„Angst wie noch nie in meinem Leben“


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Von: Patrick Hilmes

Dominik Otte bei einem Fußballspiel mit der Pfeife im Mund.
Lässt sich sein Hobby nicht vermiesen: Dominik Otte will weiterhin pfeifen. © Markus Nebl

Dominik Otte hat bei der U17-Bezirksoberliga-Partie des TSV Murnau gegen den Kirchheimer SC das erlebt, was kein Unparteiischer erleben will: Ein Kirchheimer Spieler würgte ihn.

Murnau – 55 Minuten lang liefert sich die U17 des TSV Murnau mit dem Kirchheimer SC eine Partie, die dem Stempel Spitzenspiel der Bezirksoberliga gerecht wird. Doch binnen weniger Minuten herrscht plötzlich Chaos. Das Resultat: zwei Platzverweise, Spielabbruch, ein Kirchheimer Fußballer, der den Oberammergauer Schiedsrichter würgt, wilde Jagdszenen auf dem Platz, eine Fahrt zum Krankenhaus und eine Anzeige bei der Polizei.

„Angst wie noch nie in meinem Leben“: Chaotische Szenen in Bezirks-Oberliga – Schiedsrichter unter Schock

Was war passiert: Die Murnauer führten mit 2:1, als Gäste-Trainer Hüseyin Sözer, der bereits nach drei Minuten verwarnt worden war, lautstark einen Handelfmeter für sein Team forderte. Bewertete der Unparteiische Dominik Otte vom TSV Oberammergau anders, hatte kein ahndungswürdiges Vergehen gesehen. Sözer reklamierte derartig, dass Otte ihm die Gelbe Karte zeigte. Ohne Wirkung, Sözer redete nach Aussagen mehrerer Personen weiter in aggressiver Art und Weise sowie teils in einer Fremdsprache auf Otte ein. „Er sagte zu mir, ich wäre gekauft worden“, schildert der Referee selbst. Entsprechend sah sich Otte gezwungen, Sözer mit Gelb-Rot des Feldes zu verweisen.

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Spielabbruch nach Platzverweis für Kirchheims Trainer

Daraus resultierte folgendes Problem: Die Regularien des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) besagen, dass ein Erwachsener eine Jugendmannschaft betreuen muss. Otte fragte daraufhin Sözer zweifach, ob eine solche Person vor Ort sei und übernehmen könnte. Beide Male hätte der Kirchheimer Coach das verneint. Woraufhin dem 20-jährigen Unparteiischen nichts anderes übrig blieb, als das Spiel abzubrechen. Just danach rief Sözer ihm zu, es gäbe doch jemanden. Nur war es da schon zu spät. „Sobald das Spiel abgebrochen ist, kann ich es nicht wieder anpfeifen“, erklärt Otte.

Ich hatte eine Angst wie noch nie in meinem Leben.“

Dies war der Auslöser, der das KSC-Fass zum Überlaufen brachte. Laut mehrerer Aussagen stürmten die Kirchheimer samt Trainer auf den Spielleiter zu, umzingelten ihn, schubsten ihn. Doch dabei blieb es nicht. „Eine Hand von einem Spieler griff mir an den Hals und drückte zu, sodass ich keine Luft mehr bekam“, schildert Otte. Er taumelte ein paar Schritte zurück, drohte auf den Boden zu fallen, fing sich aber. Geistesgegenwärtig prägte sich Otte das Gesicht seines Angreifers ein und zeigte ihm – Nummer 33 – sogar noch die Rote Karte. Obwohl „ich eine Angst wie noch nie in meinem Leben“ hatte.

