Woher deutsche Klima-Aktivisten Geld bekommen – Wirtschaft

Es ist wirklich kein subtiler Film, den Adam McKay gedreht hat. Es geht in “Don’t Look Up” darum, dass die Leute zu ignorant und arrogant sind, die offensichtliche Gefahr zu erkennen: ein Komet, der auf die Erde zurast und sie zerstören wird, sollte nicht jetzt jemand was dagegen unternehmen – es unternimmt aber keiner etwas. Der Komet ist freilich eine Metapher auf die Klimakrise, bei der die Leute ebenfalls zu ignorant und arrogant zu sein scheinen, die Gefahr zu erkennen, obwohl sie jetzt was dagegen unternehmen müssten. “Jetzt nichts zu tun, das ist Wahnsinn”, sagte McKay erst kürzlich.
Okay, könnte man sagen, linksgrüner Hollywood-Gutmensch, der selbst keine politische Verantwortung hat und aus seinem Elfenbeinturm schlau daherredet. Nur: Das ist in diesem Fall nicht so, McKay lässt seinen Worten auch Taten folgen – oder, wie die Amerikaner dazu sagen: He puts his money where his mouth is. Also: nicht nur labern, sondern Kohle auf den Tisch. McKay spendete vier Millionen Dollar an den Climate Emergency Fund (CEF) und trat der Non-Profit-Vereinigung als Vorstand bei. “Die Zeit für Nettigkeiten und Babyschritte ist vorbei”, sagte er. Und: “Es ist an der Zeit, unser Fleisch und Blut, unser Vermögen, unsere Reputation, einfach alles dafür aufs Spiel zu setzen.”
Klingt martialisch, und das soll es auch. Auf diesem Event der Aktivistengruppe Declare Emergency im September war auch Peter Kalmus zugegen. Der Klimaforscher der US-Weltraumbehörde Nasa hatte sich im Frühjahr an eine Bank in Los Angeles gekettet, er sagte nun: “Wenn du dich um den Klimawandel sorgst, um deine Kinder, um die Bäume und um die Korallen, um die Zukunft der Menschheit; wenn du das alles satt hast, dann ist das Risiko, verhaftet zu werden, eines der befreiendsten Dinge, die man tun kann. Du trittst einer Gruppe bei, deren Mitglieder zu den mutigsten und großherzigsten Menschen der Welt gehören, weil sie Risiken für andere eingehen. Diese Solidarität und das Gefühl, sich nicht mehr zurückhalten zu müssen, ist wunderbar.”
Der Climate Emergency Fund (CEF), den McKay und andere unterstützen, ist letztlich ein Risikokapitalgeber für Klimaschutzorganisationen und unterstützt zum Beispiel auch die deutschen Aktivisten der “Letzten Generation”, die sich auf Straßen oder Flughäfen festkleben, Brücken und Banken blockieren oder Suppe auf die Schutzgläser vor Gemälden in Museen schütten. Es geht ganz bewusst um zivilen Ungehorsam als Strategie im Kampf gegen Ignoranz und Arroganz, unter den Zielen steht eindeutig: “Der Climate Emergency Fund unterstützt disruptiven Aktionismus; es ist der effizienteste Weg, wirkliche Veränderungen zu erzielen.” Insgesamt hat das Non-Profit in diesem Jahr eigenen Angaben zufolge knapp fünf Millionen Dollar an hundert Aktivismus-Organisationen verteilt, in Deutschland neben der “Letzten Generation” zum Beispiel auch an “Scientist Rebellion”. Genaue Summen erfährt man weder vom CEF noch den Aktivisten.
Aileen Getty ist die Enkelin von J.P. Getty, der durch Öl zum Milliardär wurde.
(Foto: RODIN ECKENROTH/Getty Images/AFP)
Gegründet wurde der Climate Emergency Fund im Juli 2019 unter anderem von Aileen Getty; über die Proteste in der National Gallery in London im November – Aktivisten hatten Tomatensuppe auf das Sonnenblumen-Gemälde von Vincent van Gogh geschüttet, sie trugen dabei T-Shirts mit der Aufschrift “Just Stop Oil” – schrieb sie in einem Essay für The Guardian: “Einige haben die Aktivisten verlacht; ich dagegen bin stolz auf die Debatte, die sie ausgelöst haben. Unser Planet brennt; wir stehen kurz davor, eine Zeit zu erleben, in der es nur noch Bilder und Gemälde von unserer schönen Welt geben wird, und in der Galerien die letzte Ruhestätte für Sonnenblumen sein werden.”
J.P. Getty wurde mit Öl zu einem der reichsten Männer der Geschichte
Moment mal: Getty, dieser Nachname, der steht doch nicht für “Just Stop Oil”; sondern eher für einen, der mit Öl zu einem der reichsten Menschen der Geschichte geworden ist. Aileen ist die Enkelin von J.P. Getty, sie schreibt im Essay: “Ich entspringe einer berühmten Familie, die ihr Vermögen auf fossilen Brennstoffen aufgebaut hat – aber wir wissen jetzt, dass Gewinn und Nutzen fossiler Brennstoffe das Leben auf diesem Planeten zerstört. Unsere Familie hat dieses Unternehmen vor vier Jahrzehnten verkauft, und ich habe mir stattdessen geschworen, meine Ressourcen einzusetzen, um alles zu tun, um das Leben auf der Erde zu schützen.” Für sie seien die Proteste gerechtfertigt, man sei an einem Punkt angelangt, an dem disruptive Maßnahmen ergriffen werden müssten, um Wandel herbeizuführen auf einem Planeten, der immer unbewohnbarer werde.
