Frankfurter Buchmesse 2022 – Gute Bücher, böse Bücher


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine vor “verlogenen” Büchern und Schriften gewarnt. Steinmeier sagte bei der Eröffnungsfeier der 74. Frankfurter Buchmesse laut Redemanuskript: “Es gibt schlimme und verlogene Bücher, es gibt zum Bösen, zur Feindschaft, zur Unmenschlichkeit verführende Schriften.” Es gebe keinen Krieg “ohne Pamphlete, ohne selbstrechtfertigende Reden, ohne Kampfschriften, ohne hasserfüllte Bücher und Artikel”.

Kampf gegen die mörderische Lüge

Der Bundespräsident sagte, die Zerstörung von Bibliotheken und Verlagen in der Ukraine müsse alle zur Hilfe motivieren. Materielle Hilfe für den Wiederaufbau von Buch- und Verlagswesen sei ein Dienst an der Wahrheit: “ein Akt im Kampf gegen die mörderische Lüge und für die Aufklärung”. Er äußerte die Hoffnung, dass die Buchmesse zum “Lichtblick in unserer oft dunklen Gegenwart” wird.

Steinmeier sprach auch über gute Bücher. Die Verheißung eines guten Buches sei, dass die Welt lesbar sei, also verständlich, erklärbar und der Vernunft zugänglich. “Es sind die Bücher, die uns die Welt und ihren jeweiligen Zustand kritisch sehen lassen, die uns dialog- und diskutierfähig machen, die uns den immer großen Unterschied deutlich machen zwischen der Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte oder sein sollte.”

Steinmeier würdigt die Buchmesse

Der Bundespräsident würdigte auch die Rolle der Buchmesse. “Die Frankfurter Buchmesse ist ein bedeutendes kulturelles, aber auch soziales und politisches Ereignis, ohne das unser Land, unsere Kulturnation im Grunde gar nicht zu denken wäre”, betont er.

Nach zwei Jahren Corona kehrt die Messe dieses Jahr wieder zu alter Normalität zurück. Verlage, Autoren und Besucher atmen auf, weil nun wieder der normale Messebetrieb möglich ist.

Zuletzt hatte die Buchmesse nur digital beziehungsweise eingeschränkt in Präsenz stattfinden können. Nun sind wieder mehr als 4.000 Aussteller aus rund 95 Ländern zu Gast. An den fünf Messetagen sollen rund 1800 Veranstaltungen stattfinden.

Schwerpunktland Spanien

Gastland ist in diesem Jahr Spanien, ein zweites Mal nach 1991. Das Land wird von einer großen, 200 Personen starken Delegation vertreten, um die heimische Literatur und Vielsprachigkeit zu präsentieren. Der spanische König Felipe und seine Frau Letizia nahmen zusammen mit Bundespräsident Steinmeier an der Eröffnung teil.

Anwesend war auch der Schriftsteller Antonio Muñoz Molina, der nach dem Tod von Javier Marías als bedeutendster lebender Romanautor seines Landes gilt. Irene Vallejo ist in der iberischen Welt das erstaunlichste literarische Phänomen der letzten drei Jahre. Ihr Buch “Papyrus”, ein farbig erzählter Streifzug durch die Bücherwelt der Antike, hat sich allein in Spanien mehr als 400.000 Mal verkauft und Leser in gut 35 Ländern gefunden. 

Ukrainische Verlage hoffen auf mehr Interesse

Die Rückkehr zur Normalität wird von Russlands Krieg in der Ukraine überschattet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll am 20. Oktober eine Videobotschaft an das Publikum der Buchmesse richten.

Zudem wird der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan zum Autorengespräch erwartet. Er wird zum Abschluss der Messe am Sonntag mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt.

Die ukrainischen Verlage hoffen, auf der Messe von dem weltweit gestiegenen Interesse an der Literatur ihres Landes zu profitieren. Dass ausländische Verleger mehr Lizenzen zum Übersetzen ukrainischer Werke erwerben, sei sehr wichtig für die vom Krieg schwer angeschlagene Buchbranche, sagt die Direktorin des Ukrainischen Buchinstituts, Oleksandra Kowal. Der Präsident der Schriftstellervereinigung PEN Ukraine, Andrej Kurkow, erwartet ebenfalls, dass die Nachfrage nach ukrainischer Literatur weiter wächst.

Ehrung für den Roman “Blutbuch”

Am Montagabend erhielt Kim de l’Horizon bereits bei einem Festakt im Kaisersaal des Frankfurter Römers den Deutschen Buchpreis 2022 für den Roman „Blutbuch“. Damit geht die renommierte Auszeichnung das erste Mal in der Geschichte des Buchpreises an eine Person, die sich als nonbinär bezeichnet.

Buchpreis an Kim de l´Horizon

Die Preisverleihung hatte eine spektakuläre Note. Während der Dankesrede rasierte Kim de l’Horizon sich die Haare ab und sagte unter tosendem Applaus: “Dieser Preis ist nicht nur für mich. Ich denke, die Jury hat diesen Text auch ausgewählt, um ein Zeichen zu setzen gegen den Hass, für die Liebe, für den Kampf aller Menschen, die wegen ihres Körpers unterdrückt werden. Dieser Preis ist offensichtlich auch für die Frauen im Iran, zu denen wir alle schauen.”

Die Islamische Republik Iran hatte ihre Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse abgesagt. Als Grund für den Rückzug wurde die Annahme genannt, die Buchmesse könne sich in innere Angelegenheiten des Landes einmischen.

Iran ist auf der Buchmesse nicht vertreten

Der deutsch-iranische Verleger Madjid Mohit sieht darin ein gutes Zeichen: Die Absage zeige, dass die iranische Regierung die seit Wochen anhaltenden Proteste im Land sehr ernst nehme, sagt er. Das Regime befürchte offenbar, auf der Buchmesse heftigen Gegenwind zu bekommen, da die Protestbewegung auch außerhalb des Irans inzwischen viel Unterstützung erfahre.

Kulturaustausch bleibt möglich

Die Chance zum Kulturaustausch gehe der Messe dadurch nicht verloren. Das vom Iran in den vergangenen Jahren auf der Buchmesse präsentierte Programm habe “mit Autoren, die frei denken und frei schreiben möchten”, ohnehin nichts zu tun gehabt, so Mohit.

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