Eher verspielt als erhellend: Tobias Kratzers Strauss-Oper „Arabella“


Roaring Twenties, Nazis, Wirtschaftswunder, 68, Smartphone – die Oper nach einem Libretto von Hugo von Hofmannsthal wird als Zeitreise inszeniert.

Szene aus Tobias Kratzers Inszenierung „Arabella“ von Richard Strauss

Szene aus Tobias Kratzers Inszenierung „Arabella“ von Richard StraussThomas Aurin

Wäre die Oper „Arabella“ nicht von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, käme niemand auf die Idee, das Stück aufzuführen, auch nicht die Deutsche Oper Berlin, die am Samstag eine neue Inszenierung von Tobias Kratzer vorstellte. Nach der „Ariadne auf Naxos“ sank die Qualität der Zusammenarbeit von Komponist und Librettist kontinuierlich, und nach den überambitionierten und an der Kasse eher enttäuschenden „Frau ohne Schatten“ und „Ägyptische Helena“ wollte Strauss mal wieder einen ordentlichen Erfolg. Hofmannsthal schrieb ihm einen dünnen Aufguss des „Rosenkavaliers“, der selbst ein Aufguss aus „Figaro“ und „Meistersinger“ war und starb, bevor er das Libretto überarbeiten konnte – wahrscheinlich vor Scham.

Geht es am Anfang darum, dass die verschuldete Familie Waldner die Tochter Arabella möglichst lukrativ verheiraten will, verliert diese dramatische Prämisse jegliche Bedeutung, als Arabella mit dem reichen Bauern Mandryka kein Problem hat; lediglich in der befremdlichen Rede vom „Gebieter“ und „Eigentum“ spukt derlei monetäre Machtideologie weiter herum. Dafür wird am Ende des zweiten Akts eine krude Eifersuchts-Geschichte aus dem Boden gestampft, die mit großem Verzeihen und dem beklemmend vorhersehbaren Glas Wasser endet. Strauss hatte Probleme mit dem Libretto; die androgyne Nebenfigur Zdenka, die bis zum dritten Akt als Arabellas Bruder Zdenko auftritt, fand er noch am interessantesten, aber sonst fiel ihm zu diesem dramaturgischen Stückwerk nur seine übliche Sauce ein: viel Schwung, aber keine Formulierung; gelenkig, aber kraftlos.

Bewundernswert: Sara Jakubiak

Man mag Donald Runnicles am Pult des Orchesters der Deutschen Oper dafür danken, dass er die Tempi zuweilen bis zur Grenze des exakt zu koordinierenden strafft. Die so bedeutsame einsetzende wie letztlich bräsig-spannungslose Melodie von „Und du wirst mein Gebieter sein“ geht auf diese Weise immerhin schnell vorbei. Dass die Strauss‘schen Orchesterfarben ziemlich ausgeblichen wirken, ist ein Wahrheitsmoment, denn wo keine Substanz ist, da soll auch nichts leuchten. Und insbesondere im zweiten Akt sind die Kürzungen zu begrüßen – auf ausführlichere Auftritte der unsäglichen Fiaker-Mili verzichtet man gern, womit nichts gegen die vergnügt-präzisen Jodler von Hye-Young Moon eingewendet sei! Denn bei dieser Figur ist es nur recht, wenn sie lediglich schön singen kann. Bei den anderen vermisst man etwas, aber es ist eben in den Partien auch nicht viel mehr als das zu finden.

Von Sara Jakubiak, der bereits zweiten Einspringerin in der Titelpartie in dieser Produktion, ihrer ruhigen Souveränität und bis zum Schluss unabgenutzten Höhe ist nur Bewundernswertes zu berichten, während Russell Brauns Mandryka, geschuldet einer gewissen Indisposition, es zwar nicht an darstellerischer, aber ein wenig an stimmlicher Präsenz mangeln lässt. Albert Pesendorfer und Doris Soffel gestalten Arabellas Eltern als komisch gruseliges Paar, während ihre zweite Tochter Zdenko von Elena Tsallagova mit jungenhaft hellem Charme besticht, gegen den Matteo, der erst ihre Schwester, dann sie liebt, in Robert Watsons Darstellung wie ein einfältiger Jung-Siegfried wirkt.