„Das ist ein sturer Hund“


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Von: Rudolf Ogiermann

Ein Mädchen wird vermisst
Wo um alles in der Welt ist Amelie? Kommissar Ingo Thiel (Heino Ferch) ist ratlos – noch! © © Frank Dicks

Schauspieler Heino Ferch hat schon viele Ermittler gespielt. Dieser ist ein besonderer, denn er ist dem realen Ingo Thiel nachempfunden, wegen seiner besonderen Hartnäckigkeit im „Fall Mirco“ bundesweit bekannt gewordener Mordermittler aus Nordrhein-Westfalen. Jetzt läuft im ZDF sein neuer Fall, „Wo ist meine Schwester?“

Die Suche nach dem Mörder des zehnjährigen Mirco aus Grefrath (Nordrhein-Westfalen) im Jahr 2010 gilt als eine der aufwendigsten Mordermittlungen in der deutschen Kriminalgeschichte. Sie machte den Leiter der Sonderkommission, Ingo Thiel, bundesweit bekannt. Unter dem Titel „Ein Kind wird gesucht“ verfilmte das ZDF den „Fall Mirco“ im Jahr 2017 mit Heino Ferch in der Hauptrolle. Seitdem liefen zwei weitere Filme, die auf Fällen Thiels beruhen. Im vierten mit dem Titel „Wo ist meine Schwester?“, zu sehen heute um 20.15 Uhr, geht es um die 31-jährige Amelie, die nach einer Geburtstagsparty mit ihrer Zwillingsschwester Marie (Kristin Suckow in einer Doppelrolle) spurlos verschwindet. Schnell gerät Amelies Freund Jonas (Max Hubacher) unter Verdacht. Doch der beteuert seine Unschuld. Ein Gespräch mit Heino Ferch über den echten Ingo Thiel und was der Schauspieler an dem Ermittler schätzt.

Was ist – wenn Sie auf die bisher insgesamt vier Ingo-Thiel-Fälle zurückschauen – aus Ihrer Sicht das Besondere an diesem Film?

Heino Ferch: Sicher die Zwillingsthematik, die ich sehr interessant finde, diese extrem enge Verbindung, die die beiden Schwestern miteinander haben. Wobei die Tatsache, dass es sich hier um eineiige Zwillinge handelt, die Idee des Drehbuchautors war, der zwei Fälle miteinander verwoben hat. Real ist, dass in dem diesem Krimi zugrunde liegenden Fall ein Verdächtiger wieder und wieder festgenommen und vernommen wurde, es aber nicht genügend Beweise gab, um ihn in Untersuchungshaft zu halten. Sein Anwalt hat ihn immer wieder herausgeboxt. Tatsächlich ist der Mann bis heute auf freiem Fuß.

Wie ist das für Sie, einen Ermittler zu spielen, den es tatsächlich gibt und der sogar dessen Namen trägt?

Heino Ferch: Das ist ein großes Geschenk! In Ingo Thiel habe ich jemanden, der von seinen beruflichen Erfahrungen erzählt, auch von den Durststrecken, die er und sein Team überwinden müssen, um den Tätern auf die Spur zu kommen. Er ist an jeder Drehbuchentwicklung beteiligt, er garantiert für Authentizität, er ist immer für Fragen offen, er streicht den Schnickschnack, der in rein fiktionalen Krimis oft drinbleibt, rigoros heraus.

Setzt Sie diese Konstellation auch unter Druck?

Heino Ferch: Natürlich will ich ihm gerecht werden in meiner Darstellung, Wir unterscheiden uns zwar figürlich, aber ich habe doch versucht, mir ein paar seiner Eigenschaften anzueignen. Das sind aber nur Zitate, letztlich muss ich meine Rolle im Sinne der Geschichte selbst spielen. Mein Hauptaugenmerk liegt darauf zu zeigen, dass dieser Ingo Thiel ein sturer Hund ist, ein unglaublich ausdauernder, fast pedantischer Polizist, einer, der nie die Hoffnung aufgibt, die Stecknadel im Heuhaufen doch noch zu finden.

Sie haben an anderer Stelle einmal gesagt, Ermittler wie ihn müsste es viel mehr geben, dann sähe die Kriminalstatistik besser aus.

Heino Ferch: Auf jeden Fall. Ich kann da nur Ingo Thiel selbst zitieren: „Es ist alles eine Frage des Geldes.“ Es gibt genügend gute Leute, die mehr Fälle aufklären könnten, wenn sie länger dranbleiben dürften. Aber oft fehlen dafür die finanziellen Mittel. Je höher das Budget des jeweiligen Bundeslandes für die Polizei, desto höher auch die Aufklärungsquote.

Sie sind Schauspieler, könnten Sie sich auch vorstellen, Kriminalpolizist zu sein?

Heino Ferch: Nein. Das ist schon ein hartes Brot, wenn man tagein, tagaus mit Verbrechen konfrontiert ist, mit dem Leid, das für die Betroffenen damit verbunden ist. Aus meiner Beschäftigung mit diesen Fällen weiß ich: Das Schlimmste für die Angehörigen von Menschen, die vermisst und vermutlich einem Mord zum Opfer gefallen sind, ist die quälende Ungewissheit, die schlimmer ist als eine noch so schlimme Gewissheit.

Im Film sagt Ihre Kollegin sinngemäß: „Ich glaube an das Gute im Menschen!“ Worauf Sie erwidern: „Dafür werden wir nicht bezahlt!“ Glauben Sie persönlich an das Gute im Menschen?

Wo ist meine Schwester?
Was können sie zur Aufklärung des Falles beitragen? Amelies Freund Jonas (Max Hubacher), ihre Mutter Dorothee (Martina Gedeck) und ihre Zwillingsschwester Marie (Kristin Suckow, v. li.). © Frank Dicks

Heino Ferch: Ja, natürlich. Mir widerstrebt es, mich tagtäglich verfolgt zu fühlen oder gegen alles und jeden Misstrauen zu hegen – abgesehen von der natürlichen Vorsicht, die wir alle im Leben walten lassen sollten. Allerdings verweise ich noch einmal auf Ingo Thiel, der mir bestätigt hat, dass es das Böse wirklich gibt, dass es Menschen gibt, die wie tickende Zeitbomben sind. Was nicht heißt, dass nicht jeder von uns in eine Situation kommen kann, sich so in die Ecke gedrängt fühlt, dass er Dinge tut, die zu tun er nie für möglich gehalten hätte.

Ein weiterer Ingo-Thiel-Krimi ist bereits abgedreht…

Heino Ferch: Ja, das ist auch wieder ein Cold Case, es geht diesmal um seinen Ausbilder, gespielt vom großartigen Manfred Zapatka, der Anfang 80 ist, Thiel aufsucht und eine Geschichte aus den Achtzigerjahren an ihn heranträgt, die nie aufgeklärt wurde.



Quellenlink https://www.tz.de/muenchen/kultur/tv-fernsehen-zdf-heino-ferch-ingo-thiel-wo-ist-meine-schwester-interview-zr-92157656.html?cmp=defrss