Bei der Warburg-Affäre handelt es sich um einen Korruptionsskandal

Ein Kanzler, der lügt, das ist mehr als nur ein Imageschaden für die SPD. Das sagt der Investigativ-Journalist Oliver Schröm. Ein Interview

Lügt der Kanzler? Darauf deuten Indizien hin. Uroš Pajović/Berliner Zeitung am Wochenende
Oliver Schröm ist einer der Investigativ-Journalisten, die sich um die Aufdeckung der Cum-Ex-Affäre verdient gemacht haben. Er ist außerdem Co-Autor des Buches „Die Akte Scholz: Der Kanzler, das Geld und die Macht“.
Wir haben mit dem Reporter über die Recherchen von Fabio De Masi und seine Anschuldigungen gegenüber Bundeskanzler Scholz gesprochen, er habe bei seinen Aussagen über die Warburg-Affäre gelogen.
In Hamburg findet ein Untersuchungsausschuss zur Warburg-Affäre statt. Wie wahrscheinlich ist es, dass dieser Ausschuss zu einem Ergebnis kommt?
Ich glaube, der Hamburger Ausschuss wird befeuert durch den Berliner Ausschuss, der ab Donnerstag eingesetzt wird. Da gibt es dann vermutlich muntere Wechselwirkung und der Berliner Ausschuss kommt vielleicht auch an andere Informationen ran als der Hamburger. Ich nehme mal an, dass die Opposition sich da jeweils austauschen wird.
Was steht für die SPD auf dem Spiel?
Da geht es um vieles, nämlich um das Image ihres Bundeskanzlers, der alle Kräfte aufgeboten hat, auch in Hamburg, und teils sehr geschickt agiert, um bei diesem Skandal seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Von daher ist es ganz gut, dass nun auch ein Ausschuss in Berlin der Sache nachgeht.
Sind Sie optimistisch, dass die Wahrheit über die Warburg-Affäre ans Licht kommt?
Die SPD hat natürlich alles getan, um Wasser in den Wein zu schütten und dafür zu sorgen, dass der Ausschuss nicht an alle Informationen herankommt. Wenn man aber sieht, was durch die Ausschüsse bislang alles ans Tageslicht gekommen ist, bin ich guter Dinge, dass noch mehr rauskommen wird. Das ist eine mühsame Arbeit, es fehlen noch ein paar Puzzleteile.
Warum fehlt der Aufschrei? Ist die Scholz-Warburg-Affäre zu kompliziert?
Finde ich nicht. Es gibt da einen Unwillen, auch bei der Politik, aber vor allem bei den Journalisten, sich dem Thema eingehend zu widmen. Es ist nicht kompliziert. Das ist das Narrativ, dass von der SPD und von Scholz‘ Handlangern im Kanzleramt gesetzt und mit einer Reihe von Nebelkerzen befeuert wurde. Und das leider verfängt. Cum-Ex klingt auf den ersten Blick kompliziert. Aber wenn man den Nebel wegpustet, ist es ganz simpel. Fabio De Masi bringt immer das Beispiel von einem Pfandbon, der zwei Mal und mehr abkassiert wurde. Warum sich das Gros der Hauptstadtjournalisten bisher da nicht so drauf gesetzt hat, ist mir nicht erklärbar. Es war nicht einmal groß Thema im Wahlkampf. Ich bin aber sicher, es wird jetzt ein Thema. Dadurch, dass es auch im Bundestag einen Untersuchungsausschuss gibt.
Würden Sie Fabio De Masi zustimmen? Hat Olaf Scholz gelogen?
Dass Olaf Scholz gelogen hat, haben Oliver Hollenstein und ich in unserem Buch „Die Akte Schulz“ enthüllt. Es gab ja Auftritte von Olaf Scholz im Finanzausschuss in Berlin. Wir sind an die Protokolle herangekommen, als sie noch unter Verschluss waren, und wir kennen seine Aussagen vom Untersuchungsausschuss in Hamburg. Und da kann er sich nicht mehr an die Treffen mit Warburg-Bänkern erinnern, während er sich an die Treffen im Berliner Finanzausschuss sehr wohl erinnern konnte. Das ist auch juristisch spannend.
