Dienstwagen ade – Mobilitätbudgets gewinnen an Beliebtheit

Düsseldorf Der Dienstwagen ist für SAP-Managerin Ulrike Fempel zehn Jahre lang gesetzt gewesen. Doch irgendwann passte das Dienstauto schlicht nicht mehr in die Lebenssituation der Projektleiterin Business Development. Sie hat sich stattdessen für ein alternatives Angebot des Softwarekonzerns gemeldet: das Mobilitätsbudget.
Ab Anfang April bietet SAP seinen Mitarbeitern einen monatliches Betrag an, den sie vom Fahrrad bis zur Eisenbahn für alle denkbaren Transportmittel ausgeben können. Mitmachen können insgesamt 20.000 Mitarbeiter, die bislang ein Anrecht auf einen Dienstwagen haben – das sie dafür aufgeben müssen.
Wie Fempel denken viele bei SAP. Schon vor dem Start hätten sich 1400 Mitarbeiter angemeldet, die Teilnehmerzahl wird aber wohl steigen: Erst wenn die Haltezeit eines Dienstwagens von vier Jahren abgelaufen ist, kann man wechseln. „Die Teilnehmerzahl hat unsere Erwartungen weit übertroffen“, sagt SAP-Flottenchef Steffen Krautwasser.
Trotz steuerlicher Förderung verliert das Statussymbol Dienstwagen an Strahlkraft. Unternehmen wie SAP suchen nach einer Alternative, um als Arbeitgeber für junge Talente attraktiv zu bleiben und teure Dienstwagenflotten zu verkleinern. „Die jüngere Generation fordert das ein“, sagt Nicola Büsse, Geschäftsführerin von Mobiko mit Sitz in München, das für 130 Firmen Mobilitätsbudgets betreut.
Auch eine Umfrage des Handelsblatts unter den 40 Dax-Unternehmen zeigt: Es kommt Bewegung in das Thema. Neben SAP haben bereits Nivea-Hersteller Beiersdorf und Siemens Energy ein solches Mobilitätsbudget eingeführt. Beiersdorf bereits 2013, Siemens Energy seit seiner Ausgründung vor drei Jahren.
Auch hier können Beschäftigte ihr Budget für alle Mobilitätsformen außer einem Dienstwagen einsetzen. Bei Siemens Energy habe sich ein Drittel der berechtigten Manager dafür entschieden. Bei Eon gibt es seit Jahresanfang ebenfalls so ein Budget. Hier können Manager aber weiterhin den Wagen auf dem Fuhrpark auswählen.
Auch andere Unternehmen wolle Mobilitätsbudgets einführen
Bei Adidas und Heidelberg Materials bekommen berechtigte Manager, die kein Firmenfahrzeug wollen, eine monatliche Zulage. Bei dem Sportartikelhersteller würde sich deshalb ein Drittel gegen den klassischen Dienstwagen entscheiden. Und Covestro hat das Firmenauto Anfang 2018 ganz abgeschafft. Seither bekommen obere Führungskräfte bei dem Chemiekonzern eine monatliche Zahlung.
Künftig dürfte die Zahl der angebotenen Mobilitätsbudgets weiter steigen. Acht Dax-Konzerne, darunter die Allianz, BMW, Continental, Daimler Truck und die Hannover Rück, prüfen derzeit, ob sie ein solches Budget einführen wollen. Elf Unternehmen reagierten nicht auf die Anfrage.
Das Gros der befragten Unternehmen ist bei dem Thema allerdings noch zurückhaltend. Ein Grund: Mobilitätsbudgets sind steuerlich ungünstiger gestaltet, Dienstwagen werden in Deutschland stark gefördert. Arbeitnehmer müssen nur ein Prozent des Bruttolistenpreises als monatlichen geldwerten Vorteil versteuern, bei Elektroautos bis 60.000 Euro sind es bis 2030 sogar nur 0,25 Prozent.
Steuerliche Schwierigkeiten
Beim Mobilitätsbudget hängt die Besteuerung von mehreren Faktoren ab: Wird es als Gehaltszusatz gezahlt oder nicht? Letzteres ist die Regel, sonst wäre der Betrag steuer- und sozialversicherungspflichtig. Wird das Mobilitätsbudget als Sachbezug abgerechnet, gibt es eine Steuerbefreiung von 50 Euro monatlich, darüber hinaus fallen pauschal 30 Prozent an.
