Autonom
Selbstfahrendes Taxi zum Mond gefällig? Na ja, vorerst haben autonom fahrende Autos auf der Erde noch genug Probleme.
Wer fände das nicht lästig: Da haben Sie sich stundenlang auf Ihre Dienstreise vorbereitet, sitzen schon mit den Kollegen in der Kapsel, und dann: Aussteigen, Ende Gelände, Rakete springt nicht an. Aussteigen, Pause, alles von vorne, verspätete Ankunft, und kein Mensch weiß, wo bei der Nasa die Fahrgastrecht-Formulare sind.
So war das kürzlich wieder, und es wird niemanden wundern, wenn die Frage aufkommt, ob sich die Nerverei noch lohnt. Können diese Weltraum-Dinger nicht längst schon autonom fliegen, viel besser sogar, als autonome Autos fahren? Wir erobern den Mond, aber niemand geht hin, warum nicht? Die Besatzung, die sie dann doch noch hingeschickt haben, weil die Zündung der Rakete mit Tagen Verspätung funktioniert hat, kann ruhig noch ein bisschen auf der Internationalen Raumstation bleiben, es ist immerhin der einzige Ort der (im weiteren Sinne) Welt, wo russische und US-amerikanische Menschen noch miteinander sprechen.
Auf der Welt im engeren Sinne (Erde) fliegen die mehr oder weniger autonomen Raketen auf Befehl eines weniger gesprächigen Russen in ukrainische Elektrizitätswerke und Wohnhäuser, und wenn der Russe nicht entschieden hätte, seine und andere Leute auch im Bodenkampf zu verheizen, hätte man fast glauben können, dass der irrsinnigste „Fortschritt“ des 20. Jahrhunderts, erzielt durch immer autonomere Waffen, in der Ukraine seine Fortsetzung findet: Im Ersten Weltkrieg hatte die Zivilbevölkerung einen Anteil an den Opfern von fünf Prozent, bis zur Jahrtausendwende (ja, auch vor der Ukraine gab es Krieg) waren es 90 bis 95 Prozent.
Wir wissen allerdings alle, dass die schönen Dinge, die für die Raumfahrt und den Krieg herbeigeforscht werden, unermüdlich auch dem noch friedlich überlebenden Teil der Menschheit zunutze gemacht werden, Stichwort: autonomes Fahren. Autonom heißt wörtlich übersetzt „nach eigenen Gesetzen“, aber so wörtlich nehmen das die Autos meistens nicht.
Oder nur manchmal: Im Fernsehen haben sie letztens wieder gezeigt, wie ein selbstfahrendes Taxi, das vergessen hat, das Licht anzumachen, von der Polizei in San Francisco angehalten wird. Kaum angehalten, fährt es allerdings plötzlich weiter, aber nur ein Stück über die Kreuzung, und warum, ist ja klar: Das Auto habe nicht etwa vor der Polizei fliehen wollen, da war der Sprecher der Betreiberfirma absolut sicher, sondern es habe „die Situation erkannt und versucht, einen sicheren Halteplatz zu finden“. Es darf hinzugefügt werden, dass die Polizisten die friedlichen Ansichten des Autos umgehend erkannt und darauf verzichtet haben, es zu erschießen.
Quellenlink https://www.fr.de/kultur/timesmager/autonom-92137378.html?cmp=defrss