Demnach war seine Aussage im Untersuchungsausschuss in Hamburg eine Falschaussage, als er sagte: „Ich kann mich nicht erinnern.“ Das ist die Unwahrheit, wenn nicht sogar eine Lüge. Und vor einem Untersuchungsausschuss gelten halt Regeln wie vor Gericht.
Da wird der Zeuge belehrt, er sei zur Wahrheit verpflichtet. Er darf nichts weglassen und nichts beschönigen. Ansonsten droht wegen Falschaussage sogar Gefängnisstrafe. Olaf Scholz wurde dahingehend auch im Untersuchungsausschuss belehrt. Trotzdem hat er ausgesagt, wie er ausgesagt hat, nämlich, dass er sich nicht erinnern kann. Es steht halt im krassen Gegensatz zu seinen Aussagen im Finanzausschuss.
Die Protokolle liegen vor, die SPD versucht, das alles umzudichten, aber das ist irgendwie auch ein bisschen peinlich, weil jeder, der lesen kann, sieht, was gesagt wurde. Und das sich die Hamburger Staatsanwaltschaft nach einer Anzeige mit abstrusen Begründungen wehrt, gegen Scholz Ermittlungen wegen mutmaßlicher Falschaussage einzuleiten, passt auch ins Bild.
Was war die Motivlage für Scholz? Wollte er seine Netzwerke schützen? Die SPD? Seine Karriere?
Das ist jetzt die eine Million-Dollar-Frage, die ich nicht seriös beantworten kann, da sie im Bereich der Spekulation liegt. Sie haben drei Möglichkeiten bereits aufgezählt in Ihrer Frage, die alle in Betracht kommen, aber letztendlich ist es unklar, was die Motivlage von Scholz war. Wollte er seine Netzwerke schützen? War das Unvorsichtigkeit? Gibt es noch mehr im Hintergrund? Etwa Korruption? Wir wissen, dass zumindest auch in Richtung des damaligen SPD-Abgeordneten Johannes Kahrs Parteispenden geflossen sind. Die Frage kann zur Stunde nur Olaf Scholz beantworten. Der wird es nicht tun. Und jetzt müssen wir mal drauf setzen, dass weitere Details ans Tageslicht kommen, die vielleicht hinsichtlich der Frage Antworten liefert, warum Scholz das gemacht hat, was er gemacht hat.
Ist damit Scholz für Sie als Bundeskanzler diskreditiert?
Der Skandal hat ja mittlerweile zwei Seiten. Einmal, dass sich Olaf Scholz mit den Cum-Ex-Profiteuren getroffen hat und sich mit diesen Privatbankiers über deren Steuerstrafverfahren unterhalten, ihnen Tipps gegeben und ihnen beim ersten Treffen angeboten hatte, sie könnten sich in der Sache jederzeit wieder melden, er erwarte dies sogar. Das allein ist eigentlich ein No go, ein Hamburger Bürgermeister, also ein Ministerpräsident, als Kummerkasten und Ratgeber für mutmaßliche Steuerkriminelle.
Und unmittelbar nach dem zweiten Treffen sind bekanntermaßen staatliche Geldrückforderungen unter den Tisch gekehrt worden. Das ist der eine Skandal. Der andere Skandal ist der Umgang mit dem Skandal, also die Lügen, die Vertuschung und Täuschungen. Und mittlerweile habe ich manchmal den Eindruck, dass das für Scholz mittlerweile noch viel unangenehmer und gefährlicher wird als die Sache an sich. Deshalb ist jetzt der Untersuchungsausschuss so spannend. Wenn es dingfest gemacht wird, dass Olaf Scholz gelogen hat, dann hat er unser Parlament und auch die Öffentlichkeit angelogen und zwar als Bundeskanzler. Und das ist natürlich schon erheblich. Ein Kanzler, der lügt – das ist mehr als nur ein Imageschaden.
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