Berufswahl: “Ein Job, der glücklich macht” | Freie Presse


1117 Jugendliche suchen bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit nach einem Ausbildungsplatz. Sie können aus 1233 freien Stellen wählen. Eine Lücke, die aus mehr als nur einer Zahl besteht.

Erzgebirge.

Hausleiter Marcus Espig sitzt legere auf einem Tisch im kleinen Besprechungsraum des Kauflands auf dem Brünlasberg in Aue. Er stellt sich kurz vor und umreißt seine Vita. Eigentlich wollte er durch einen Job bei Kaufland nur sein Studium in Chemnitz finanzieren. Doch sein Weg führte ihn direkt zu einer Ausbildung bei Kaufland, wo er letztendlich eine Bilderbuchkarriere hingelegt hat und seit Juni 2019 das Haus in Aue leitet.

Zur Woche der offenen Unternehmen haben 306 Betriebe ihre Türen geöffnet

Eine Szene, wie sie sich ähnlich in der vergangenen Woche wohl -zig Mal im Erzgebirgskreis abgespielt hat. Denn zur Woche der offenen Unternehmen haben 306 Betriebe ihre Türen geöffnet, um sich potenziellem Berufsnachwuchs zu präsentieren. 170 verschiedene Berufsbilder und 50 Praxisnahe Studiengänge wurden dabei den Schülerinnen und Schülern vorgestellt. Denn Nachwuchs wird nahezu überall händeringend gesucht: Denn 1233 gemeldeten Ausbildungsplätzen bei der Agentur für Arbeit in Annaberg-Buchholz stehen gegenwärtig lediglich 1117 Jugendliche gegenüber, die über die Agentur nach einem Ausbildungsplatz suchen. Das diese Lücke weit mehr als nur eine Zahl ist, offenbart ein Blick in die Statistik: Während der Zerspanungsmechaniker seit Jahren bereits die Liste der am stärksten nachgefragten Berufe anführt – aktuell mit 106 offenen Stellen, taucht er in den Top 10 der Berufswünsche der Jugendlichen noch nicht einmal auf.

Kaufmann/Kauffrau: 65 offenen Stellen stehen immerhin 49 Bewerbungen gegenüber

Bei Kaufmann beziehungsweise Kauffrau im Einzelhandel ein etwas anderes Bild: 65 offenen Stellen stehen immerhin 49 Bewerbungen gegenüber. Auch im Kaufland in Aue geht es genau um diesen Beruf. Doch zunächst will Marcus Espig wissen, warum sich die fünf Jungs im Rahmen fürs Kaufland interessieren. Er wolle mal sehen, was seine Mutter den ganzen Tag macht, antwortete Collin Reuther spitzfindig. Sie sei stellvertretende Filialleiterin bei einer anderen namhaften Supermarkt-Kette. “Es ist ein Beruf, der mich echt interessiert, der mir wirklich gefallen könnte”, so der Achtklässler. Zahlen seien schon immer sein Ding. Der Einzelhandel oder auch der Automobilverkauf sei daher etwas, was für ihn perspektivisch in Frage kommt. Nicht das Gehalt, sondern ein Job, der glücklich macht, ist das Wichtigste für ihn. “Ich möchte nicht früh aufstehen und schlecht gelaunt sein, sondern gern auf Arbeit gehen.” Insgesamt konnte sich Marcus Espig an den drei Veranstaltungstagen über mehr als 30 Interessenten freuen.

“So viele Interessenten wie dieses Jahr hatten wir noch nie”

Vordergründig um Baugeräteführer und Straßenbauer ging es bei Max Bögl in Elterlein. Und die Resonanz war groß: “So viele Interessenten wie dieses Jahr hatten wir noch nie”, resümierte José Springer. Er zeichnet am Standort – einem von weltweit 40 der international agierenden Unternehmensgruppe mit knapp 6200 Beschäftigten und 2,5 Milliarden Jahresumsatz – mit für die Betreuung der Auszubildenden verantwortlich. Einer der Interessenten: Erik Steingräber aus Cranzahl. Für den Siebtklässler aus der Oberschule in Sehma steht fest, dass er auf alle Fälle einen Handwerksberuf lernen möchte – und einen, bei dem er an der frischen Luft ist. Das Geld – Lehrlinge erhalten in dem Bauunternehmen im ersten Jahr 855 Euro Ausbildungsvergütung, im zweiten 1060 Euro und im dritten 1270 Euro – spiele dabei für ihn nicht die entscheidende Rolle. Urlaub sei aber wichtig. Da könnte er in dem nach wie vor familiengeführten Unternehmen 30 Tage genießen. Entschieden hat sich der 13-Jährige aber noch nicht, auch wenn er Führung und Vortrag in Elterlein gut fand. Vielmehr will er auch im nächsten Jahr noch einmal die Chance nutzen und in der Woche der offenen Unternehmen weitere Berufe kennen lernen.

Männerdomäne? Beruf in der Metallbranche

In der Armaturen- und Metallwerke GmbH in Zöblitz hat sich die 15-jährige Leonie für einen Beruf in der Metallbranche interessiert. Das Unternehmen bildet unter anderem den stark nachgefragten Beruf des Zerspanungs- sowie den des Werkzeugmechanikers aus. Schon der Opa habe hier gearbeitet, erzählt Leonies Mutter. Sie selbst hat Bedenken, ob ein zierliches Mädchen in der Metallbranche zurechtkommt: “Es ist nach wie vor ein Männerberuf, wo man körperlich hart arbeiten muss.” Leonie selbst aber war angetan von der Führung durch die Produktionshallen: “Ich wollte mir ein erstes Bild von den Tätigkeiten machen. Der Rundgang war sehr informativ.” Sie sei aber noch unentschlossen, wohin die berufliche Reise gehen wird.

Pflegebranche nur was für Frauen?

Fast ausschließlich Schülerinnen interessierten sich bei der Diakonie in Marienberg für den Beruf der Pflegefachfrau. 80 Anmeldungen hat es dafür gegeben. “Das war sehr informativ und mal was anderes als Schule”, urteilte die 14-jährige Fabienne Wolf über den einstündigen Rundgang. Zu dem gehörten auch praktische Übungen wie beispielsweise Blutdruck messen. “Ich kann mir gut vorstellen, den Beruf nach Abschluss der zehnten Klasse zu erlernen”, glaubt Fabienne. In dieser Woche absolviert sie ein einwöchiges Pflegepraktikum bei einem anderen Pflegedienst-Unternehmen.



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