Autos raus aus München! Künstler zeigt spektakuläre Ideen


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Von: Sascha Karowski

Der Candidplatz ohne Autos.
Der Candidplatz ohne Autos. © www.visualutopias.com

München ohne Autos? Grafiker Jan Kamensky hat dazu viele Ideen – und diese auch bereits in Simulationen umgesetzt. Wie weit das Rathaus bei der Umsetzung tatsächlich ist – ein Überblick.

München – Autos heben ab und Schilder fliegen durch die Luft. Vorher waren hier noch Autos, jetzt ist der Candidplatz leer. Plötzlich schieben sich Bäume in das Bild und Blumen sprießen aus dem Beton. Vögel fliegen durch die Luft und Menschen radeln über den Platz. Egal, ob Madrid, Tokio oder München – der Künstler Jan Kamensky (www.visualutopias.com) lässt Autos von den Straßen fliegen. Seit drei Jahren pflanzt er in seinen Videos Bäume und befreit so Münchens Straßen virtuell von Autos. In den kurzen Videos auf seiner Seite visualutopias zeigt er, wie die Städte ohne den motorisierten Verkehr aussehen könnten.

Autos raus aus München: Künstler kam in der Pandemie auf die Idee für die weitgehend grünen Straßen

Eigentlich war Kamensky Grafiker für den FC St. Pauli – als er dann die leeren Straßen in der Corona-Pandemie sah, kam ihm die Idee. Und schon ging’s an die Arbeit: Jan fuhr selbst zu den Orten, schoss ein Foto und ließ dann künstlich die Fahrzeuge vom Bild verschwinden. Die Ideen für die grünen Straßen entsprangen seiner eigenen Fantasie.

Es sei, als würde man Kindern eine leere Malvorlage geben. Dann beginne die Magie: Die Straßen sind leer und der Ort kann neu aufblühen. „Das ist der besondere Moment“, erklärt er. Wo sich vorher die Autos auf der Max-Joseph-Brücke stauten, wird auf einmal Gemüse angebaut. Rund eine Woche dauert’s, bis aus einem Verkehrschaos eine grüne Idylle entsteht.

Autos raus aus München: Künstler will bei den Menschen das Bewusstsein für seine autofreie Stadt schaffen

Der digitale Gärtner verfolgt mit seinen Utopien eine besondere Mission. Er möchte in die Köpfe der Menschen ein Bewusstsein pflanzen und zum Nachdenken anregen. „Die Videos sollen Menschen zum Träumen anregen“, sagt der 36-jährige. Seine Kunst helfe, einen Blick in die Zukunft der eigenen Nachbarschaft zu werfen.

Die Max-Josef-Brücke - vorher und nachher.
Die Max-Josef-Brücke – vorher und nachher. © www.visualutopias.com

Das Netzwerk MCube holte den Künstler nach München, um an Utopien zu werkeln. Es entwirft Zukunftspläne für den Verkehr in Städten – Jan zeigt mit seinen Beispielen, wie’s aussehen könnte. „Ich bin nicht gegen die Menschen in den Autos“, versichert der Künstler. Es geht ihm darum, zu zeigen: Das Verkehrschaos kann so nicht weitergehen. Wo ein Parkplatz ist, kann keiner sitzen und wo keiner sitzen kann, da ist kein Raum für Menschen – das soll sich ändern. Aus Parkplätzen macht Jan Kamensky deshalb Sitzbänke und Platz für Räder. Damit will er den Münchnern zeigen: Schaut euch eure Stadt mal mit anderen Augen an!

Seine Kunst kommt freilich nicht bei allen gut an. Sie wirft auch Fragen auf, beispielsweise, wie die Müllabfuhr funktionieren soll. „Ich kann nicht alles in eine Animation packen“, betont der Künstler. Er sei schließlich kein Architekt. Er versuche aber, immer bei der Realität zu bleiben.

Autos raus aus München: Was der Stadtrat bereits beschlossen hat und was noch geplant ist

Diesel-Verbot, neue Fußgängerzonen, Radwege oder Busspuren und immer weniger Parkplätze: Für Autos wird es seit der Kommunalwahl 2020 in der Stadt stetig enger. Und das soll so weitergehen, Grüne und SPD werden noch heuer weitere Projekte auf den Weg bringen. Ein Überblick.

Fußgängerzonen: Die Dienerstraße ist 2020 komplett den Fußgängern zugeschlagen worden. Auch aus dem Bereich Frauenplatz/Löwengrube, westlich des Doms, sind Autos verbannt. Mit dem Umbau des östlichen Bereichs soll noch in diesem Jahr begonnen werden. Folgen soll das Tal, wann, ist unklar. Ebenfalls gewünscht sind Fußgängerzonen in der Westenriederstraße sowie Erweiterungen am Wiener-, Weißenburger- und Pfanzeltplatz sowie am Glockenbach und am Mahatma-Gandhi-Platz.

Parkplätze: Seit Ende 2020 sind innerhalb der Parklizenzgebiete 1105 Stellplätze entfallen. In der ganzen Stadt sogar noch mehr, allerdings kann die Verwaltung dazu keine Zahlen nennen. Unter anderem entstanden aber auch durch den Wegfall insgesamt 7350 Fahrradstellplätze, davon sind etwa 1100 überdacht und 50 für Lastenradl. Zudem gab es Platz für das Abstellen von E-Scootern sowie neue Busspuren und Radwege. Weitere Streichungen sind geplant, so sollen etwa 900 Parkplätze für den Radschnellweg nach Markt Schwaben weichen.

Radwege: Insgesamt sind fünf Maßnahmenbündel bereits beschlossen. Neue, breitere Radwege entstehen (teils zulasten von Autofahrspuren) bereits auf der St.-Magnus-Straße, Zeppelinstraße und der Stadelheimer Straße. Bei weiteren acht Projekten startet die Beteiligung der Öffentlichkeit, in Planung befinden sich außerdem weitere 25 Projekte, unter anderem an der Isartalstraße, Lindwurmstraße oder an der Reichenbachbrücke. Auch der Platanenplatz gegenüber dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus soll für Fußgänger und Radfahrer umgestaltet werden.

Schanigärten: Auch die Gastronomie nimmt Stellplätze in Beschlag. 550 Schanigärten sind für dieses Jahr angemeldet, hinzu kommen 50 größere Freischankflächen. Vorübergehend entfallen 1300 Parkplätze.

Parkelts: Sitzmöbel oder Pflanzkübel – Anwohner schaffen auf Stellplätzen Aufenthaltsqualität. 18 Anmeldungen hat die Verwaltung dafür registriert, 36 entfallen im Sommer.

Sommerstraßen: Ab Mitte Juni sollen mindestens zehn Straßen in Sommerstraßen und bis zu 14 in verkehrsberuhigte oder Spielstraßen umgewandelt werden. Sie bleiben bis Ende der Sommerferien autofrei. CHRISTINA SCHIRMER, SASCHA KAROWSKI



Quellenlink https://www.tz.de/muenchen/stadt/autos-raus-aus-muenchen-spektakulaeren-ideen-fuer-die-stadt-92165253.html?cmp=defrss