Deutsche Bank warnt vor umfassender Rezession in Deutschland

Analysten der Deutschen Bank gehen von einem Wirtschaftseinbruch für 2023 aus. Mitschuld an der sinkenden Kaufkraft seien die Energiewendepläne der Bundesregierung.

Die Deutsche Bank prognostiziert der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr einen starken Abschwung.Pajović/Berliner Zeitung
Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft werden immer düsterer. Das Statistische Bundesamt musste bereits in der vergangenen Woche die Wachstumszahlen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal nach unten revidieren. Damit ist amtlich, dass Deutschland nach zwei Quartalen hintereinander in eine technische Rezession gestürzt ist. „Nur eine technische Rezession? Wirklich?“, fragen Ökonomen der Deutschen Bank (DB) nun in einer aktuellen Analyse und gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im Laufe des Jahres nicht aus der Krise herauskommen wird.
Bis zum Jahresende werde die Wirtschaft um 0,3 Prozent schrumpfen, schätzen die Ökonomen von Deutsche Bank Research. Denn die Wirtschaft befinde sich mittlerweile in einem „starken Abwärtssog“. Die März-Daten für Auftragseingänge und Produktion im verarbeitenden Gewerbe seien enttäuschend. Allein im März sanken die Aufträge in dem Bereich um mehr als zehn Prozent und damit in einem Ausmaß wie seit April 2020 – dem Beginn der Corona-Krise in Europa.
Industrieproduktion gesunken – Baubranche droht drastischer Einbruch
Auch nach diesem schlechten Jahr ist kaum Besserung in Sicht. Die Aussichten für das zweite Halbjahr und 2024 deuteten nicht darauf hin, dass sich die Wachstumsdynamik wesentlich verstärken werde, prognostizieren die Ökonomen der Deutschen Bank. Zumal neben den zyklischen auch eine Reihe struktureller Faktoren wie die Kosten und Unsicherheiten im Zusammenhang mit den Energiepreisen und der Energiewende, eine langsamere bzw. uneinheitliche Globalisierung und Probleme beim Arbeitskräfteangebot die Investitionsentscheidungen der Unternehmen belasteten.
Erholungseffekte, wie die gute Entwicklung auf dem Bau, seien vor allem dem milden Winter zuzuschreiben, da die Durchschnittstemperatur im ersten Quartal rund 2,5 Grad Celsius über dem historischen Durchschnitt lag. Der Januar war sogar 3,5 Grad wärmer als der Durchschnitt. Alle vorausschauenden Indikatoren lägen hingegen „tief im roten Bereich“. Die Auftragseingänge im Baugewerbe sind im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 15 Prozent gesunken, die Baugenehmigungen um mehr als 20 Prozent eingebrochen, und die Neuvergabe für Wohnungsbaukredite sackte um 52 Prozent ab.
Regierung trifft Mitschuld für „unsoziale Inflation“
Für die sinkende Kaufkraft der Privathaushalte trage die Bundesregierung zumindest eine Mitschuld: „Diese abwartende Haltung dürfte zum Teil auf die Befürchtung zurückzuführen sein, dass die Energiewendepläne der Bundesregierung erhebliche Ausgaben für Hausbesitzer und Mieter mit sich bringen könnten“, heißt es in dem Bericht. Die Beschäftigten haben hierzulande auch zum Jahresbeginn wieder Reallohnverluste hinnehmen müssen. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte, sanken sie im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,3 Prozent. „Die hohe Inflation zehrt das Lohnwachstum für die Beschäftigten auch zum Jahresbeginn 2023 mehr als auf“, erklärte das Statistikamt.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hatte Ende letzter Woche vor der „unsozialen Inflation“ gewarnt, die dazu führe, dass viele Menschen erst in vier bis fünf Jahren wieder so viel konsumieren könnten, wie sie es vor der Krise getan hätten. Es drohe „eine lange Phase von Wohlstandsverlust, gerade für Menschen mit wenig Einkommen. Das ist eine Realität, auf die wir uns in den kommenden Jahren einrichten müssen“, hatte Fratzscher im ZDF erklärt.
Exporte brechen weg: Schwache Zahlen aus den USA und aus China
Auch der Export dürfte als Wachstumstreiber ausfallen. Denn auch die einst prosperierenden Volkswirtschaften China und USA schwächeln. Insbesondere das Wachstum der chinesischen Industrie und der Investitionen habe sich merklich verlangsamt. Dies kann laut Deutscher Bank schwerwiegende Folgen für die deutsche Wirtschaft haben: „Dies bestärkt uns in unserer Sorge, dass der erwartete Anstieg des chinesischen BIP um sechs Prozent im Vergleich zu früheren Zyklen einen unterdurchschnittlichen Impuls für die deutsche Wirtschaft darstellen könnte“, schreiben die Ökonomen. Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft ist groß. Schätzungen der Bundesbank gehen davon aus, dass ein Einbruch des BIP in China ein Sinken des deutschen BIP um 0,1 Prozent nach sich zieht.
Auch die Wirtschaft der USA, die im letzten Jahr einen Anteil von rund zehn Prozent an den deutschen Ausfuhren hatte, werde sich voraussichtlich im dritten Quartal abschwächen und im vierten Quartal in eine Rezession geraten. „Dies wird sich nicht nur auf die Exporte auswirken“, warnt das DB-Research-Team. Vielmehr seien alle jüngsten Rezessionen der USA rasch mit einem Rückgang des deutschen BIP einhergegangen.
Ausweg: Lockerung der Schuldenbremse
Als Ausweg aus der Wirtschaftsmisere schlagen die DB-Ökonomen eine „Überprüfung“ der restriktiven Haushaltspolitik wie der Schuldenbremse vor. Auch wenn die Bundesregierung enorme Sondervermögen auf den Weg gebracht habe, sei es fraglich, ob das mobilisierte Geld für den gestiegenen Finanzbedarf reichen werde. Zuletzt hatte auch der Internationale Währungsfonds eine Lockerung der Schuldenbremse ins Spiel gebracht. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erteilte den Plänen aber umgehend eine Absage. Stattdessen hat Lindner mit Blick auf die laufenden Haushaltsverhandlungen Einsparungen für den Staatsetat angekündigt.