Frauen leider stärker – aber sie sind nicht nur Opfer


Die Klimakrise betrifft alle, aber nicht alle gleich. Gerade Frauen sind stark betroffen.
Frauen in Ländern des globalen Südens sind ihr oft schutzlos ausgeliefert. Frauen und Mädchen sterben bei einer Naturkatastrophe mit 14- Mal höherer Wahrscheinlichkeit als Männer, heißt es in einem Bericht von UN Women. Sie können seltener schwimmen, Warnungen erreichen sie zu spät, weil sie sich zu Hause aufhalten, sie kümmern sich um Angehörige und schaffen es nicht mehr, rechtzeitig zu fliehen. Einer Untersuchung der Hilfsorganisation Oxfam zufolge waren beim Tsunami 2004 in Asien 70 Prozent der Todesopfer Frauen. Vier Mal so viel wie Männer.
Frauen auch in Deutschland stärker von Klimakrise betroffen
Laut UN Women, der Unterorganisation der Vereinten Nationen für Gleichstellung und Frauenförderung, sind zudem bis zu 80 Prozent der 21,5 Millionen Menschen, die aufgrund von klimabedingten Katastrophen fliehen, Frauen: „Bei Dürre, Wassermangel oder Waldsterben müssen Frauen und Mädchen noch längere Strecken zurücklegen, um Wasser oder Brennholz zu holen. Diese Mehrarbeit geht häufig mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und erhöhtem Risiko für sexualisierte und körperliche Gewalt einher. In Ostafrika müssen Frauen oft mehr als zehn Kilometer laufen auf der Suche nach Wasser.“ Diese Aufgaben behindern auch ihre Bildung und Emanzipation.
In Deutschland sind laut verschiedenen Studien Frauen ebenfalls stärker von der Klimakrise betroffen. Steigende Preise für Energie und Lebensmittel treffen vor allem Geringverdienende, alleinerziehende Mütter und ältere Frauen. Und wie in ärmeren Ländern weisen in Deutschland Frauen einen kleineren CO2-Ausstoß auf als Männer. Da Frauen weniger verdienen, haben sie insgesamt einen geringeren ökologischen Fußabdruck.
Frauen leben nachhaltiger
Frauen leben aber auch aus Überzeugung nachhaltiger. Laut einer Umfrage des Bundesumweltministeriums von 2020 zeigen sich Frauen umwelt- und klimabewusster. „Der Forderung nach mehr Umwelt,- Natur- und Klimaschutz stimmen 70 Prozent der Frauen und 52 Prozent der Männer zu“. Frauen fahren weniger Auto, essen deutlich weniger Fleisch und kaufen eher Bio-Lebensmittel.
Frauen sind also nicht nur Opfer der Klimakrise, sie sind auch treibende Kraft des Wandels. In den 70er Jahren entstehen verschiedene Frauenbewegungen, die für „Umweltgerechtigkeit“ kämpfen. Die indische Umweltaktivistin und Feministin Vandana Shiva erzählt in ihrem Buch „Staying alive“ die Geschichte der Chipko-Bewegung: Ein von Frauen getragener Protest, der sich zwischen 1973 und 1980 gegen die kommerzielle Ausbeutung der Wälder im Norden Indiens richtete.
Um die Abholzung zu verhindern, umklammerten Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner die Bäume. Der Name Chipko stammt vom Hindi-Wort für „festhalten“ oder „dranbleiben“. „Der Wald ist deren Lebensunterhalt“, erklärt Shiva online auf „Un Podcast à soi“. Somit vereinten sie Arbeit, Mensch und Umwelt. „Den Holzfällern wird mitgeteilt: ‚Ihr müsst uns töten, bevor ihr die Bäume fällen könnt‘. Diese Macht ist sehr tiefgreifend“, so Shiva.
Frauen werden aufgrund ihres Geschlechts und ihres Aktivismus getötet
Nach dem Vorbild der Chipko-Bewegung setzen sich Frauen weltweit für den Erhalt von Ökosystemen und Biodiversität ein. Sie wehren sich gegen illegalen Holzabbau im Amazonas-Regenwald. Sie stellen sich entschlossen der Bergbauindustrie und Zuckerrohr-Agrarfirmen in Uganda entgegen. In Kanada übernachten indigene Aktivistinnen in Zeltlagern, um den Bau von gefährlichen Gaspipelines zu verhindern. Kämpfe, die sie oft mit ihrem Leben bezahlen. Das Kollektiv „Femmes à abattre “ (Frauen zum Abschießen) befasst sich mit politisch motivierten Femiziden, insbesondere von Umweltschützerinnen. Seit 2010 musste man fast 300 politische Femizide dokumentieren. Alle diese Morde weisen das gleiche Merkmal auf: Frauen werden aufgrund ihres Geschlechts und ihres politischen oder militanten Aktivismus getötet, weil sie sich für ein Anliegen einsetzten. „Es gibt wirklich diese Absicht, sie zum Schweigen zu bringen“, schreiben die Autor:innen einer Abattre-Studie.
Laut einem Report der NGO „Global Witness“ wurden 2019 weltweit mindestens 212 Umweltaktivist:innen getötet. Die meisten Morde wurden in Kolumbien, auf den Philippinen und in Brasilien verübt. Besonders betroffen sind Frauen. In Deutschland können Klimaaktivistinnen zwar ihre Regierung kritisieren und auf die Straße gehen, ohne um ihr Leben fürchten zu müssen, aber sie sind Gewalt ausgesetzt. Auch im Internet sind sie Opfer von Hasstiraden, Sexismus und Mobbing.
Bedrohung von Umweltschützerinnen nimmt überall zu, legt eine Studie der EU offen. Die Reaktion auf ihre Protestaktionen – sei es von der „Letzten Generation“ oder „Fridays for Future“ – sind maßlos und feindselig. Man wirft ihnen Totschlag vor, stellt sie mit Terrorgruppen gleich und führt Hetzkampagnen. Klimaaktivistinnen werden oft nicht gehört oder ernst genommen. Geschweige denn geschützt.