Die Höhepunkte im Ausstellungsjahr 2023

Düsseldorf Künftige Generationen mögen anders urteilen, aber heute gilt Pablo Picasso als der bedeutendste und einflussreichste Künstler des 20. Jahrhunderts. Der Tod des 1881 im spanischen Malaga geborenen und 1973 an der Côte d’Azur verstorbenen Künstlers jährt sich 2023 zum 50. Mal und ist Anlass für etwa 50 Ausstellungen in europäischen und nordamerikanischen Städten, darunter etliche in Frankreich und Spanien. Wie kaum ein anderer Künstler definierte Picasso das 20. Jahrhundert mit all seiner Grausamkeit, Gewalt, Leidenschaft, seinen Exzessen und Widersprüchen.
Picassos gewaltiges Werk, das etwa 50.000 Arbeiten umfasst, erfand sich immer wieder neu: Auf sein Frühwerk folgten die Blaue Periode, die Rosa Periode, der Kubismus, die neoklassizistische Periode mit surrealistischen Einflüssen, sowie sein entgrenztes Spätwerk. Seine sprudelnde Produktivität schuf Ölbilder, Zeichnungen, Grafiken, Collagen, Skulpturen, Plastiken und Keramikarbeiten. Bedeutende Museen widmen sich den verschiedensten Aspekten seines Schaffens, zeigen reizvolle und aufschlussreiche Gegenüberstellungen und gehen auch der kritischen Frage nach Picassos Frauenbild nach.
Eine der wichtigsten Ausstellungen des Jubiläumsjahrs findet mit „Picasso: The Sacred and the Profane“ im Museum Thyssen-Bornemisza in Madrid statt. Die Schau konzentriert sich auf die Kühnheit und Originalität, mit denen sich der Künstler sowohl der klassischen Welt als auch Themen aus der jüdisch-christlichen Tradition näherte. Zugleich beleuchtet sie seine Fähigkeit, Elemente und Themen aus der früheren Kunst in sein eigenes Schaffen virtuos mit einzubeziehen.
Die Ausstellung umfasst rund 30 Gemälde, die Werke Picassos aus der Sammlung des Museums und verschiedene Leihgaben, unter anderem aus dem Musée national Picasso in Paris und anderen Sammlungen und Institutionen . Sie treten mit Gemälden von El Greco, Rubens, Zurbarán, Van der Hamen, Delacroix und Goya in einen spannungsreichen Dialog.
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Die Ausstellung zeigt unter anderem, wie Picasso sich die Tradition der Porträtmalerei und der religiösen Bilder aneignete und sie in einen Katalog profaner Figuren verwandelte. Darüber hinaus behandelt sie das Thema der Passion mit Gegenüberstellungen von Kreuzigungsszenen und Stierkämpfen. Ein weiterer Aspekt sind die dramatischen Frauenporträts, die der Künstler vor allem in den 1930er-Jahren schuf.
„The Sacred and the Profane“, Museum Thyssen-Bornemisza, Madrid, 4.10.2023 bis 14.1.2024. Alle Ausstellungen des Jubiläumsjahres sind gelistet unter: www.museepicassoparis.fr/en/celebration-picasso-1973–2023
Jan Vermeer – Der geheimnisvolle Perfektionist
„Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ entstand in den Jahren 1664–67, die Identität der Porträtierten ist unbekannt.
(Foto: Margareta Svensson)
Im krassen Gegensatz zu Picassos fast unüberschaubar riesigem Werk hat der holländische Meister Jan Vermeer nur 37 (heute bekannte) Bilder hinterlassen. Seine Malerei ist berühmt für ihre ruhigen, scheinbar in sich gekehrten Interieur-Szenen, ihren kühnen Einsatz von Licht und ihre virtuose Komposition. Mindestens 28 Gemälde der „Sphinx aus Delft“, wie der geheimnisvolle Maler auch genannt wird, verspricht das Amsterdamer Rijksmuseum, in der Schau „Das Goldene Zeitalter und seine berühmten Meister“ zu präsentieren. Sie dürfte mit Sicherheit einen beispiellosen Run auf die Grachtenstadt auslösen. Vertreten sind ikonische Werke europäischer Sammlungen, darunter die „Briefleserin am offenen Fenster“ aus der Gemäldegalerie Alter Meister in Dresden, ein Werk, bei dem durch neuere Forschungen ein später übermalter Cupido an der Wand nach Restaurierungen wieder ans Licht kam. Aber auch Werke aus Japan und den USA werden zu sehen sein, wie aus der New Yorker Frick Collection, die drei ihrer Meisterwerke nach Amsterdam schickt. Aus dem Mauritshuis in Den Haag kommt das einzigartige „Mädchen mit dem Perlenohrring“. Die Gelegenheit, so viele Werke Vermeers zu sehen, ist kostbar, denn Amsterdam ist der einzige Ausstellungsort.
