27 Tote beim Konflikt im Kaukasus gemeldet

Im Südkaukasus greift Aserbaidschan die von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach an. Schon nach mehreren Stunden gibt es offenbar viele Tote.
Stepanakert – Kämpfe im Kaukasus zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Region Berg-Karabach: Der aserbaidschanische Militäreinsatz hat nach örtlichen Angaben binnen Stunden mehr als zwei Dutzend Menschen in Berg-Karabach das Leben gekostet. „Mit Stand 20.00 Uhr gibt es 27 Opfer, darunter zwei Zivilisten, als Folge des umfassenden Terrorangriffs durch Aserbaidschan“, schrieb der Menschenrechtsbeauftragte der international nicht anerkannten Republik Berg-Karabach (Arzach), Gegam Stepanjan, am Abend auf der früher als Twitter bekannten Plattform X.
Konflikt im Kaukasus: Aserbaidschan beschießt Berg-Karabach – 138 Verletzte
Darüber hinaus seien in der Konfliktregion im Kaukasus mindestens 138 Menschen verletzt worden, darunter 29 Zivilisten. Aus sechs Orten in der Region Berg-Karabach seien Bewohner vor dem aserbaidschanischen Beschuss in Sicherheit gebracht worden.
Das autoritär geführte Aserbaidschan hatte den breit angelegten Militäreinsatz zur Eroberung Berg-Karabachs am Morgen begonnen. Die Region liegt zwar auf aserbaidschanischem Staatsgebiet, wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt. Die beiden ehemals sowjetischen Nachbarländer kämpfen bereits seit Jahrzehnten um Berg-Karabach. Im jüngsten Krieg 2020 hatte die durch Öl- und Gaseinnahmen hochgerüstete Armee Aserbaidschans bereits weite Teile Karabachs erobert.
Aserbaidschan stellt Bedingungen für Ende der Kämpfe in Berg-Karabach
Aserbaidschan ist offenbar bereit, die Militäroperation in Berg-Karabach zu beenden und sich mit Vertretern der armenischen Bevölkerung zu treffen. Allerdings müssten zufolge des Amts vom aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev zunächst „eine Reihe von Bedingungen“ erfüllt werden.
Voraussetzung für ein Ende der „antiterroristischen Aktivitäten“ in Berg-Karabach sei laut des Amtes die Abgabe der Waffen der „illegalen bewaffneten Formationen“, hieß es. Darüber hinaus müsse das illegale Regime in Berg-Karabach abtreten, sonst gebe es ein keinen Grund, die Operation zu beenden.
Das aserbaidschanische Präsidentenamt erklärte des Weiteren, dass das „illegale Regime“ in Berg-Karabach aufgelöst werden müssen, ansonsten würde es zu einer Fortsetzung der „antiterroristischen Maßnahmen“ kommen.
Kämpfe um Berg-Karabach: Bundesregierung äußert Kritik an Aserbaidschan
International wurde Aserbaidschan für sein gewaltsames Vorgehen kritisiert. Die Bundesregierung etwa verlangte von der Führung in Baku ein sofortiges Ende der Militäraktion in Berg-Karabach. „Armenien und Aserbaidschan sind jetzt in einer sehr kritischen Situation, und deshalb ist für uns ganz klar, dass diese Kriegshandlungen sofort beendet werden müssen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande der UN-Generaldebatte in New York.
Bundesaußenministerin Baerbock forderte infolge der „Gewalteskalation“ in Berg-Karabach: „Aserbaidschan muss den Beschuss sofort einstellen und an den Verhandlungstisch zurückkehren“, so Annalena Baerbock. Auch die US-Regierung zeigte sich „zutiefst besorgt“ über die aktuellen Entwicklungen und forderte Aserbaidschan auf, die Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen.
Karte vom Konflikt um die Region Berg-Karabach

Russland meldet sich zu Kämpfen um Berg-Karabach zu Wort
Derweil äußerte sich auch Russland hinsichtlich der neuen Gewaltausbrüche. „Wir sind tief besorgt wegen der scharfen Eskalation der Lage in Berg-Karabach“, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Dienstag bei einem Pressebriefing zu der Auseinandersetzung um die Konfliktregion. Sie betonte, dass die Kämpfe beendet und der Konflikt auf dem Verhandlungsweg gelöst werden müsste.
Gleichzeitig wies Sacharowa die in Armenien erhobenen Vorwürfe zurück, dass Russland in die Angriffspläne Aserbaidschans eingeweiht gewesen sei. Die dort stationierten russischen Truppen hätten erst Minuten vor dem Beginn des Militäreinsatzes davon erfahren, sagte sie.
Konflikt im Kaukasus: Türkei und Erdogan geben Aserbaidschan Rückendeckung für Operation in Berg-Karabach
Rückendeckung erhielt Aserbaidschan hingegen aus der Türkei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte, sein Land unterstütze die Schritte zum „Schutz der regionalen Integrität Aserbaidschans“.
Die ebenfalls islamisch geprägte Türkei gilt als Schutzmacht Aserbaidschans, wohingegen das christlich-orthodoxe Armenien traditionell auf die Unterstützung Russlands setzt, das in der Region auch eigene Soldaten stationiert hat. Mittlerweile aber braucht Moskau seine Kämpfer in erster Linie für den eigenen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Eskalation in Berg-Karabach: Nutzt Aserbaidschan Russlands Schwäche durch den Ukraine-Krieg aus
Beobachter hatten deshalb bereits befürchtet, dass Aserbaidschan diese instabile Lage für militärisches Vorgehen nutzen könnte. Schon vor Beginn des jüngsten Beschusses war die humanitäre Lage in Berg-Karabach katastrophal gewesen, weil Aserbaidschan den einzigen Zugang Armeniens in die Exklave – den sogenannten Latschin-Korridor – blockierte.
In Armeniens Hauptstadt Eriwan brachen am Dienstagabend heftige Proteste gegen die eigene Regierung aus, es kam teils zu Zusammenstößen mit der Polizei. Die Demonstranten forderten von Regierungschef Nikol Paschinjan ein entschiedeneres Vorgehen sowie Unterstützung der armenischen Bewohner in Berg-Karabach. (mit Material der dpa)