Hoffenheim nach dem 2:5 in der Krise: “Das ist nicht akzeptabel” – Sport


Aufgemotzte Schlitten, aus denen die Bässe wummern, sind auf den Straßen des Ruhrpotts nichts Ungewöhnliches. Wenn aber aus dem Mannschaftsbus der TSG Hoffenheim während der finalen Zufahrt zum Ruhrstadion die Beats ballern, dann schauen die Menschen doch überrascht. Mit akustischem Antrieb rollte am Samstag die derzeit am längsten sieglose Mannschaft der Bundesliga zum Bochumer Stadion. Doch die eingängigen Bässe aus dem Bus überdauerten bei den Fußballern nicht als Ohrwurm. Sie wurden bald abgelöst von einem Gassenhauer des Komponisten Jacques Offenbach.

Dessen schwungvollen Can-Can spielen sie beim VfL Bochum nach jedem eigenen Treffer, am Samstag fünf Mal. Die Bochumer tanzten die Hoffenheimer mit 5:2 (3:0) vom Platz. Für die Kraichgauer war es nach dem vorwöchigen 1:4 gegen Borussia Mönchengladbach die zweite kapitale Liga-Niederlage nacheinander. Der Can-Can ist ein Lied aus Offenbachs Operette “Orpheus in der Unterwelt”. Der Titel passt zu den seit nunmehr neun Ligaspielen sieglosen Hoffenheimern mit ihrem Trainer André Breitenreiter – nur binnen viereinhalb Monaten hat es sie in den tabellarischen Hades verschlagen.

Dass Breitenreiter seinen Job darob kurzfristig verliert, klang kurz nach dem Spiel zumindest aus den Äußerungen des Sportchefs Alexander Rosen bei Sky nicht heraus. Mit Blick auf einen ziemlich guten Saisonstart sagte Rosen: “Es stellt sich nicht die Frage, ob der Trainer seinen Job kann, den kann er!” Aber dass die TSG auch schon in der Vorsaison unter dem Trainer Sebastian Hoeneß einen solch radikalen Absturz erlebt hatte, machte Rosen nachdenklich. “Wir sollten alle kritischen Fragen vielleicht mal größer aufziehen”, sagte er und suggerierte, dass es im TSG-System Schwachstellen geben könnte, die dauerhaftem Erfolg abträglich sind. Genaueres nannte er nicht.

Breitenreiter ist nach der Niederlage in Bochum frustriert, ratlos, geladen

Rein zufällig fällt Hoffenheims Absturz zeitlich exakt mit jenem Aufschwung beim VfL Bochum zusammen, der durch dessen neuen Trainer Thomas Letsch ausgelöst wurde. Als Letsch Mitte September antrat, war Bochum mit einem Punkt Letzter. Hoffenheim war damals mit 13 Punkten Vierter. Seither haben sich beide Klubs sukzessive angenähert. Am Samstag kamen sie durch Bochums Sieg mit nun je 19 Punkten ganz nah zusammen. 18 Punkte hat der VfL mit Letsch binnen zwölf Spielen geholt, sechs Punkte haben im selben Zeitraum die Hoffenheimer gewonnen.

Als Breitenreiter im Juni präsentiert wurde, hatte er gesagt: “Dietmar Hopp wünscht sich einen sechsten Platz und ich wäre am liebsten noch besser.” Mitte September sah es noch so aus, als könnte Breitenreiter dem TSG-Mäzen diesen Wunsch erfüllen. Doch seither geht nichts mehr. Der bislang letzte Sieg in der Liga (3:0 auf Schalke) datiert vom 14. Oktober.

Breitenreiter war nach der Niederlage in Bochum frustriert, ratlos, geladen. “In jedem Training sehe ich hohe Intensität, aber die Mannschaft kriegt das momentan nicht auf den Platz”, klagte er und wurde im Laufe seiner Ausführungen rhetorisch immer radikaler: “Diese Leistung hatte mit Profifußball nicht viel zu tun. Das ist nicht akzeptabel. Es muss etwas passieren. Das werde ich mir so nicht mehr gefallen lassen.” Fragen nach seinem Job beantwortete Breitenreiter so ähnlich wie zuletzt: “Es geht nicht um nicht, sondern um die Wende; der Verein muss das entscheiden.”

Hoffenheim in der Krise: Erstes Bundesligaspiel, gleich ein Tor: Bochums Moritz Broschinski (rechts).

Erstes Bundesligaspiel, gleich ein Tor: Bochums Moritz Broschinski (rechts).

(Foto: David Inderlied/dpa)

Der Niedergang hat auch mit personellen Nöten zu tun. Der Stürmer Georgino Rutter wurde an Leeds United verkauft, der Mittelfeld-Verstärker Grischa Prömel hat sich Anfang November den Knöchel gebrochen und der Torjäger Andrej Kramaric leidet offenbar an einer gewissen Müdigkeit und kam in Bochum erst zur zweiten Halbzeit ins Spiel. Hinzu kommen Ausfälle solcher Stammkräfte wie Kevin Vogt, Pavel Kaderabek, Robert Skov und Jacob Bruun Larsen.

Die Bochumer Treffer waren Nadelstiche in die Hoffenheimer Wunden. Das Kopfballungeheuer Philipp Hofmann durfte das 1:0 per Fuß erzielen (22. Minute), Philipp Förster setzte sich nach seinem 2:0 (30.) provokant in den Lotus-Sitz und Takuma Asano zelebrierte vor seinem 3:0 (40.) einen Übersteiger gegen den zögerlichen Stanley Nsoki.

Unter Trainer Letsch hat Bochum alle Heimspiele gewonnen

Zwei hoffnungsvollen Treffern durch Christoph Baumgartner (49.) und Munas Dabbur (77.) in der zweiten Halbzeit widersprachen die Bochumer sofort durch Tore von Erhan Masovic (60.) und Moritz Broschinski (83.). Letzterer, Neuzugang von Borussia Dortmund II, erzielte in seinem ersten Bundesligaspiel sein erstes Tor. Solche Dinge passieren auf fruchtbarem Boden.

Zumindest in den Heimspielen im immer atmosphärischeren Ruhrstadion gelingt den Bochumern derzeit alles. Unter Letsch wurden alle fünf Partien an der Castroper Straße gewonnen. Fünf Heimsiege in Serie gab es beim VfL seit 1976 nicht mehr. “Es war ein tolles Spiel”, sagte der Trainer und klang fast ein bisschen mitgenommen. Linderung winkt ihm keine. Am Mittwochabend spielt der VfL im Pokal gegen Borussia Dortmund.



Quellenlink https://www.sueddeutsche.de/sport/hoffenheim-krise-bochum-breitenreiter-trainer-bundesliga-1.5745139