„Das Goldene Zeitalter und seine berühmten Meister“, Rijksmuseum Amsterdam, 10.2. bis 4.6.2023
Marina Abramovic – Die Grenzgängerin
(Foto: Paula + Murray, New York 2015; Marina Abramovic Archives; VG Bild-Kunst, Bonn)
In den vergangenen 50 Jahren wirkte Marina Abramovic als Pionierin der heute längst durchgesetzten Performance-Kunst. Nun widmet die Royal Academy in London der bedeutendsten Künstlerin die erste große britische Retrospektive ihres Lebenswerks.
Abramovic testet in ihrem Werk immer wieder die Grenzen ihrer eigenen körperlichen und geistigen Belastbarkeit und fordert das Publikum dazu auf, diese im Dialog mit ihr zu erfahren. Werke wie „Rhythm 0“ (1974) luden ein, mit der Künstlerin zu interagieren, was unter anderem auch dazu führte, dass ihr eine geladene Waffe an den Kopf gehalten wurde.
Spätere Werke wie „The Artist Is Present“ (2010) im Museum of Modern Art in New York warfen das Publikum auf die eigenen Emotionen zurück: Drei Monate lang saß Abramovic Tag für Tag auf einem Stuhl, um 1565 Besuchern schweigend in die Augen zu blicken.
2020 erarbeitete sie das Opernprojekt „7 Deaths of Maria Callas“, das am Nationaltheater München zur Uraufführung kam. Abramovics erste große Ausstellung in Großbritannien wird nicht nur in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin kuratiert. Die Künstlerin wird auch am Programm der Gespräche und Veranstaltungen teilnehmen.
„Marina Abramovic“, Royal Academy London, 23.9. bis 10.12.2023
Guerrilla Girls – Das anonyme Kollektiv
„Do Women Have to Be Naked to Get Into The Met. Museum?“
(Foto: Guerrilla Girls, courtesy guerrillagirls.com)
Die Kritik an der Dominanz alter, weißer Männer ist keineswegs ein Trend der jüngeren Vergangenheit, sondern formierte sich bereits 1984. Auslöser war die Ausstellung „An international Survey of Painting and Sculpture“, die die damals weltweit wichtigsten zeitgenössischen Werke präsentieren wollte. Doch unter den 169 Künstlern befanden sich nur 13 Frauen. Daraufhin fand sich eine Gruppe von Aktivistinnen zusammen: die Guerrilla Girls.
Seither kämpft die stets anonym bleibende Gruppe gegen die Benachteiligung von Künstlerinnen, Sexismus, Rassismus, Diskriminierungen sowie Machtmissbrauch und Korruption im Kunstbetrieb meist mit frechen und humorvollen Postern.
„Do women have to be naked to get into the Met. Museum?“ Mit diesem Poster machten die Guerrilla Girls 1989 darauf aufmerksam, dass vorwiegend unbekleidete Frauen zwar ein beliebtes Bildmotiv sind, aber nur wenige Positionen in Museen, Galerien und Kunstinstitutionen mit Frauen besetzt werden. Für die Hamburger Ausstellung entwickeln die Guerrilla Girls eine eigene Arbeit, die die Sammlung des Museums kritisch evaluiert.
„The F* word – Guerrilla Girls und feministisches Grafikdesign“, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, 17.2. bis 17.9.2023
Karl Lagerfeld – Das Design-Genie
Skizze eines Ensembles für Chanel.
