er wurde von der Berliner Justiz nicht geschützt, sodass andere Gefangene immer stärkeren Druck auf ihn ausübten und er Suizid in Erwägung gezogen hat.“ Es brauche Schutz und Menschlichkeit, so Matzke. „Wir können Suizidpräventionspläne erstellen, aber wir können den Menschen nicht in den Kopf gucken.“ In anderen Bundesländern gebe es Anstalten mit Wohngruppen-Vollzug, um das Leben menschenwürdiger zu gestalten, sagte er. Dort gebe es feste Teams aus Sozialarbeitern und Psychologen, in denen das Personal nicht ständig wechsele. „Nur feste Teams können erkennen, ob sich ein Gefangener verändert hat“, sagte Matzke.

Hilfe-Nummern

Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote:

Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis sonnabends von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Sonnabend nehmen die jungen Berater des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an. nummergegenkummer.de.

Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de



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