Das ist natürlich interessant: Eine der Gründerinnen und zugleich aktivsten Geldgeberinnen (Getty hat mehr als 4,5 Millionen Dollar an den Climate Emergency Fund gespendet) des Klima-Kapitalgebers stammt aus einer Öl-Familie – und eine der Gründerinnen und aktivsten Geldgeberinnen einer anderen Vereinigung entspringt ebenfalls einer Öl-Familie: The Equation Campaign unterstützt Leute, die in der Nähe von Pipelines und Raffinerien wohnen und sich, wie beim Climate Emergency Fund, gerne auch mit zivilem Ungehorsam und Holzhammer-Aktionen gegen die Verschmutzung der Erde durch fossile Brennstoffe einsetzen. Es begann mit dem Versprechen, 30 Millionen Dollar über zehn Jahre bereit zu stellen – von Rebecca Rockefeller Lambert und Peter Gill Case. Beide sind Erben des Rockefeller-Imperiums: John D. Rockefeller hatte 1870 den Konzern Standard Oil gegründet und war der erste Milliardär der Vereinigten Staaten. “Ich fühle eine moralische Verpflichtung, meinen Teil zu leisten”, sagte Case: “Es ist Zeit, den Geist zurück in die Flasche zu stecken.”
Der Climate Emergency Fund wurde im Juni 2019 gegründet, The Equation Campaign ein paar Monate später. Timing ist in diesem Fall ganz besonders wichtig, denn es gab ja nicht nur die Pandemie – weshalb McKays “Don’t Look Up”, veröffentlicht an Heiligabend 2021, auch als Covid-Film interpretiert und der von Leonardo DiCaprio verkörperte Wissenschaftler mit den Virologen Anthony Fauci und Christian Drosten verglichen wurde. Es gab in den USA die Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung, und es gab den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 durch die Anhänger von Donald Trump nach dessen Wahl-Niederlage. Es gibt in diesem Land keinen Konsens mehr, und deshalb interpretiert noch immer mehr als ein Drittel der Amerikaner die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt während der Pandemie als Zerstörung und Plünderei – und den Angriff aufs Kapitol als Ausüben des Rechts auf Freie Meinungsäußerung.
Gewiss, auch in Deutschland werden die Aktionen der Klima-Aktivisten kontrovers diskutiert. In den USA aber, und das ist keine Übertreibung, kann man derzeit nichts tun oder sagen, ohne dass einen die eine Hälfte der Bevölkerung dafür in den Himmel jubelt und die andere verteufelt. Die einen also, die bei Wahlen ihr Kreuz bei Kandidaten der Demokraten setzen, halten die finanzielle Unterstützung für die Klima-Aktivisten für eine moralische Verpflichtung; die anderen sagen, dass reiche Leute ihr schlechtes Gewissen durchs Unterschreiben eines Schecks beruhigen – und damit Kriminelle fördern würden.
Es gibt keine Mitte, keinen gemeinsamen Nenner, und es ist interessant, dass ein dritter Nachname auftaucht, der wie die anderen beiden tief in der amerikanischen Geschichte verwurzelt ist: Kennedy. Eine der Gründerinnen des Climate Emergency Fund ist Rory Kennedy, 54. Die Tochter von Robert F. Kennedy, erst nach dessen Tod geboren, hat als Regisseurin zahlreiche Dokumentarfilme über soziale Missstände wie Sucht, Behandlung von Kriegsgefangenen oder die Situation an der Grenze zwischen Mexiko und den USA gedreht. “In der Geschichte unserer Nation haben zahlreiche gesellschaftliche Veränderungen auf der Straße begonnen”, sagt sie: “Als Familie haben wir über die Jahre die Wichtigkeit von Protest zu schätzen gelernt.” Sie sei im Alter von 13 Jahren von ihrer Mutter zu Botschaft von Südafrika in Washington gebracht worden, um gegen Apartheit zu demonstrieren – in dem Wissen, dass Demonstranten verhaftet würden.
Nur ein Bruchteil aller Spenden weltweit geht in den Kampf gegen die Klimakrise
Es sind also vermögende und bekannte Leute, die den Klima-Aktivismus unterstützen, und wenn man ihnen so zuhört, ist das auch dringend notwendig: Einer Studie der Climateworks Foundation zufolge gingen im Jahr 2020 nur knapp zwei Prozent der wohltätigen Spenden weltweit (810 Milliarden Dollar) an den Kampf gegen die Klimakrise – und nur ein Bruchteil der geschätzten 15 Milliarden Dollar in Aktivismus. Das soll sich ändern, aus dem Umfeld von Climate Emergency Fund und The Equation Campaign ist zu hören, dass 2023 ein ganz besonderes Jahr für die Aktivisten werden soll; weil zum einen die Aktionen dieses Jahres für Aufmerksamkeit gesorgt haben und zum anderen Leute mit bekannten Nachnamen und gefülltem Konto sowohl Reichtum als auch Prominenz nutzen wollen, den Leuten Ignoranz und Arroganz auszutreiben; gerne mit zivilem Ungehorsam.
Oder, wie es Aileen Getty beschreibt: “Wir sollten nicht vergessen, dass wir übers Aussterben reden. Ist es nicht unsere Aufgabe, jedes Mittel zu nutzen, um das Leben auf diesem Planeten zu schützen?”