(Foto: Metropolitan Museum of Art, New York)
Vor bald vier Jahren starb Karl Lagerfeld, dessen rastloses Schaffen mit dem Begriff Modeschöpfer nur unzureichend beschrieben werden kann. Das New Yorker Metropolitan Museum ehrt den gebürtigen Hamburger Designer, Fotografen und Bühnenbildner nun mit der Ausstellung „Karl Lagerfeld – A line of beauty“.
In der Schau werden rund 150 Werke Lagerfelds präsentiert. Sie präparieren Grundthemen heraus, die in seiner Mode von den 1950er-Jahren bis zu seiner letzten Kollektion 2019 immer wieder auftauchen. Zudem beleuchtet sie die einzigartige Arbeitsmethode des eloquenten und schlagfertigen Designers. Die Ausstellungseröffnung könnte nicht glamouröser sein, denn sie findet am 1. Mai 2023 im Rahmen der legendären Met Gala statt.
„Karl Lagerfeld – A line of beauty“, Metropolitan Museum New York in Kooperation mit dem Costume Institute, 5.5. bis 16.7.2023
Jenny Holzer – Die Demokratin
Die Installation aus der Serie „from Survival“ illuminierte den New Yorker Times Square im Jahr 1985.
(Foto: John Marchael; 1985 Jenny Holzer, ARS; VG Bild-Kunst, Bonn)
Im Mittelpunkt der Arbeit der US-amerikanischen Konzept- und Installationskünstlerin Jenny Holzer steht der Einsatz von poetischen, aber auch sozialkritischen und dezidiert politischen Texten und die Nutzung des öffentlichen Raums als Ausstellungsort. Berühmt wurde sie mit ihren Schriftbändern und LED-Installationen, die in der Verbindung von überwältigenden visuellen Effekten mit der suggestiven Kraft ihrer Texte ihre Wirkmacht entfalten.
Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zeigt die bislang größte Überblicksausstellung der international renommierten Künstlerin in Deutschland. Seit den 1970er-Jahren ist sie für ihren wegweisenden Umgang mit neuen Technologien und ihre gesellschaftskritischen Texte in verschiedenen Medien bekannt.
Präsentiert werden unter anderen Jenny Holzers Posterarbeiten, Gemälde und ihre Arbeiten aus Stein, mit denen sie Themen wie Krieg und Populismus anspricht. Dem demokratischen Anspruch und der künstlerischen Praxis von Jenny Holzer folgend, fordern ihre Werke heraus, sich mit gegensätzlichen Ansichten auseinanderzusetzen und einen eigenen Standpunkt in komplexen Diskussionen zu entwickeln. Das macht die Ausstellung zu einem öffentlichen Forum für aktuelle gesellschaftskritische Diskurse über die Herausforderungen der Gegenwart.
„Jenny Holzer“, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K21, Düsseldorf, 11.3. bis 6.8.2023
Jean-Michel Basquiat – Der Neoexpressionist aus dem Underground
(Foto: Estate of Jean-Michel Basquiat. Licensed by Artestar, New York; VG Bild-Kunst, Bonn)
In der Welt der Popmusik versammelt die Nachwelt im sogenannten „Club 27“ jene Künstlerinnen und Künstler, die infolge ihres ruinösen, sich selbst aufzehrenden Lebenswandels bereits im Alter von 27 Jahren starben.
In der Kunstwelt wurden solche Rechnungen bislang nie aufgemacht, aber Jean-Michel Basquiat könnte man diesem Club eigentlich durchaus zurechnen, denn auch er starb bereits im Alter von 27 Jahren an einer Überdosis Heroin. Basquiat hatte nach Anfängen in der Graffiti-Szene das Zeug zum charismatischen Popstar; der Neoexpressionist zählt heute zu den Bluechip-Künstlern des Kunstmarkts.
Im Sommer 1982 malte Baquiat für eine seiner ersten Einzelausstellungen eine Gruppe großformatiger Werke, die damals in einer Galerie im italienischen Modena gezeigt werden sollten. Doch vor der Eröffnung wurde das Projekt abgesagt und die Gemälde wurden niemals zusammen gezeigt. Mehr als vierzig Jahre später bringt die Fondation Beyeler nun die mittlerweile in US-amerikanischen, asiatischen und Schweizer Sammlungen befindlichen Meisterwerke erstmalig zusammen.
„Basquiat – The Modena Paintings“, Fondation Beyeler, Basel, 11.6. bis 27.8.2023
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