Fischsterben in der Oder: „Goldalge“ soll verantwortlich sein



Wien Am Freitag hat sich der Verdacht dazu erhärtet, was das Fischsterben im polnisch-deutschen Grenzfluss Oder verursacht haben könnte. Als mögliche Ursache der Katastrophe haben polnische Wissenschafter eine Algenart mit dem wissenschaftlichen Namen Prymnesium parvum identifiziert – umgangssprachlich auch „Goldalge“ genannt. Das hat Polens Umweltministerin Anna Moskw via Twitter bekannt gegeben.

Bereits zuvor hatten deutsche Forscher vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie in der Algenart eine mögliche Ursache für das Desaster gesehen, welche das Ökosystem des Flusses wohl auf Jahre hinaus geschädigt hat. Am Freitagnachmittag wurden die Forscher dann konkreter: Man könne derzeit die Massenentwicklung einer potenziell giftigen Alge beweisen, schrieb das Institut. Die Art und die Konzentration der eventuellen Toxine würden aber erst in einigen Tagen feststehen.

Die Alge ist eine invasive Art und gedeiht besonders gut in stark salzhaltigem Wasser. Ihr Name ist etwas unspezifisch, da mit dem Namen „Goldalge“ auch zahlreiche weitere Arten bezeichnet werden können, die sich stark von der nun gefundenen Art unterscheiden. Das Gift der in der Oder entdeckten Art töte Fische und Muscheln, schreibt die Ministerin Moskwa auf Twitter. Jüngst war die Rede davon, dass freiwillige Helfer bisher an der Oder über 100 Tonnen toten Fisch zusammengelesen hätten.

Tatsächlich wird in der Oder seit zwei Wochen ein unnatürlich hoher Salzgehalt gemessen. Die Frage ist allerdings, warum dieses Phänomen gerade jetzt aufgetreten ist. Salz fließt nämlich in mehr oder weniger großen Mengen ständig in die Oder. Wahrscheinlich sei es wegen des niedrigen Wasserstandes jüngst aber nicht so stark verdünnt worden wie in normalen Zeiten, sagte Jan Köhler vom Leibniz-Institut.

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Wissenschaftler mutmaßen aber auch, dass von außen weiteres Salz in die Oder gelangt sein könnte – woher, ist allerdings unklar.

Bisher keine klare Ursache für Fischsterben identifiziert

Seit mindestens einer Woche äußern Politiker und Wissenschaftler unterschiedliche Ansichten dazu, was die Ursache der Katastrophe sein könnte. Für das polnische Umweltministerium hatten bisher drei Vermutungen im Vordergrund gestanden.

Die erste lautet, dass Giftstoffe aus industrieller Produktion in den Fluss gelangt seien. Dann existiert zweitens die These, dass der niedrige Wasserstand zu einer hohen Konzentration an schädlicher Verschmutzung geführt habe. Drittens spricht das polnische Ministerium generell von Industrieabfällen. Dagegen schließt Ministerin Moskwa mittlerweile aus, dass Quecksilber das Fischsterben verursacht habe. Diesen ersten Verdacht kann man laut der Ministerin nach toxikologischen Untersuchungen ausschliessen.

Gleichzeitig kann derzeit offenbar nicht viel gegen die Katastrophe unternommen werden. Iwona Jasser von der Universität Warschau meinte in diversen Medienberichten, man müsse sich wohl gedulden, bis ein stärkerer Wasserdurchfluss das Gift verdünne.

Derweil hat die Regierung der polnischen Provinz Westpommern das Verbot, Wasser aus der Oder zu verwenden, bis zum 25. August verlängert. Es ist untersagt, im Fluss zu schwimmen; das Wasser darf auch nicht für das Tränken von Tieren oder das Bewässern von Pflanzen genutzt werden.

Anna Moskwa und Steffi Lemke

Der polnischen Seite werfen die deutschen Behörden vor, nicht rechtzeitig über das Fischsterben informiert zu haben.



(Foto: dpa)

Die Umweltkatastrophe belastet das ohnehin angespannte Verhältnis von Deutschland und Polen. Die ersten toten Fische wurden angeblich Ende Juli bei der polnischen Stadt Olawa in Niederschlesien gefunden. 

Befremdet sind vor allem deutsche Politiker, die dem Nachbarn Polen vorwerfen, nicht rechtzeitig über die Lage informiert zu haben. „Die Frage der deutsch-polnischen Zusammenarbeit hat an dieser Stelle ganz offensichtlich nicht funktioniert“, sagte Deutschlands Umweltministerin Steffi Lemke vor einer Woche. Mit Moskwa habe sie vereinbart, dass die Ergebnisse der Experten gemeinsam ausgewertet würden.

Die Umweltkatastrophe sorgt allerdings auch in Polen für Unruhe. In 14 Monaten finden im Land Parlamentswahlen statt. Die Regierung steht bereits unter starkem Druck, weil sich die wirtschaftlichen Aussichten jüngst stark eingetrübt haben. Das letzte was sie derzeit brauchen kann, ist ein noch größerer Berg an Problemen.

Polnischer Ministerpräsident reagiert mit harten Worten auf Oder-Katastrophe

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat jedenfalls mit harten Worten auf die Katastrophe reagiert. Man werde die Schuldigen dieses ökologischen Verbrechens finden und sie sie so hart wie möglich bestrafen, schrieb er auf Facebook. Die Regierung hat 1 Million Zloty (209.000 Euro) reserviert, um jene zu belohnen, die der Verwaltung einen Hinweis zu den Ursachen der Katastrophe geben. Gleichzeitig hat die Regierung die Chefs der polnischen Wasseramts und der Umweltbehörde entlassen.

In Polen nährt das wieder einmal Zweifel an den Fähigkeiten der Verwaltung. Zu Beginn des Jahres mündete bereits eine angekündigte Steuerreform in einem Chaos. Oppositionspolitiker kritisieren immer wieder, dass die Regierungspartei PiS zu viele Sympathisanten und Mitglieder in den Ämtern untergebracht habe, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen seien. Auch sei gerade das Wasseramt nicht mit ausreichend Geld ausgestattet.

Solange die Ursache der Katastrophe nicht geklärt ist, bleibt auch die Frage offen, wie hoch die finanziellen Schäden sind und wer am Schluss für sie aufkommen wird. Fischereiverbände haben angekündigt, über Klagen zu beraten Der Polnische Anglerverband twitterte, dass die Katastrophe durch einen „Mangel an Kompetenz, Engagement und Handlungsfähigkeit des Staates“ ausgelöst worden sei.

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