Auch die Wahl des Verkehrsmittels spielt eine Rolle: Nutzt der Mitarbeiter den öffentlichen Nahverkehr, fällt keine Steuer an. Wer ein Taxi oder einen Mietwagen nimmt, der muss zahlen.
Der Softwarekonzern führt zu Anfang April ein Mobilitätsbudget ein.
(Foto: IMAGO/Revierfoto)
Dieses Wirrwarr ist ein Hemmnis. Der Pharmazulieferer Sartorius etwa beschäftigt sich mit dem Thema. Doch „steuerliche Aspekte machen die Einführung nicht einfach“, heißt es. Und bei Bayer wollen die Verantwortlichen das Modell explizit nicht einführen „aufgrund der bestehenden lohnsteuerlichen Restriktion sowie der administrativen Komplexität dieses Modells“.
„Seit gut einem Jahr interessieren sich immer mehr traditionelle Firmen dafür“
Verschiedene Start-ups sehen das als Chance und bieten Lösungen für Unternehmen an. Mobiko aus München ist einer der Pioniere, einer der Investoren ist Audi. Rydes in Berlin, die ungefähr 100 Firmen betreuen, finanziert unter anderem die Lufthansa.
Laut Rydes-Chef René Braun steigt die Akzeptanz von Mobilitätsbudgets bei den Firmen. „Anfangs waren es Technologieunternehmen und Beratungen“, sagt Braun. „Doch seit gut einem Jahr interessieren sich immer mehr traditionelle Firmen dafür.“
Unternehmen wollen jüngere und urbane Mitarbeiter anziehen. Das Mobilitätsbudget hilft derweil auch, interne Klimaziele zu erreichen. So will SAP bis 2030 CO2-neutral sein.
Das Beispiel von SAP-Projektleiterin Fempel zeigt, wie das Konzept auch in anderen Mitarbeitergruppen ankommt. Fempel arbeitet seit 25 Jahren im Walldorfer Konzern. „Durch das Mobilitätsbudget hat bei mir ein Umdenken stattgefunden, weg vom Auto und hin zu den öffentlichen Verkehrsmitteln“, sagt Fempel, die bereits an zwei Pilotprojekten zum Mobilitätsbudget teilnahm.
Wie viel Geld SAP seinen Mitarbeitern gibt, wird nicht verraten. Auch andere Dax-Konzerne halten sich mit Details zurück. Klar ist nur, dass alle den gleichen Betrag bekommen, der Vorstand ist ausgenommen. Nach einer Auswertung von Mobiko zahlt rund die Hälfte der deutschen Firmen zwischen 50 und 200 Euro monatlich.
Starke Förderung in anderen Ländern
Mobilitätsbudgets werden in anderen Ländern wie Belgien oder den Niederlanden stark gefördert. Mit Abstand nutzen Mitarbeiter laut Mobiko zu 37 Prozent das Mobilitätsbudget für den öffentlichen Nahverkehr, auch Züge werden mit zwölf Prozent viel genutzt. Auf Platz zwei liegt allerdings mit 17 Prozent das Tanken, was mit Elektroautos auch grüner wird.
SAP-Flottenchef Krautwasser wünscht sich, dass dem Thema im politischen Berlin mehr Aufmerksamkeit geschenkt würde: „Damit meine ich gar nicht eine steuerliche Gleichstellung mit dem Dienstwagen, auch wenn das wünschenswert wäre. Eine verbindliche Regelung würde mir schon reichen.“ Jetzt habe man das Gefühl, es könnte sich jederzeit ändern.
Die Besteuerung von Mobilitätsbudgets ist kompliziert.
(Foto: MKS – stock.adobe.com)
Das Erstaunliche: 2021 erarbeitete das Verkehrsministerium in Berlin bereits eine Handlungsempfehlung für die Förderung von Mobilitätsbudgets. Doch mit dem Regierungswechsel ist das Thema von der Tagesordnung verschwunden – obwohl die Grünen mit in der Koalition sind.
„Wir wollen den Dienstwagen nicht ersetzen“, sagt Geschäftsführerin Büsse von Mobiko. „Aber es ist nicht mehr zeitgemäß vorzuschreiben, wie man sich fortzubewegen hat.“ Einen Nachteil mag das Mobilitätsbudget für die Beschäftigten von SAP womöglich haben: Es verfällt zum Ende jeden Jahres, wenn es nicht aufgebraucht wird.
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