Die Ampelkoalition startet mit einem Stimmungsdämpfer ins Jahr



Berlin Zum Feiern war bei SPD, Grünen und FDP am Tag nach der Berliner Wahl kaum jemandem zumute. Nicht bei den Liberalen, die die fünfte Niederlage in Folge bei einer Landtagswahl kassierten. Nicht bei den Sozialdemokraten, die nach dem Triumph der CDU nun um das Amt der Regierenden Bürgermeisterin fürchten müssen. Und die Grünen mussten ihre Enttäuschung verbergen, dass sie schon wieder ihr Ziel, das Rote Rathaus, verpasst haben.

„Der gestrige Abend war ein bitterer Abend für die Berliner SPD“, sagte die bisherige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Wie es in der Hauptstadt weitergeht, ist offen. Aus der Berliner SPD waren nach dem Wahldebakel Stimmen zu vernehmen, die sich einen Neuanfang ohne Giffey wünschten. Bei den Sozialdemokraten muss man sich aber nicht nur um Giffeys Zukunft und die eigene Schwäche in der Hauptstadt sorgen.

Der Wahlausgang dürfte auch Konsequenzen für die Stimmung in der Ampelkoalition haben. In der Bundes-SPD wird befürchtet, dass die FDP sich nach der abermaligen Wahlschlappe zulasten der anderen beiden Koalitionspartner profilieren möchte. Schon jetzt finden viele Koalitionäre in Reihen von SPD und Grünen, die Liberalen machten zu viele Alleingänge.

Öffentlich wies SPD-Chefin Saskia Esken diese Befürchtung zurück. Sie hätte sich gewünscht, dass die FDP den Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus schafft. Dass das Wahldesaster der FDP aber die Arbeit innerhalb der Bundesregierung erschweren würde, glaube sie nicht. Die Ampelpartner arbeiteten vertrauensvoll zusammen.

Kurz zuvor hatte auch FDP-Chef Christian Lindner in Berlin die Erfolge der Ampelkoalition betont und angekündigt, dass er an der bisherigen Strategie der Liberalen in der Ampelkoalition festhalten werde. Zugleich nannte Lindner aber Themenfelder, auf denen die FDP nun punkten will. Vor allem für die Grünen dürften seine Ankündigungen wie eine Kampfansage klingen.

Themen des Wahlkamps

Eine Schlussfolgerung aus dem Berliner Wahlergebnis sei, sagte Lindner, dass „Politik gegen das Auto nicht im Interesse der Menschen ist“. Die Verkehrspolitik war in der Hauptstadt ein zentrale Wahlkampfthema, bei dem sich die Grünen auf der einen Seite sowie CDU und FDP auf der anderen Seite angriffen.

Hendrik Wüst, Kai Wegner und Friedrich Merz

Der Berliner Spitzenkandidat Kai Wegner nutzte die Bühne der Bundespartei, um wie in einer Regierungserklärung für ein Bündnis mit SPD oder Grünen zu werben.


(Foto: IMAGO/Future Image)

Aber auch in der Ampelkoalition sorgt das Thema seit Wochen für Konflikte. Bei der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen liefert sich die FDP einen Streit mit den Grünen über die Frage, ob dies auch für den Neubau von Autobahnen gelten sollte. Dass die Liberalen nun nachgeben, ist nach der Ansage von Lindner kaum zu erwarten. Zumal höheres Tempo bei den Planungs- und Genehmigungsprozessen auch ein Bestandteil für einen zweiten Schwerpunkt ist, den Lindner nennt: „Die Ampel hat nur eine Chance auf Wiederwahl, wenn wir das Land auf den wirtschaftlichen Erfolgskurs zurückführen“, sagte er.

In dem Satz steckt zwar einerseits ein Bekenntnis zur Koalition, andererseits verknüpft der FDP-Chef dieses mit einer Erwartung an SPD und Grüne. Denn für den wirtschaftlichen Erfolg braucht es aus Lindners Sicht „mehr marktwirtschaftliche Freiheit“ und „geringere Belastungen“. Von den liberalen Steuerentlastungsplänen sind Sozialdemokraten und Grüne allerdings wenig angetan. Das gilt auch für den härteren Kurs in der Migrationspolitik, den Lindner fordert.

