Ein Wiederhören mit dem Freisinger Straßenpoeten „Schläger Kare“


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Der Schläger Karl und seine Hawaii-Gitarre. Dieses Instrument steht im Mittelpunkt des Tonträgers.
Der Schläger Karl und seine Hawaii-Gitarre. Dieses Instrument steht im Mittelpunkt des Tonträgers. © Lorenz

Einige kennen ihn noch, den Freisinger Straßenpoeten Karl Schläger. Jetzt ist eine Kassette aufgetaucht, die eine musikalische Zeitreise erlaubt.

Freising – An seinem Wohnhaus am Mittleren Graben in Freising erinnert nichts mehr an ihn, selbst der große Notenschlüssel an der Eingangstreppe ist längst verschwunden. Dennoch bleibt er für viele unvergessen: der Straßenpoet Karl Schläger, der unbequem war und zeitlebens als Dichter Anerkennung suchte. Nun ist eine Kassette aufgetaucht, die eine musikalische Zeitreise in den Schläger-Kosmos des Jahres 1988 erlaubt.

Die Recherche nach dem Werk vom Schläger ist eine höchst komplizierte, denn obwohl der Dichter und Musiker einen gewaltigen künstlerischen Ausstoß hatte, ist leider kaum noch etwas erhalten geblieben. Was im Stadtarchiv Freising noch zu finden ist, sind einige literarische Texte, Beschwerdebriefe an das Rathaus Freising und Gedichte.

Berührend sind dabei vor allem Schlägers literarische Verneigungen wie etwa vor seiner an Tuberkulose verstorbenen Schwester: ein Gedicht, das nicht nur direkt ins Herz trifft, sondern auch herausschält, dass der Schläger Kare im Grunde talentiert gewesen war. Freilich trifft das nicht auf alle seine Texte zu, denn viele davon strotzen nur so von Zorn und Wut – etwa über die Freisinger Lokalpolitik und diesbezüglich ganz besonders über den damaligen OB Adolf Schäfer, an dem er sich häufig und ausgiebig gerieben hat.

Seinen größten Traum formulierte er immer wieder in Text und Subtext, nämlich das Herausbringen von „richtigen“ Büchern oder eine Förderung seiner Werke durch die Stadt Freising. Diese Anerkennung und auch Unterstützung wurde ihm allerdings auf Lebzeiten verweigert. Entmutigen ließ sich Schläger dadurch allerdings nicht. Anstatt aufzugeben, verteilte er seine selbstgedruckten literarischen Traumreisen auf der Straße.

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Die Hawaii-Gitarrre

Während er sich als Freisinger Dichter eher schwertat, war sein „Standing“ als Musiker in der Domstadt deutlich besser – natürlich auch, weil er im weitesten Sinn Unterhaltungsmusik produzierte. Woran sich viele, die den Schläger Karl noch kennengelernt haben, erinnern, ist seine auffällige Hawaii-Gitarre, mit der er durchs Land zog. Diese Lap-Steel-Gitarre steht im Mittelpunkt des Tonträgers von 1988 mit dem Titel „Captain Carre’s Crew“, der vor kurzem in Moosburg aufgetaucht ist.

Was sich beim Anhören schnell herausschält: Sein Fokus lag auch in der Musikauswahl bei Songs von oder über Hawaii – wie etwa „Blue Hawaii“ oder „Blume von Hawaii“. Bei Songs wie „Coconut Grove“ singt Schläger sogar mit, bei anderen Klassikern wie „Blueberry Hill“ konzentriert er sich hingegen voll auf die instrumentale Interpretation. Berührend ist dabei unter anderem seine Version von „El Padrone“ aus dem Film „Der Pate“ – was ihm erst nach einigen Anläufen einfallen wollte.

Die Songs

Durchgehend zeigt sich allerdings auch, dass jeder Song einen speziellen Schläger-Verve bekommt, gerade wenn er etwa „La Paloma“ ein bisschen schneller spielt, als es üblich ist und er damit durchaus einen gespenstischen Sound erschafft. In der Retrospektive ist es deshalb tragisch, dass dem Freisinger Künstler auch nach seinem Tod in Gran Canaria keine Würdigung zu Teil wurde. Betrachtet man nämlich das noch Erhaltene, wird schnell klar, dass Schläger auf ganz vielen Ebenen der Kunst Großartiges geleistet hat, wofür er heutzutage höchstwahrscheinlich den Kulturpreis erhalten würde. Ein schlichter Mundart-Dichter ist Schläger nie gewesen, sondern vielmehr ein Gesamtkunstwerk, der seiner Zeit im Grunde voraus war.  
Richard Lorenz

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Quellenlink https://www.merkur.de/lokales/freising/freising-ort28692/seltener-tontraeger-aufgetaucht-ein-wiederhoeren-mit-dem-freisinger-strassenpoeten-schlaeger-kare-92550832.html