Dem Projekt Zukunft fehlt die Einheit


Das föderale deutsche System mit autonomen Landesverbänden und Vereinen erweist sich als Hemmschuh für die Nachwuchsförderung. Zeit, daran etwas zu ändern.

Bundestrainer Hansi Flick mit seinem Lieblingsschüler Jamal Musiala, der allerdings in England ausgebildet wurde

Bundestrainer Hansi Flick mit seinem Lieblingsschüler Jamal Musiala, der allerdings in England ausgebildet wurdedpa/Charisius

Wer Hansi Flick über Jamal Musiala reden hört oder über Florian Wirtz, dem wird um die Zukunft des deutschen Fußballs erst einmal nicht bange. „Wir haben schon in den nächsten Jahren richtig gute Talente“, sagte der Bundestrainer, nachdem seine Auswahl bei der WM in Katar maßlos enttäuscht hatte. Der Nachsatz des 57-Jährigen bestätigte aber, was den in dieser Frage zerstrittenen Deutschen Fußball-Bund (DFB) lange beschäftigt: „Da geht es schon in die richtige Richtung, aber wir müssen schauen, was danach kommt. Jamal ist nicht in Deutschland ausgebildet, er ist in England ausgebildet.“

Nach der zweiten desolaten WM-Leistung in Folge rückt das 2018 vom DFB und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) initiierte „Projekt Zukunft“ für den Nachwuchs erneut stärker in den öffentlichen Fokus. Im Kern geht es um Maßnahmen und Umstellungen in der Ausbildung, beispielsweise „altersgerechte Spiel- und Wettbewerbsformen“ und weiterführende Trainingsarbeit. Mit aller Macht sollen Talente entdeckt und gefördert werden. Die Umsetzung scheiterte bislang am Widerstand aus den Landesverbänden. Dem Projekt Zukunft fehlt die Einheit.

Seit 2017 nicht mehr für eine U17-WM qualifiziert

„Ich habe da von meiner Seite erheblichen Druck drauf gegeben, weil ich glaube, dass wir da zu einem Ergebnis kommen müssen“, sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Weniger für die Heim-EM 2024, die Flick mit den schon bekannteren Talenten wie Musiala (19) und Wirtz (19) angehen wird. „Aber für die Folgeturniere“, sagte Neuendorf.

Es ist die nicht mehr neue Frage danach, warum der mitgliederstärkste Fußballverband der Welt nicht in dem Maße Toptalente auf allen Positionen hervorbringt, wie das beispielsweise WM-Finalist Frankreich, Spanien und aktuell auch England tun. „Es gab bereits verschiedene Ansätze im deutschen Fußball, die wurden aber nicht immer von allen mitgetragen. Da sind ein Stück weit auch diejenigen, die das nicht mitgetragen haben, in der Verantwortung“, befand der langjährige U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz.

Die zwei EM-Titel der Junioren mit Kuntz zwischen 2016 und 2021 widersprechen oberflächlich betrachtet der These, dass nicht genug Jungprofis nachkommen. Aber wie viele haben das Potenzial zur Weltklasse, die für den DFB Anspruch war? Die weiteren U-Klassen sind längst nicht so erfolgreich. Die letzte Teilnahme an einer U19-EM datiert von 2018. Bei der U17-WM war der deutsche Nachwuchs zuletzt 2017 dabei.

Nur mit Mittelfeldspielern gewinnt man keine WM

„Hansi Flick hat völlig recht, dass wir zum Beispiel bei Mittelstürmern keine große Auswahl mehr haben“, sagte DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke. „Dabei war Deutschland immer ein klassisches Land der Mittelstürmer. Von Uwe Seeler über Gerd Müller bis zu Rudi Völler. Das ist schlecht, da müssen sich die Vereine hinterfragen.“

Wie auch Kuntz führt der Vorsitzende der Geschäftsführung von Borussia Dortmund das föderale deutsche System mit autonomen Landesverbänden und Vereinen an. Diese Struktur sei manchmal „sehr schön“, führe aber auch zu Problemen. „In Frankreich zum Beispiel ist es zentralistischer, schon von der Historie her. Da wird gesagt, es wird jetzt ein Zentrum dorthin gesetzt, und dann sagen die Franzosen, ja okay. In Deutschland gäbe es erst einmal einen Riesenaufschrei“, sagte Watzke.

Die K.-o.-Runde der WM ließ jedenfalls nicht zu Unrecht die Frage aufkommen, wie die deutsche Nationalmannschaft gegen die Franzosen und Argentinier und deren Tempofußball bestanden hätte. Nur mit dem Überangebot an hochbegabten offensiv ausgerichteten Mittelfeldspielern wird keine WM gewonnen.

Musiala wurde in England ausgebildet

Die DFL listet aktuell 56 Leistungszentren der Vereine von der Bundesliga bis zur Oberliga auf. Musiala, der in Katar zu den wenigen deutschen Lichtblicken gehörte, war sieben Jahre alt, als seine Familie nach England zog. Dort wurde sein Talent entwickelt.

„Die Ergebnisse und das Ausscheiden muss man einberechnen“, sagte Flick zur Einordnung des Weltklasse-Anspruchs. „Trotzdem haben wir Spieler, die bei Top-Vereinen spielen. Ich sage schon: Wir haben Qualität. Wichtig für die Zukunft des deutschen Fußballs ist, dass man in der Ausbildung Dinge anders macht.“



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