Glasspezialist Schott bereitet Börsengang der Pharmasparte vor



Mainz Für Frank Heinricht sind Quartalsberichte und Investorenkonferenzen Neuland. Der Chef des Mainzer Stiftungsunternehmens Schott muss sich ab dem kommenden Jahr auf neue Abläufe einstellen, wenn alles nach Plan läuft. Denn Heinricht will das Geschäft mit Pharmaverpackungen an die Börse bringen. „Das bedeutet, dass auch wir uns umstellen müssen“, sagte der 60-Jährige dem Handelsblatt.

Die Vorbereitungen für den Börsengang laufen. Als Banken wurden bereits die Deutsche Bank, die Bank of America und BNP Paribas mandatiert, heißt es in Finanzkreisen. Jetzt folgt die rechtliche Ausgründung der Sparte. Sie heißt seit dem 1. August Schott Pharma AG & Co. KGaA und ist eigenständig.

Bis Ende des Jahres soll dieser Prozess abgeschlossen sein. „Wir haben uns bewusst für diese Rechtsform entschieden, sie sichert uns als Komplementär etwas mehr Mitspracherechte zu“, sagt Heinricht. Und verweist auf erfolgreiche Unternehmen mit derselben Rechtsform wie Merck, Fresenius und Henkel.

Wie viele Anteile Schott am Ende an Investoren abgeben will, „hängt auch von den Rahmenbedingungen ab“, sagt Finanzchef Jens Schulte. Die Mehrheit soll aber in jedem Fall beim Stiftungsunternehmen verbleiben. Nach Angaben aus Finanzkreisen kann sich das Schott-Management vorstellen, auch eine Sperrminorität, also 25 Prozent plus eine Aktie, an der neuen Gesellschaft zu platzieren.

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Die Pharmasparte von Schott fertigt aus Glas zum Beispiel Ampullen und Pharmafläschchen – unter anderem die, in denen der Covid-Impfstoff verteilt wird. Mittlerweile verwendet das Unternehmen im Pharmabereich aber auch Kunststoff. Die Sparte setzte im abgelaufenen Fiskaljahr (bis September 2021) 650 Millionen Euro um. Die Fertigung der Glasrohre, aus denen die Verpackungen dann hergestellt werden, wird nicht mit ausgegründet und bleibt bei Schott.

Sparte könnte bis zu vier Milliarden Euro wert sein

Zum Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) will Finanzchef Schulte nichts sagen. Das Geschäft sei aber hochprofitabel. Laut Finanzkreisen könnte die Sparte bis zu vier Milliarden Euro wert sein – eine Zahl, die Heinricht unkommentiert stehen lässt.

Rechnerisch könne Schott bei einem Verkauf von 25 Prozent der Anteile also bis zu eine Milliarde Euro einnehmen. Geld, das der Konzern eigentlich nicht braucht. „Auf Konzernebene gibt es keinen Druck, die Pharmaverpackungen an die Börse zu bringen“, sagt Heinricht. Wohl auch ein Hinweis an interessierte Investoren, dass das Management den Börsengang nicht um jeden Preis durchziehen wird, auch wenn er das bevorzugte Szenario sein dürfte.

Tatsächlich ist Schott gut finanziert. Das Eigenkapital stieg im abgelaufenen Fiskaljahr von 997 Millionen auf 1,35 Milliarden Euro, die Eigenkapitalquote erreichte 41,3 Prozent – Tendenz weiter steigend, wie Finanzchef Schulte betont.

Deshalb bereitet Schott nach Informationen aus Finanzkreisen auch Alternativen vor, sollten die Umstände Anfang 2023 keinen Börsengang zulassen. So könnte auch ein institutioneller Investor einsteigen, etwa ein Pensionsfonds. Private Equity dagegen ist für Schott wohl keine Option, in Bankenkreisen wird berichtet, das passe für die Mainzer nicht zur eigenen Führungskultur. Zudem könne die Pharmasparte durchaus auch noch länger im Vollbesitz von Schott bleiben.

Dass Schott den Börsengang trotz der aktuell unruhigen Lage und einer soliden Bilanz anpeilt, hat Gründe. „Wir haben in allen Geschäftsbereichen noch viele Ideen, die wir finanzieren wollen“, sagt Heinricht.

Frank Heinricht

Der Vorstandsvorsitzende des Spezialglasherstellers Schott will mit dem Teilverkauf der Pharmasparte Innovationen finanzieren.


(Foto: SCHOTT AG)

Schott hat zum Beispiel biegsames Ultradünnglas für Klapphandys entwickelt und will damit in weitere Anwendungsgebiete in der Unterhaltungselektronik einsteigen. Auch im Haushaltsbereich – Schott erfand in den 1970er-Jahren das Ceran-Kochfeld – gibt es laut Heinricht noch viele Pläne. Und das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden, kostet ebenfalls Geld.

Das Unternehmen, das zu 100 Prozent der Carl-Zeiss-Stiftung gehört, investiert schon jetzt viel. 450 Millionen Euro sind es im laufenden Geschäftsjahr, das sind rund 18 Prozent des Konzernumsatzes im Vorjahr. Allein in das Pharmageschäft fließt ein dreistelliger Millionenbetrag.

„Wir sehen in der Sparte ein großes Wachstumspotenzial“, sagt Heinricht. In China werde derzeit eine neue Produktion für den dortigen Markt errichtet. In Europa entsteht in Ungarn ein neues Werk. Und in den USA wird die Produktionskapazität für sterile Fläschchen verdreifacht. „Das ist Teil unserer Strategie, eine global ausbalancierte Produktionsstruktur zu haben“, sagt Heinricht.

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Zudem gebe es neue Absatzchancen durch die neue mRNA-Technologie, die etwa bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen eingesetzt wurde. Diese Wirkstoffe müssen häufig stark gekühlt werden, für Glasspritzen ein Problem. Doch die von Schott entwickelten Kunststoffspritzen eignen sich nach Heinrichts Worten sehr gut für solche Anwendungen.

Diese Pläne will Schott auch über den Verkauf von Anteilen finanzieren. „Über einen Börsengang bekämen wir neue Finanzierungsmöglichkeiten für organisches und auch anorganisches Wachstum im Pharmabereich“, sagt Finanzchef Schulte. Denn die Aktien der neuen Gesellschaft könnten auch als Akquisitionswährung genutzt werden.

Nicht zuletzt würde sich der Börsengang der Pharmaverpackungen für die Carl-Zeiss-Stiftung lohnen. Deren Dividende bemisst sich unter anderem am Eigenkapital von Schott, das deutlich steigen würde. Keine Überraschung also, dass von dort Unterstützung kommt. „Die Stiftung begrüßt die Pläne, auch weil sich so neue Wachstumsperspektiven ergeben“, sagt Heinricht.

Mehr: Schott-Chef Frank Heinricht: Dieser Manager biegt Glas.



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