Portraitfoto von Klemens Wind.
Klemens Wind, Schiedsrichter-Obmann. © ANDREAS MAYR

Chaos bei Bezirksoberliga-Partie: Schiedsrichter-Obmann spricht von „Treibjagd“

Währenddessen waren ihm Murnaus Trainerin Caroline Rieger, Schiedsrichter-Obmann Klemens Wind und eine weitere Unparteiische, die zuvor ein Spiel gepfiffen hatte, zur Hilfe geeilt. Wind hielt laut eigener Schilderung Trainer Sözer auf, der von Otte nicht ablassen wollte. Rieger und die andere Schiedsrichterin begleiteten den Oberammergauer in die Kabine, der zuvor nach Luft schnappend kurzzeitig zu Boden gegangen war. Auf dem Platz bekam Wind noch Unterstützung von einem Murnauer Ordner, der aber ergriff wenig später die Flucht. „Das war eine Treibjagd, erst auf den Schiedsrichter, dann ist die ganze Kircheimer Mannschaft hinter dem Ordner her“, erzählt Wind. Laut des Schiedsrichter-Obmanns soll dem Ordner aber nichts passiert sein.

Portraitbild von Caroline Rieger.
Caroline Rieger, Murnaus U17-Trainerin. © Andreas Mayr

Anschließend räumten alle Personen nach und nach das Murnauer Sportgelände. Derweil saß Otte auf einer Bank in der Kabine und wusste nicht recht, was da gerade passiert war. „Ich habe gezittert, das war ein brutaler Schock“, erzählt er. Auch Rieger und Wind, die beide die Szenen genauso wie Otte schilderten, waren sprachlos. „Ich bin schon lange im Geschäft, aber so etwas habe ich noch nie erlebt“, erzählt die Trainerin.

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Polizei Murnau bittet um Hinweise

Nachdem sich die Lage beruhigt hatte, wurde Otte in die Unfallklinik Murnau gefahren. Dort diagnostizierte man eine Quetschung der Halsweichteile. Der Oberammergauer wurde für zwei Wochen krankgeschrieben. Anschließend ging es weiter zur Polizei, wo Otte noch Anzeige gegen den Kircheimer Spieler erstattete. In dem Pressebericht der Polizeiinspektion Murnau aber hieß es am Montag, dass Zuschauer, die die Trikotnummer des Täters einwandfrei abgelesen haben, sich an die PI Murnau unter der Telefonnummer 0 88 41/61 76-0 wenden sollen. Wind und Otte sind sich jedoch sicher, den Angreifer identifiziert zu haben. „Das war eindeutig die Nummer 33. Der Spieler hat sich danach hinter einem Teamkameraden versteckt und sich schnell das Trikot ausgezogen“, berichtet der Schiedsrichter-Obmann, der vor allem den KSC-Trainer als Verantwortlichen für diese unsportlichen Szenen sieht. „Er hat die Aggressionen reingebracht.“ Coach Sözer wollte sich auf Nachfrage des Tagblatts nicht zu den Geschehnissen und Vorwürfen äußern, will dies aber im Anschluss der Entscheidung des Sportgerichts nachholen.

„Ich werde mir von solchen Deppen nicht mein Hobby vermiesen lassen.“ 

Otte, der im Förderkader der Schiedsrichtergruppe Weilheim ist und den Wind als „einen meiner Besten“ bezeichnet, hatte auch am Tag danach noch mächtig an den Ereignissen vom Sonntag zu knabbern. „Ehrlich gesagt: Mir geht’s beschissen, körperlich und mental.“ Zwar hat auch er schon bedrohliche Szenen auf dem Fußballplatz erlebt, aber noch nicht in diesem Ausmaß. „Das war eine richtig harte Nummer.“ In den ersten Momenten danach dachte er ans Aufhören, daran, die Pfeife an den Nagel zu hängen. Doch mittlerweile hat er umgedacht, gibt sich kämpferisch. „Ich werde mir von solchen Deppen nicht mein Hobby vermiesen lassen.“ Bereits nächstes Wochenende will er wieder als Assistent am Spielfeldrand stehen. „Ich mache das gerne, das ist meine Leidenschaft. Es gibt auch schöne Spiele. Eigentlich war das am Sonntag in Murnau auch eines – bis zur 55. Minute.“



Quellenlink https://www.tz.de/muenchen/region/attacke-auf-schiedsrichter-garmisch-bezirksoberliga-ztz-91916878.html?cmp=defrss