Gedenktag 42 Jahre nach Oktoberfest-Attentat am Wiesn-Eingang


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Von: Leoni Billina, Phillip Plesch

Ein bewegender Besuch: 42 Jahre nach dem Attentat kam Opfer Jim Evans zurück nach München.
Ein bewegender Besuch: 42 Jahre nach dem Attentat kam Opfer Jim Evans zurück nach München. © Achim Frank Schmidt

Vor 42 Jahren tötete ein Attentäter am Eingang des Oktoberfests zwölf Menschen. Am Montag kamen Politiker und Hinterbliebene zusammen, um zu gedenken und zu mahnen.

Jim Evans (63) tritt nach vorne. Behutsam legt er eine Nelke auf den Boden, hält kurz inne – und bricht dann in Tränen aus. 42 Jahre ist es her, dass den Amerikaner die Oktoberfest-Bombe schwer verletzte. 42 Jahre hat er den Ort des Grauens gemieden. Gestern nun – am Jahrestag – stellte er sich dem Horror von einst.

„Das ist alles sehr emotional“, sagt Evans weinend. „Über die vielen Jahre hat sich Einiges angestaut, und das kommt jetzt raus.“ Der ehemalige US-Soldat hatte immer darauf gehofft, die anderen Hinterbliebenen einmal zu treffen. „Vor 42 Jahren sind wir alle zu einer Familie geworden.“ Auch Kameraden von ihm, die wie er in München stationiert waren, wurden damals verletzt. Heute lebt Evans in Michigan. 

Am Abend des 26. September 1980 hatte die Explosion zwölf Wiesn-Besucher sowie den rechtsextremen Bombenleger Gundolf Köhler selbst in den Tod gerissen. Über 200 Menschen wurden verletzt. Es war der schwerste rechtsextreme Anschlag in der Historie der Bundesrepublik.

OB Dieter Reiter fand mahnende Worte

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) rief am Jahrestag des Oktoberfest-Attentats zum Kampf gegen Rechtsextremismus „mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften“ auf. Am Wiesn-Haupteingang, dem Ort des Anschlags, verlas er am Montag bei einer Kranzniederlegung die Liste der zwölf damals getöteten Wiesn-Besucher: Gabriele Deutsch, Robert Gmeinwieser, Axel Hirsch, Markus Hölzl, Paul Lux, Ignatz Platzer, Ilona Platzer, Franz Schiele, Angela Schüttrigkeit, Errol Vere-Hodge, Ernst Vestner, Beate Werner. „Die Erinnerung ist wach.“

Überlebende, Hinterbliebene und Politiker kamen zur Gedenkveranstaltung am Haupteingang.
Überlebende, Hinterbliebene und Politiker kamen zur Gedenkveranstaltung am Haupteingang. © Achim Frank Schmidt

Über Jahrzehnte sei der Anschlag als Tat eines unpolitischen Einzeltäters quasi abgehakt worden, sagte Reiter. Er würdigte dabei das Engagement der DGB-Jugend, die seit 40 Jahren das Gedenken organisiert hat und so gegen das Vergessen eintrat. Dafür habe die Gewerkschaftsjugend nicht nur Wohlwollen geerntet. Stattdessen habe sie sich auch mit zunehmendem Desinteresse und sinkender öffentlicher Aufmerksamkeit auseinandersetzen müssen.

Hinterbliebene kämpfen noch immer um Entschädigungen

Erst 2020 stellte die Bundesanwaltschaft nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens fest, dass Köhler aus rechtsextremistischer Motivation handelte. Diese klare Einordnung sei längst überfällig gewesen, sagte Reiter.

Das hilft auch den Betroffenen, die dennoch bis heute leiden. Der 54-jährige Robert Höckmayr verlor zwei Geschwister und wurde wie zwei weitere Geschwister und seine Eltern schwer verletzt. Es folgten Operationen – und immer neue Anträge auf Entschädigungen. Es gebe zu viel Bürokratie, vor allem fehle Unterstützung im sozialen Bereich, sagt er. „Ich bin kein Mensch zweiter Klasse!“ Das gelte auch für Opfer anderer Attentate wie am Olympia-Einkaufszentrum. „Resozialisierung funktioniert bei Straftätern. Das muss doch bei Opfern auch gehen.“



Quellenlink https://www.tz.de/muenchen/wiesn/gedenktag-42-jahre-nach-oktoberfest-attentat-am-wiesn-eingang-91813307.html?cmp=defrss