München: Ehemaliger BMW-Abteilungsleiter wegen Untreue verurteilt – München


“Ich bedanke mich für die faire Atmosphäre in diesem Prozess und wünsche schöne Feiertage”, sagt der Anklagte formvollendet in seinem letzten Wort. Dann verurteilt die 6. Strafkammer am Landgericht München I Ingo K. zu einer weihnachtlich-moderaten Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten.

Wie der 52-Jährige selbst umfassend gestand, hatte er als Abteilungsleiter bei BMW zwischen 2015 und 2017 seinen Arbeitgeber mit bestellten Zulieferer-Rechnungen um knapp drei Millionen Euro gebracht. Den “hohen Vertrauensvorschuss”, den K. als langjähriger Mitarbeiter in exponierter Position hatte, habe er “weidlich ausgenutzt”, sagte die Vorsitzende Richterin Andrea Wagner.

Kurzes graues Haar, hagere Gestalt, dezent elegant gekleidet: So wird der ehemalige Abteilungsleiter aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Ingo K. hält während des ganzen Vormittags die Augen auf die Bank vor sich geheftet, er meidet jeden Blickkontakt. “Entweder sind Sie ein guter Betrüger, oder Sie sind wirklich geläutert”, sagt die Richterin. Dabei hatte sie ihm für seine Taten eine hohe kriminelle Energie bescheinigt. Im Grunde genommen war das ganze Leben von Ingo K. irgendwann eine einzige Fälschung.

Der Ingenieur stieg bereits 1994 bei BMW ein, legte eine steile Karriere hin und befand sich spätestens von 2006 an in einer Position, in der “die Compliance-Wirkung sich nicht mehr entfaltete”, wie es die Richterin formulierte. Anders gesagt: Das Handeln von Ingo K. unterlag keinerlei Kontrollmechanismen durch den Betrieb.

Er entdeckte ein Schlupfloch und war “selbst überrascht, wie einfach es ging”: Er fand Zulieferfirmen, denen er weis machte, der Automobilkonzern müsse Fahrzeuge von BMW-Händlern zurückkaufen, da diese Probleme in der Elektronik hätten, die BMW während der Entwicklungsphase selbst nicht habe absichern können. “Er hat das geschickt gemacht, die Lieferanten ein bisschen im Unklaren gelassen”, sagt die Richterin. “Aber die hätten auch draufkommen können, dass die Geschichte so nicht stimmen kann.”

Der Angeklagte leitete Geld von Zulieferern in die eigene Tasche

Jedenfalls bot Ingo K. den Firmen an, sie sollten ihm im Rahmen künftiger Aufträge Rechnungen stellen, das Geld werde er für verdeckte Autokäufe verwenden. Tatsächlich floss es in seine eigene Tasche. Im Gegenzug schanzte er ihnen lukrative Aufträge von BMW zu.

Die Rechnungsbeträge steigerten sich mit den Jahren. Und der Vorsatz von Ingo K., mit dem Geld nur seinen Hausbau zu finanzieren, verblasste. Teure Urlaube, exklusive Kleidung, Uhren, Schmuck – “die Einnahmequelle wurde zur Aufrechterhaltung seines Lebensstils unverzichtbar”, sagte ein Ermittler vor Gericht. “Mit seinem BMW-Gehalt hätte er das nicht bestreiten können.”

Und die Lügen hielten an. Wie der Fahnder erzählte, habe man auf dem Computer von K. gut 50 gefälschte Dokumente gefunden, angefangen von Arztattesten, die er bei Gericht vorlegte, bis hin zu manipulierten Screenshots seines Online-Banking-Accounts.

“Sie haben sich so hineingesteigert, dass es keinen Riegel mehr gab”, meinte die Richterin. Man habe K. auch begutachten lassen, ob eine manische Phase vorliege, “aber laut Gutachten sind Sie eindeutig schuldfähig”. Lediglich eine narzisstische Neigung habe der Gutachter diagnostiziert, “aber die mag man Personen in Führungspositionen zugestehen”.

Verteidiger Christian Steinberger legte für seinen Mandanten das umfassende Geständnis in die Waagschale, und auch die Tatsache, dass das Eigenheim nun zwangsversteigert und die Existenz von K. zerstört sei. “Nach seiner Entlassung wird es für ihn beruflich schwer, wieder tätig zu werden.” Staatsanwalt Maximilian Quadbeck forderte eine Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren, da es sich um 15 Fälle von Untreue handle und ein hoher Schaden entstanden sei.

Jetzt wartet Ingo K. in Haft auf seinen nächsten Prozess, zumal noch ein weiterer Zulieferer in den Skandal verstrickt sein soll. Die Staatsanwaltschaft führt in dem Komplex gegen rund ein Dutzend Beteiligte Ermittlungsverfahren.



Quellenlink https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-prozess-bmw-abteilungsleiter-untreue-landgericht-muenchen-1.5720660