„2023 wird nicht top werden“



Frankfurt An das Chaos an deutschen Flughäfen im vergangenen Jahr können sich viele Reisende noch sehr gut erinnern. Die Sorge vieler Flughafen-Manager wächst, dass auch 2023 ruckelig werden wird. Auf großes Verständnis darf die Luftfahrtbranche dann nicht mehr hoffen – nicht bei den Passagieren und auch nicht in der Politik. Im Gespräch mit dem Handelsblatt versucht Fraport-Chef Stefan Schulte zu erklären, was nur schwer zu verstehen ist.

Herr Schulte, in wenigen Tagen ist Ostern. Wie chaotisch wird die Reisesaison in diesem Jahr für Passagiere am Flughafen Frankfurt?
Ich bin vorsichtig optimistisch. Das Jahr 2023 wird nicht top werden, wir haben Herausforderungen wie den Mangel an Arbeitskräften. Aber die Passagiere werden spüren, dass es eine deutliche Verbesserung gibt.

Wirklich? In den letzten Tagen kursierten in den sozialen Medien wieder Bilder von langen Schlangen an den Sicherheitskontrollen.
Es kann immer wieder mal zu Warteschlangen kommen, etwa zu Ferienbeginn. Aber noch mal: Es wird besser werden.

Dass nach dem abrupten Anstieg der Passagierzahlen im vergangenen Jahr Personal fehlte, versteht jeder. Aber warum ist das Problem immer noch nicht gelöst?
Durch Corona ist ein Teil der Arbeitskräfte in ihre Heimatmärkte zurückgegangen und kommt auch nicht mehr zurück. Zudem hat die Pandemie neue Onlinedienste befeuert, die Arbeitskräfte brauchen. Wir haben Vollbeschäftigung, gleichzeitig ist der Arbeitskräftebedarf wegen der Erholung des Luftverkehrs hoch. Wir verstärken unsere Mannschaft nun auch mit Arbeitskräften etwa aus Spanien und Griechenland.

Das hat doch letztes Jahr schon nicht geklappt, die befristete Anstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Türkei war ein Flop.
Die Aktion war zu hektisch. Das wurde auch von Branchenseite zu wenig strategisch geplant. Das wird sich nicht wiederholen.

Warum zahlen Sie nicht einfach mehr, damit der Knochenjob auf dem Vorfeld attraktiver wird?
So argumentieren auch die Gewerkschaften. Aber es geht um mehr, etwa um die Arbeitsbedingungen und die Schaffung einer Perspektive.

Fraport-Chef: „Wir brauchen Zuwanderung“

Perspektive? Was meinen Sie damit?
Wir brauchen Zuwanderung, im europäischen Arbeitsmarkt alleine lässt sich der Engpass nicht beheben. Deshalb bin ich froh, dass die Bundesregierung an einem Zuwanderungsgesetz arbeitet. Der Arbeitskräftemangel ist nicht nur einer in der Luftfahrt, der betrifft viele Branchen.

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Und damit wird alles besser?
Bisher ist geplant, für Arbeitskräfte – wir reden hier nicht von Fachkräften – den Aufenthalt auf sechs Monate zu begrenzen. Das wird ein Rohrkrepierer. Man muss den Menschen ja nicht gleich eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erteilen, aber sie brauchen mehr persönliche Planungssicherheit.

Vielleicht sollten wir uns damit abfinden, dass wir nie mehr so viel fliegen können wie vor der Krise?
Nein. Ich sehe das deutlich positiver: Wir arbeiten so eng in der Branche zusammen, um für einen verlässlichen Flugbetrieb zu sorgen, dass wir am Ende ein System haben werden, das deutlich resilienter sein wird als in der Vergangenheit. Aber dazu müssen auch anderswo Probleme gelöst werden.

Worauf spielen Sie an?
Den Luftraum etwa. Dort ist es eng, was oft schon Verspätungen verursacht. Durch den Krieg in der Ukraine ist es noch enger geworden, weil mehr Überflüge über Deutschland gehen. Hier sind Politik und die Luftsicherheitsbehörden gefragt. Ist zum Beispiel eine einfachere Wegeführung möglich? Daran wird zum Glück auch gearbeitet.

Stefan Schulte

Der Fraport-Chef kämpft nach wie vor mit einem Personalmangel und warnt vor Engpässen bei der Abfertigung.

(Foto: IMAGO/HMB-Media)

Warum begrenzen Sie nicht dauerhaft die Zahl der maximalen Starts und Landungen, wie Sie es jetzt im Sommer machen?
Das geht nur temporär als eine freiwillige Maßnahme. Die trifft übrigens in Frankfurt die Lufthansa als größten Anbieter am stärksten, der ich dafür Respekt zolle. Das dauerhaft zu machen, würde den Wettbewerb verzerren und ist daher nicht zulässig.

Aber das größte deutsche Drehkreuz wächst langsamer als Ihre Flughafenbeteiligungen etwa in Griechenland. Das kann Ihnen doch nicht gefallen.
Das hängt mit der anderen Struktur in Frankfurt zusammen. Als großes Drehkreuz hängen wir stärker an den Interkont-Verbindungen und den Geschäftsreisenden. Treiber der Nachfrage sind aber aktuell vor allem die Privatreisenden, also etwa Touristen. Davon profitiert Griechenland.

Warum ist es dann in Griechenland gelungen, das große Passagieraufkommen ohne Chaos zu bewältigen?
Gründe sind zum Beispiel ein flexiblerer Arbeitsmarkt und eine andere Einstellung. Wenn es etwa bei den Sicherheitskontrollen Engpässe gibt, springt auch mal der Polizist ein. Das fordere ich jetzt nicht für Deutschland, nicht falsch verstehen. Aber es zeigt, was Flexibilität möglich macht.

Wartezeit am Flughafen: CT-Scanner sollen die Kontrollen beschleunigen

Wie viel Umsatz geht Ihnen verloren, weil Sie in Frankfurt nicht so wachsen können, wie Sie eigentlich möchten?
Das hängt von vielen Faktoren ab. Wenn jemand zum Beispiel mit dem Zug anreist, fallen keine Flughafenentgelte an. Aber mit einem Weiterflug etwa in den Urlaubsort macht Fraport dennoch Umsatz.

Fraport steuert seit Jahresbeginn die Sicherheitskontrollen, die als chronischer Engpass auf dem Weg zum Flugzeug gelten. Wie wollen Sie die Warteschlangen verkürzen?
Wir haben jetzt viel bessere Daten und können die Ressourcen flexibler planen. Auch können wir schneller moderne und effizientere Geräte wie CT-Scanner einsetzen. Sieben davon stehen schon, weitere werden folgen.

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Warum geht das jetzt schneller?
Wir hängen nicht mehr am staatlichen Haushalt und am staatlichen Beschaffungswesen. Wir haben mit der Bundespolizei eine Kooperation beschlossen, die dafür sorgen soll, am Flughafen Innovationen zu beschleunigen. Das werden die Passagiere direkt merken.

Ist es denkbar, dass die Abfertigung im Terminal irgendwann mal weitgehend automatisiert läuft?
Es muss uns gelingen, die Fluggäste irgendwann weitgehend automatisiert durch die Kontrollen zu führen. Natürlich werden dort weiter Menschen arbeiten. Aber der Komfort für die Reisenden wird höher sein. Und es können mehr Passagiere abgefertigt werden. Das brauchen wir.

Herr Schulte, vielen Dank für das Interview.

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