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Lindner benennt damit Themen, welche beim Berliner Landtagswahlkampf eine Rolle spielten und dort vor allem der CDU nutzten. Die Christdemokraten legten um 10,2 Prozentpunkte zu und wurden stärkste Kraft. Der Berliner Spitzenkandidat Kai Wegner nutzte die Bühne der Bundespartei, um wie in einer Regierungserklärung für ein Bündnis mit SPD oder Grünen zu werben. „Wir sehen, dass die Stadt gespalten ist. Jetzt ist nicht die Zeit für Taktiererei. Jetzt ist Zeit zum Machen“, sagte er.

Die FDP flog hingegen aus dem Berliner Abgeordnetenhaus heraus. Nur 4,6 Prozent erreichte die Partei bei der Wiederholungswahl, im Jahr 2021 waren es noch 7,1 Prozent gewesen.

Diskussionen über Verkehrspolitik

Die Verkehrspolitik könnte nicht nur zu einem Knackpunkt bei der Regierungsbildung in Berlin werden, sondern wird wohl auch das Klima in der Ampel belasten. CDU und FDP können sich jedenfalls durch eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach bestätigt fühlen, die im Auftrag der Akademie für Technikwissenschaften den alljährlichen Mobilitätsmonitor erstellt hat Demnach setzt die große Mehrheit der Deutschen weiter auf das Auto, das gilt auch für Großstädte und Berlin.

SPD-Fraktionsvize Detlef Müller teilte Lindners Meinung, es solle keine Politik gegen das Auto geben. „Für die Berliner Verkehrspolitik gab es mit der Wahl einen Dämpfer, wenn nicht gar ein Stoppschild. Verkehrsträger gegeneinander auszuspielen bringt nichts.“ Müller empfahl den Liberalen, öffentlich nicht mehr mit der Regierung zu fremdeln. „Auch die FDP kann selbstbewusst auf ihre Erfolge in der Ampelkoalition verweisen“, sagte er.

CDU triumphiert bei Wahl zum Abgeordnetenhaus

Hingegen erklärte der Berliner Bundestagsabgeordnete und verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Stefan Gelbhaar, die Wähler hätten „unseren eingeschlagenen verkehrspolitischen Kurs goutiert“. Die Grünen hätten „mit einer harten Veränderungsbotschaft“ ein „stabiles Ergebnis eingefahren“. Die FDP hätte den Weiterbau der Stadtautobahn A100 gesetzt. „Das hat ihr geschadet.“

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Für die FDP ist es die fünfte Wahlschlappe in Folge seit der Bundestagswahl 2021. Im Oktober war sie in Niedersachsen an der Fünfprozenthürde gescheitert. Und in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen flog die FDP 2022 aus den Landesregierungen. Im Saarland verpasste sie den Sprung in den Landtag. In der Partei wird die Frage diskutiert: Wie hoch ist der Preis, den die FDP für das Ampelbündnis im Bund zahlen muss?

Lindner schiebt Zweifel an der Ampel beiseite

Lindner wies am Montag vorsorglich alle Zweifel an der Ampel beiseite. Die Partei habe vor einigen Monaten die Strategie justiert, diese werde man nicht ändern, sagte der FDP-Chef. Sie besteht nach seinen Worten aus drei Elementen: Man wolle herausstellen, dass Deutschland gut regiert werde. Man sei gut durch die Krise gekommen, die Ampel habe „angemessen und entschlossen“ reagiert.

Bei diesem Punkt klang Lindner ähnlich wie SPD-Chefin Esken: Durch das Krisenmanagement sei es weder zu einem „heißen Herbst“ noch zum „Wut-Winter“ gekommen, so Esken.
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Lindner sieht nach dem Krisenmanagement nun aber weiteren Handlungsbedarf. So soll die Koalition die Modernisierungsversprechen einlösen, mit denen sie einst angetreten war. Der FDP-Chef nennt beispielsweise die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die Entbürokratisierung und Digitalisierung.

Aber auch wenn man die gemeinsamen Erfolge mehr betonen will, so macht Lindner klar, dass die Liberalen auch in Zukunft einige Vorhaben der Koalitionspartner blockieren werden. „Wir sind in der Ampelkoalition der Garant für eine Politik der Mitte.“

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