EU einigt sich auf Kompromiss – schärfere Kontrollen an Außengrenzen

Die EU-Staaten haben sich auf den letzten Baustein der umstrittenen Asylreform verständigt. Vertreter der Mitgliedsländer machten am Mittwoch in Brüssel den Weg für die sogenannte Krisenverordnung frei, wie die spanische Ratspräsidentschaft und Diplomaten bestätigten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem „historischen Wendepunkt“.
Die Krisenverordnung sieht verschärfte Maßnahmen vor, wenn durch besonders viele Migranten eine Überlastung der Asylsysteme droht. Auch Migranten mit eigentlich guten Asylchancen sollen dann Verfahren direkt an den EU-Außengrenzen durchlaufen, auf die sich die Mitgliedsländer im Grundsatz bereits im Juni geeinigt hatten. Die Menschen könnten dort zudem bis zu 40 Wochen festgehalten werden.
Des Weiteren sollen Solidaritätsmechanismen gegenüber dem Mitgliedstaat greifen, der mit der Ankunft der Flüchtlinge konfrontiert ist. Das bedeutet, dass andere EU-Länder dem Staat in der „Krise“ finanziell beispringen oder ihm Migranten abnehmen.
Italien und Deutschland streiten über Seenotrettungs-Organisationen
Streit gab es zuletzt zwischen Deutschland und Italien um die Rolle privater Seenotrettungs-Organisationen im Mittelmeer. Italien wirft den Flüchtlingshelfern vor, noch mehr Migranten in das Land zu bringen. Rom warf zudem der Bundesregierung vor, die Seenotretter teils finanziell zu unterstützen.
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„Die italienische Position hat sich durchgesetzt“, sagte nun Regierungschefin Giorgia Meloni dem Fernsehsender Sky TG24. Deutschland habe den umstrittenen Absatz aus dem Gesetzestext zurückgezogen. Diplomaten zufolge besagte er, dass mehr aus Seenot gerettete Menschen nicht für das Ausrufen des Krisenfalls herhalten dürften.
Deutsche Regierungskreise widersprachen der italienischen Darstellung: „Wir haben gegen starken Widerstand erfolgreich dafür gesorgt, dass Einsätze zur Lebensrettung vom Regelungsbereich der Krisenverordnung ausgenommen sind und es zu keiner Verschärfung geltenden EU-Rechts kommt. Damit können die Einsätze von zivilen Seenotrettern nicht als Vorwand genutzt werden, um die Krisenverordnung zu aktivieren“, hieß es in Berlin.
Olaf Scholz ist zuversichtlich, dass illegale Migration eingedämmt wird
Bundeskanzler Scholz begrüßte die Reform: Sie werde „irreguläre Migration in Europa wirksam begrenzen und Staaten wie Deutschland dauerhaft entlasten“, schrieb er im Onlinedienst X, ehemals Twitter. Berlin hatte die Krisenverordnung wegen humanitärer Bedenken lange blockiert, vergangene Woche aber erstmals Zustimmung signalisiert.
Die Bundesregierung habe „hart und erfolgreich darum gerungen, dass es nicht zu einer Aufweichung von humanitären Mindeststandards wie dem Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung kommt“, erklärte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Mit der Einigung sei sichergestellt, dass die Krisenverordnung „nur in sehr stichhaltig begründeten Fällen“ zum Einsatz kommt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, sie sei sehr froh, „dass wir unsere Vorstellungen von Menschlichkeit und Ordnung durchsetzen konnten“. Wichtige Änderungen seien auf deutsche Initiative hin nun umgesetzt worden. „Es gibt keine Herabsetzung von humanitären Standards bei der Aufnahme in Krisensituationen“, erklärte Faeser. Es müsse immer eine lückenlose Registrierung aller ankommenden Menschen sichergestellt sein.
Die seit der Flüchtlingskrise 2015 umkämpfte Asylreform soll bis zur Europawahl im Juni 2024 stehen. Dafür müssen sich die EU-Länder noch mit dem Europaparlament auf das Gesetzespaket einigen, was ebenfalls als vertrackt gilt.