Erneut Proteste in Israel: Herzog fordert Stopp der Justizreform


Stand: 27.03.2023 08:43 Uhr

“Um der Einheit des Volkes willen”: Israels Präsident Herzog hat Ministerpräsident Netanyahu aufgefordert, die Pläne zum Umbau des Justizwesens sofort zu stoppen. In der Nacht protestierten erneut Zehntausende gegen die Reform.

Israels Präsident Izchak Herzog hat angesichts der massiven Proteste zum Stopp der umstrittenen Justizreform aufgerufen. “Um der Einheit des israelischen Volkes willen, um der Verantwortung willen, fordere ich Sie auf, die Gesetzgebung sofort einzustellen”, sagte Herzog an Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sowie alle Koalitionsmitglieder gerichtet.

“Die Menschen sind von tiefer Angst ergriffen.” Die Sicherheit, die Wirtschaft, die Gesellschaft – alles sei bedroht. “Die Augen des ganzen Volkes von Israel sind auf Sie gerichtet”.

Verteidigungsminister Galant entlassen

Am Abend hatte Netanyahu seinen Verteidigungsminister und Parteikollegen Joav Galant entlassen. Dieser hatte die umstrittenen Pläne öffentlich kritisiert und die Regierung zum Dialog mit ihren Kritikern aufgerufen. Gegen die Reform, mit der der Einfluss des Höchsten Gerichts beschnitten und die Machtposition der Regierung zulasten der unabhängigen Justiz gestärkt werden soll, gibt es seit Monaten heftige Proteste.

Galant hatte am Samstagabend die Regierung zum Dialog mit Kritikern aufgerufen. Er warnte, dass die nationale Sicherheit und insbesondere die Einsatzfähigkeit der Armee auf dem Spiel stehe. Seit Wochen ist von wachsendem Unmut im Militär die Rede, aus Protest gegen die Reform waren zahlreiche Reservisten nicht zum Dienst erschienen.

In Tel Aviv blockierten die Demonstranten eine Straße und entzündeten Feuer.

Bild: REUTERS

Zehntausende protestieren

Aus Protest gegen Galants Entlassung strömten am Sonntagabend Zehntausende Menschen in der Küstenmetropole Tel Aviv auf die Straße. Sie blockierten die zentrale Straße nach Jerusalem und setzten Reifen in Brand. Die Polizei ging mit Reiterstaffeln und Wasserwerfern gegen die Menge vor, aus der Steine auf die Einsatzkräfte flogen.

In Jerusalem durchbrachen wütende Menschen eine Straßensperre neben Netanyahus Wohnhaus, der Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet begab sich noch in der Nacht dorthin. Universitäten verkündeten aus Protest gegen die Entlassung Galants und die Reformpläne einen vorläufigen Unterrichtsstopp.

Mehrere Bürgermeister traten in den Hungerstreik und forderten eine sofortige Eindämmung der nationalen Krise. Der Dachverband der Gewerkschaften (Histadrut) setzte für heute eine Pressekonferenz an, allem Anschein nach zur Ausrufung eines Generalstreiks.

Medien: Beratungen in der Nacht

Am Morgen gingen die Proteste vor dem Parlament in Jerusalem weiter. Angesichts der brenzligen Lage hielt Netanyahu in der Nacht eine Dringlichkeitssitzung zum weiteren Vorgehen ab, wie mehrere Medien berichteten. Mit Koalitionspolitikern soll er über eine mögliche Aussetzung des Reformvorhabens beraten haben. Unbestätigten Medienberichten zufolge plant Netanyahu am Morgen eine Rede an die Nation. Sein Büro bestätigte dies zunächst nicht.

USA zeigen sich “zutiefst besorgt”

Auch international lösten die Pläne Kritik aus. Die US-Regierung als wichtigster Verbündeter äußerte sich “zutiefst besorgt”. Angesichts der geplanten “grundlegenden Änderungen an einem demokratischen System” rief das Weiße Haus die israelische Führung nachdrücklich auf, sobald wie möglich einen Kompromiss zu finden.

Der israelische Generalkonsul in New York, Asaf Zamir, legte aus Protest gegen die Entlassung Galants sein Amt nieder. Dies sei “eine gefährliche Entscheidung” gewesen, erklärte Zamir auf Twitter. Der Vorgang habe ihn zu der Einsicht gebracht, dass er “diese Regierung nicht länger repräsentieren kann”.



Quellenlink https://www.tagesschau.de/ausland/asien/israel-943.html