Den Coup im Kopf


Ausnahmespielerin Alexandra Popp will mit dem VfL Wolfsburg die Champions League das dritte Mal gewinnen.
Die Erinnerungen sind nicht verblasst. Im Gegenteil: Alexandra Popp bekommt nach eigenem Bekunden noch heute „Gänsehaut“, wenn sie an ihr erstes Champions-League-Finale denkt. Zehn Jahre ist es jetzt her, dass der VfL Wolfsburg in London – zwei Tage vor dem „German Final“ der Männer – gegen Olympique Lyon reüssierte. „Wir waren der absolute Underdog“, erzählt die VfL-Anführerin, „und konnten absolut nichts erwarten“. Viele ihrer Mitspielerinnen machten an jenem 23. Mai 2013 von der Stamford Bridge erst mal Fotos, denn dass die Frauen solche Kultstätten bespielten, war zu diesem Zeitpunkt noch die absolute Ausnahme.
Popps Rolle war schon damals eine besondere: „Ich bin aus der kalten Hose ins Spiel geworfen worden und habe mich in alles reingeschmissen.“ Trotz eines nicht auskurierten Bänderrisses half sie als linke Verteidigerin aus. Danach verpasste sie zwar die EM, hatte aber die Königsklasse gewonnen. Ein Jahr später folgte gleich der zweite Coup. Danach gingen mit Wolfsburg drei Endspiele 2016, 2018 und 2020 gegen den französischen Rekordsieger Lyon allesamt verloren. Insofern vielleicht gut, dass der Finalgegner in Eindhoven nun der FC Barcelona (Samstag 16 Uhr/ZDF und Dazn) ist. Popp freut sich im längst ausverkauften PSV-Stadion auf ein Weltklasseteam, das zuletzt „ordentlich für Furore“ gesorgt habe. Man sei sicherlich nicht der Favorit, erklärt die 32-Jährige, „aber in einem Spiel kann unfassbar viel passieren“.
Auf jeden Fall seien die Chancen besser als im Vorjahr, als die „Wölfinnen“ im vollbesetzten Camp Nou im Halbfinal-Hinspiel mit 1:5 unter die Räder kamen, so dass ein 2:0 im Rückspiel wenig nützte. Mit dem Henkelpott wäre für den deutschen Pokalsieger auch die verpasste Meisterschaft vergessen. „Ich glaube, dass wir endlich mal wieder dran sind, diesen Pokal in die Höhe zu heben“, sagt die Unterschiedsspielerin mit den Nehmerqualitäten. Erstmals hat sich Popp die Torjägerkanone in der Bundesliga gesichert. Obwohl sie trotz des bei der EM in England wieder entdeckten Stürmer-Gens im Verein weiter die Positionen wechselte, gelangen ihr 16 Treffer. „Wir haben vor allem probiert, Poppis Qualitäten immer wieder für uns zu nutzen“, erläutert VfL-Trainer Tommy Stroot. „Es gibt keine Spielerin in Europa oder auf der Welt, die so einen Offensivkopfball hat.“
Eine Eigenschaft, die auch dem deutschen Nationalteam bei der WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) wieder helfen soll. Dass es im Poker um die TV-Rechte immer noch keine Einigung gibt, erzürnt die Vorkämpferin.
Ein stressiges Jahr
„Grundsätzlich merkt man in dem Falle ja, dass es leere Worte sind, die im letzten Dreivierteljahr ausgesprochen wurden“, findet Popp. Man müsse doch nur miterleben, „was gerade im Frauenfußball passiert, dann wäre das einfach kein cleverer Weg, eine – ich betone das gerne noch mal – Weltmeisterschaft nicht zu zeigen.“
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wird ihren vorläufigen Kader am Mittwoch in Frankfurt berufen, aber die Nationalspielerinnen schickt sie bis zum Beginn des ersten Trainingslagers am 20. Juni in Herzogenaurach erstmal in den Urlaub. Popp begrüßt diese Auszeit in der Vorbereitung ausdrücklich: „Ich kann nicht leugnen, dass ich froh bin, vor der WM ein bisschen Pause zu bekommen.“ Nach der EM, als die Torjägerin wegen einer Muskelverletzung das Finale verpasste, waren die freien Tage an den Fingern einer Hand abzuzählen.
Es sei „ein stressiges Jahr“ gewesen, sagt die Vorzeigefigur des Vizeeuropameisters, weil so viel auch „neben dem Fußball reingeflogen ist: Früher konnte ich durch Berlin laufen und machen, was ich wollte“. Das ist heute nicht mehr möglich. Grundsätzlich empfindet die gebürtige Gevelsbergerin die Aufmerksamkeit als „wahnsinnige Wertschätzung“, doch manchmal sei der Rummel auch nervig. Als sie kürzlich beim Musical „Die Eiskönigin“ in Hamburg saß, wunderte sie sich, dass „nicht in Richtung Bühne, sondern in meine Richtung fotografiert wird“. Der Preis der Popularität – wie die meisten Protagonisten zahlt ihn Popp gerne. „Was die Vermarktung meiner Person angeht, kann ich mich nicht beschweren.“
Nach ihrer Vertragsverlängerung bis 2025 gilt die bekannteste auch als die bestbezahlte Fußballerin hierzulande. Seit 2012 spielt sie für den Werksverein, wobei sie sich in den Anfangsjahren noch als Tierpflegerin verdingte. Viel von ihrer Freizeit widmet sie inzwischen ihrem Vierbeiner namens „Patch“, einem Australian Shepherd, mit dem sie zum Entspannen in die Natur entschwindet. Mehr braucht sie eigentlich gar nicht. „Ich bin nicht kompliziert. Das bringt mich sofort runter.“
Quellenlink https://www.fr.de/sport/fussball/den-coup-im-kopf-92310869.html