Brisante Ermittlungen zu Nord Stream 2: Spuren in die Ukraine – und viele offene Fragen

VonFlorian Naumann
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Wer hat die Anschläge auf Nord Stream 2 verübt? Auch acht Monate nach der Tat ist das unklar. Deutsche Ermittlungen führen nun wohl auch in die Ukraine.
München – Seit Monaten laufen Ermittlungen zu den Sprengungen an der Pipeline Nord-Stream-2 – auch in Deutschland. Nun gibt es dabei offenbar neue Entwicklungen: Aktuelle Nachforschungen des Generalbundesanwaltes führen wohl unter anderem in ukrainische Militärkreise. Das geht aus Recherchen von NDR, WDR, Süddeutscher Zeitung und der ausländischen Medien Expressen (Schweden), frontstory (Polen) und Berlingske (Dänemark) hervor.
Im Fokus der neuen Erkenntnisse stehe einmal mehr die Segelyacht „Andromeda“, berichteten die Medien am Sonntag (21. Mai). Das Schiff des Typs „Bavaria Cruiser“ soll mit mehreren Personen an Bord im September 2022 bei Rostock gestartet sein und unter anderem an der dänischen Insel Christiansö in der Nähe der Pipeline Stopp gemacht haben. Am 26. September waren die Nord-Stream-Anschläge ausgeführt worden.
Bei einem der Besatzungsmitglieder könnte es sich demnach um einen 26-jährigen ukrainischen Staatsbürger gehandelt haben. Er könnte früher beim ukrainischen Militär gedient haben und befindet sich laut einer Auskunft einer Verwandten an NDR, WDR und SZ auch jetzt im Militär der Ukraine im Verteidigungskampf gegen Russland. Dieser Quelle zufolge hatte er allerdings im September 2022 die Ukraine nicht verlassen. Auch ein weiterer Ukrainer sei vermutlich zwar nicht an der eigentlichen Sabotage, aber „in einer Nebenrolle“ involviert gewesen, schreiben die drei Medien.
Nord-Stream-2-Sprengung: Rätsel um Briefkastenfirma in Polen – „Landesverräterin“ auf der Krim betroffen?
Zugleich führe eine weitere Spur von der „Andromeda“ in die Ukraine, hieß es. Angemietet habe die Yacht eine polnische Firma aus Warschau – die aber in offiziellen Dokumenten eine in der Ukraine lebende Frau als „Präsidentin“ angebe. Sie habe bestätigt, dem Unternehmen vorzustehen, aber keine weiteren Angaben gemacht.
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Laut Ermittlerkreisen könne es sich um eine Briefkastenfirma und bei ihrer Präsidentin um eine „Strohfrau“ handeln, schrieben NDR, WDR und SZ. Die Unternehmung firmiere als Reisebüro und habe jahrelang keine nennenswerten Umsätze verzeichnet – im Jahr 2020 dann aber plötzlich 2,8 Millionen Euro.
Damals habe auch eine 32-Jährige die Firma als Eigentümerin übernommen, ist bei Expressen zu lesen. Sie habe den polnischen Gewerbe-Behörden zwar einen ukrainischen Pass präsentiert, verfüge mittlerweile aber auch über die russische Staatsbürgerschaft. Sie arbeite für eine russische Behörde und werde von der Ukraine aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit den Besatzern als „Landesverräterin“ gelistet. Die Frau habe allerdings am Telefon jegliche Eigentümerschaft und Verbindung zu den Vorgängen bestritten.
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Laut Expressen war die Yacht in der Nähe der Gasleitung gesichtet worden; deutsche Ermittler hätten auch Spuren von militärischen, unter Wasser einsetzbaren Sprengstoffen auf der „Andromeda“ entdeckt. Das Boulevardblatt bezifferte die Besatzung auf sechs Personen: Fünf Männer und eine Frau. Sie seien mit einem Lieferwagen mit polnischen Kennzeichen im Yachthafen „Hohe Düne“ nördlich von Rostock angekommen.
Allerdings gibt es auch viele offene Fragen: Ukrainische Regierungsstellen, aber auch Offizielle aus Polen, Schweden, Dänemark und Deutschland hätten sich nicht zu den Recherchen geäußert, hieß es. Wer letztlich hinter den Anschlägen stecke, bleibe weiter unklar, betonte der deutsche Teil des Rechercheverbunds. Selbst falls Ukrainer in den Anschlag verwickelt waren, spreche dies nicht zwangsläufig für eine Beteiligung oder Billigung der Regierung in Kiew.
In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Berichte über „russische Geisterschiffe“ in der Ostsee gegeben – auch in örtlicher und zeitlicher Nähe zu den Explosionen an Nord Stream 2. „Die deutschen Sabotage-Ermittler halten diese Spur eher für kalt“, schrieb die SZ nun hierzu. Es gebe nach Auswertung von Satellitenfotos keine Indizien für eine Beteiligung russischer Schiffe. Experten aus Großbritannien und Dänemark hatten das zuletzt allerdings anders gesehen. (fn)
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